Markus Kavka: „Rottenegg“
Held der Provinz
Markus Kavka: „Rottenegg“ (Roman)
„Hamma wieder was gelernt!“ Diesen Satz kennt jeder, der auch nur ab und zu mal in die MTV News reingezappt hat, als Markus Kavka diese noch moderierte. Was lernen muss auch Gregor Herzl, der Protagonist in Kavkas erstem Roman „Rottenegg“. Durch eine Serie mittlerer Katastrophen aus der Bahn geworfen, sucht der Pop-TV-Moderator, der mit dem Autor so einige Gemeinsamkeiten teilt, sein Glück in der oberbayrischen Provinz.
Von Lisa Letnansky.
Markus Kavka kennt man wohl vor allem aus dem Fernsehen, als er für VIVA, MTV oder kabel eins Musiksendungen moderierte. Seine Wurzeln liegen aber im Printmedienbereich, das Schreiben ist genau so sein Metier wie das Reden, was auch sein erster Roman „Rottenegg“ bestätigt. Zuerst wollte Kavka eigentlich eine autobiographische Abhandlung über seine Zeit im Musikgeschäft schreiben. Die Befürchtung jedoch, dass diese in einen kulturpessimistischen Rachefeldzug ausarten könnte, trieb ihn dazu, sich eine fiktive Geschichte auszudenken, bei welcher er aber mit Insiderwissen auch nicht geizt.
Wie aus dem Nähkästchen
Obwohl Kavka zu Beginn des Romans betont, dass alle Charaktere rein fiktiv seien, was besonders für die Hauptfigur gelte, wirken nicht nur die vielen kleinen Anekdoten aus der Medienbranche authentisch und glaubwürdig, auch der Protagonist selbst kommt dem Leser seltsam bekannt vor. Unvermutet ertappt man sich bei manchen Passagen, ob der Autor hier wohl aus dem Nähkästchen plaudert.
Wie Kavka ist Gregor Herzl Anfang 40, stammt aus Oberbayern und moderiert bei einem Berliner Musiksender. Sogar die Frisur und die jugendliche Grufti-Vergangenheit hat er mit dem Autor gemeinsam. Und wie Kavka steht auch Gregor irgendwann vor einem Wendepunkt in seinem Leben, als er seinen Job bei Pop-TV verliert und durch einen jüngeren Moderator ersetzt wird. Von dieser Nachricht niedergeschlagen, aber auch zu neuen Zukunftsplänen angeregt, kommt er an diesem schicksalhaften Plan früher als geplant nach Hause und findet seine Freundin Wilma, eine umwerfend schöne Schauspielerin, mit ihrem Berufskollegen im Bett vor – die Katastrophe ist perfekt.
Die Provinz als letzter Ausweg
Von der Kündigung und dem Betrug aus der Bahn geworfen, versucht Gregor nun, seine Orientierungslosigkeit mittels eines ausgedehnten „Rauschmittel-Revivals“ zu verdrängen, eine Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen mit sich führt. Bis anhin war er völlig zufrieden gewesen mit seinem Alltagstrott und lebte mehr oder weniger in den Tag hinein. Seit er mit seiner Freundin zusammen war, hatte er nur noch sehr selten über die Stränge geschlagen, nun feiert er wieder wie in Jugendzeiten die Nächte durch und trinkt und kokst exzessiv, was in Verbindung mit seinen depressiven Phasen und seiner Schlaflosigkeit schliesslich zu einem Kurzaufenthalt in der offenen psychiatrischen Abteilung der Berliner Charité führt.
Aus Angst vor den Reaktionen der Presse und seiner Freunde schlägt Gregor das Angebot einer stationären Therapie aus: „Ich musste eine Möglichkeit finden, mich selbst zu therapieren… Ich musste weg von den Drogen… Ich musste weg von Wilma… Ich musste weg aus der Stadt… Ich musste unter Leute, denen mein Wohlergehen am Herzen lag. Und so blieb nur noch ein Ziel: Rottenegg bei Ingolstadt in Oberbayern.“
Pionierarbeit in der Dorfdisco
Spontan fährt Gregor also zu seinen Eltern in sein Heimatdorf Rottenegg, quartiert sich in seinem alten Kinderzimmer ein, trifft sich mit seinem Jungendfreund Eddie und geniesst die Ruhe vor dem Medienzirkus und der grossen Stadt. Monate vergehen und mehr aus Langeweile denn aus Liebe geht er eine Beziehung mit einer Sparkassenangestellten ein und legt von Zeit zu Zeit in der Dorfdisco auf, wo er sich darüber freut, dass er „hier in der Coolness-Diaspora ein wenig Pionierarbeit leisten konnte und statt des Scooter-Geballers ein wenig mondänen Clubsound nach Rottenegg brachte“. Wie früher lebt er sich schnell in den Alltag ein und denkt nur selten an das Morgen. Er plant weder die Länge seines Aufenthalts bei seinen Eltern noch seine berufliche Karriere – er lässt die Dinge einfach geschehen, was anfangs auch ganz gut zu funktionieren scheint. Bald wird jedoch auch dieses dörfliche Idyll getrübt, kleinere und grössere Zwischenfälle erwecken in Gregor Zweifel daran, dass er in der Welt seiner Jugend auf lange Zeit glücklich werden könnte.
Brave Pop-Literatur
Mit „Rottenegg“ hat Kavka eindeutig ein sehr unterhaltsames Buch vorgelegt. Der Roman strotzt nur so vielen kurzen Szenen, die mal wahnsinnig komisch und mal todtraurig sind. Wenn man Thematik, Drive und Stil des Romans betrachtet, muss man ihn wohl in der Pop-Literatur ansiedeln. Neben den Werken von Benjamin von Stuckrad-Barre, Christian Kracht oder Alexa Hennig von Lange wirkt „Rottenegg“ aber leider etwas brav. Natürlich fliessen wird auch hier mal öfters gevögelt und gekotzt, es wird geflucht und rebelliert, und Medien- und Glitzerwelt werden ausgiebig diskutiert – dennoch kommt der Roman über seine ironisierende Haltung nicht hinaus. Es werden weder Tabus gebrochen noch grossartige Angriffe gestartet. Dies mag vor allem daran liegen, dass der Protagonist keine sehr selbstbewusste Persönlichkeit ist, wie sie sonst so oft in der Pop-Literatur anzutreffen sind, sondern eher etwas schüchtern und angreifbar wirkt. Er lässt sich von Bloggern verunsichern und seine grösste Sorge gilt dem, was die Presse und Bekannte von ihm denken könnten. Diese Eigenschaften halten Gregor davon ab über den provinziellen Helden, den „Helden von Rottenegg“ hinauszukommen, er ist und bleibt ein ziemlich normaler Typ, den es irgendwie in die Prominenz verschlagen hat. Das ist nichts wahnsinnig Neues, wirkt aber gerade deshalb so glaubhaft und menschlich.
Titel: Rottenegg
Autor: Markus Kavka
Verlag: Rowohlt Polaris
Seiten: 256
Richtpreis: CHF 24.90