Fay Weldon: „Spa-Geflüster“

Frauengespräche am Whirlpool

Fay Weldon: „Spa-Geflüster“ (Roman)

Die englische Autorin Fay Weldon lädt in ihrem neuesten Roman zu einer Wellness- und Gesprächstherapie der besonderen Art ein; sehr zur Freude interessierter Frauen und zum Schrecken männlicher Verschwörungstheoretiker.

Von Stefanie Feineis.

spageflüsterDas ist so gar nicht das Weihnachtsfest, das sich die erfolgreiche Autorin Phoebe vorgestellt hat. Erst setzt ihr Mann das Haus unter Wasser, dann muss er unbedingt seine kranke Mutter unterstützen. Schweren Herzens entschliesst sich Phoebe daraufhin dazu, ganz aufs gewohnte familiäre Weihnachten zu verzichten und sich stattdessen über die Feiertage in einem Luxusspa zu entspannen. Kein Telefon, kein Computer, nicht einmal Handynetz, dafür gesunde Mahlzeiten, Massagen und Schönheitsbehandlungen. Und natürlich jede Menge andere Frauen.

Powerfrauen unter sich

Bald stellt sich heraus, dass eine ausschliesslich weibliche Gesellschaft nicht zwingend Zickenkrieg bedeutet. Von einigen Ausnahmen abgesehen verstehen sich alle anwesenden Damen überraschend gut, und so werden schon am ersten Abend Geheimnisse ausgetauscht. Bald schon streitet man sich darum, wer als nächstes neben dem Whirlpool oder im Entspannungsraum seine persönliche Geschichte erzählen darf. Die Gemeinschaft wird so stark, dass sich die Frauen sogar entschliessen zu bleiben, als sich herausstellt, dass das Spa Konkurs ist und alle Dienstleistung drastisch verringert oder gar eingestellt werden. Doch gewisse Folgen dieser speziellen ‚Gruppentherapie‘ bleiben nicht aus, vor allem nicht für die Hauptfigur. Anfangs fühlt sich Phoebe inspiriert von den Geschichten der anderen Frauen und beschliesst, diese heimlich aufzunehmen, um später ein Buch darüber zu schreiben. Nach und nach zeigen die Erzählungen von Betrug und Eifersucht jedoch ihre Wirkung, und Phoebe beginnt sich zu fragen, ob ihr Mann wirklich nur seine kranke Mutter besucht… Eines ist sicher: Dieser Wellnessurlaub wird das Leben einiger Teilnehmerinnen für immer verändern.

Modernes Setting, klassische Form

So neumodisch der Ort des Geschehens auch anmuten mag, so traditionell ist die Form. Nicht im Orient – man denke an die weltbekannten Geschichten aus 1001 Nacht – sondern auch in Europa ist die ‚Geschichtensammlung mit Rahmenhandlung‘ seit dem Mittelalter bekannt. Geoffrey Chaucer liess in seinen Canterbury Tales die Teilnehmer einer Pilgerreise mehr oder weniger wahre Begebenheiten austauschen, und bei Giovanni Boccaccio vertreiben sich junge Leute in ihrem Landhaus die Zeit während einer Pestepidemie ebenfalls mit Geschichtenerzählen. Wie schon bei seinen historischen Vorgängern ist die grösste Stärke dieses Romans zweifellos die Abwechslung. Bei so vielen grundverschiedenen Geschichten ist für jeden Geschmack etwas dabei, von verrucht und kriminell bis nachdenklich und lehrreich. Auch die Sprache wechselt je nach Erzählerin, ist einmal klar und fast emotionslos, ein andermal bildhaft oder gar abstrakt. Als Leser fühlt man sich direkt an den Whirlpool versetzt, wo man den Geschichten und Reaktionen unmittelbar lauschen kann. Inhaltlich lässt sich einzig kritisieren, dass in den erzählten Episoden die Frauen meist als ‚arme Opfer‘ der Männer dargestellt werden, jedoch ist dies wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Autorin eine Satire verfassen wollte, die mit den gängigen Klischees über ‚schwache Frauen‘ und ‚starke Männer‘ spielt, um beides gleichermassen als lächerlich und überzogen zu enttarnen. Ob ihr dies gelungen ist, bleibt Ansichtsache.

Who is Who?

Ein grösseres Problem ist jedoch, dass man bei so vielen Frauen und ihren Geschichten leicht den Überblick verliert. Zwar setzt die Autorin selten detaillierte Kenntnisse der einzelnen Erzählungen und Persönlichkeiten fürs weitere Verständnis voraus, und ‚Wichtiges‘ wird oft genug wiederholt, doch scheitert das Zurechtfinden oft an einer Sache, die eigentlich einfach hätte sein sollen: den Namen. Zu Anfang sieht man noch ein System: manche Personen, wie die Hauptfigur und die Spa-Angestellten, werden grundsätzlich nur beim Vornamen genannt, während alle weiteren Damen wie in der Überschrift ihrer Geschichten mit generischen Bezeichnung (‚die Richterin‘, ‚die Ex-Frau des Pfarrers‘) identifiziert werden. Soweit so gut, würde die Autorin nicht aus unerfindlichen Gründen einigen dieser Damen (nicht allen!) einen Vornamen verpassen, und ohne ersichtlichen Grund zwischen Bezeichnung und Vornamen hin- und her wechseln. Das mag bei der Gehirnchirurgin, deren Hippie-Eltern sie ausgerechnet ‚Shimmer‘ tauften, noch angehen; trotzdem wird auch sie in späteren Kapiteln immer noch als ‚die Gehirnchirurgin‘ bezeichnet. Und spätestens nach zwei Dritteln des Buches weiss man dann als Leser nicht mehr, wer Becky und wer Dorleen ist, und ob es sich bei der Richterin und Eve um dieselbe Person handelt.

Kurzweiliger Lesespass vor allem für Frauen. Interesse für Klatsch und Resistenz gegen Klischees wird jedoch vorausgesetzt.


Titel: Spa-Geflüster
Autorin: Fay Weldon
Übersetzung: Gesine Strempel
Verlag: dtv
Seiten: 464
Richtpreis: 22.90


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