„Ein hoher Preis – Es huere Stuck“ | Theater am Gleis, Winterthur
Zwischen Schüchternheit und Sadomaso
„Ein hoher Preis – Es huere Stuck“ | Theater am Gleis, Winterthur

Das Junge Theater Winterthur zeigt ein Stück, das aufrüttelt und dem Zuschauer die ungeschminkte Wahrheit präsentiert. Es provoziert, zeigt viel nackte Haut und eine mehrheitlich kaputte Welt. Wie gehen Frauen damit um, wenn sie ihren Körper verkaufen?
Von Salome Kern.
Dieses Jahr bringen die Mitglieder des Jungen Theater Winterthur das 15. Projekt auf die Bühne des Theater am Gleis. Für dieses Jubiläum hat sich Franziska Beck, die gleichzeitig als Autorin und Regisseurin agiert, Grosses vorgenommen. Prostitution gilt in der Gesellschaft noch immer als Tabuthema. Über was aber noch viel mehr geschwiegen wird, ist der bezahlte Studentinnen-Sex. Dieses Thema wird nun geschickt aus den Perspektiven von fünf WG-Bewohnerinnen aufgegriffen.
Wie kommt man zu schnellem Geld?
In Winterthur besteht eine fünfköpfige Frauen-WG, deren Mitglieder nicht verschiedener sein könnten. Ob Femme fatale, Bitch, Hippie, Mauerblümchen oder Business-Lady, hier wohnen alle mehr oder weniger friedlich zusammen. Kaum eine hat einen richtigen Job und als Studentin oder McDonald’s-Mitarbeiterin verdient man nicht genug zum leben. Bis zum Zeitpunkt, als ihnen der Geldhahn zugedreht wird. Für alle ist klar: Viel Geld muss her. Mit etwas Überzeugungskraft und Gruppendruck wird auch die schüchterne Manuela in die Idee der privaten Ficks mit einbezogen. Was harmlos beginnt, endet in einem professionellen Bordell. Dass das nicht gut gehen kann, ahnt der Zuschauer im Verlauf des Abends immer mehr. Noras Beziehung geht in die Brüche und bei Alena wird Kokain alltäglich.
Das Theater glänzt mit einer mustergültigen Spannungskurve. Zu Beginn lernt man die Mädels kennen und versteht so auch deren Hintergründe. Szene um Szene wird der Zuschauer mehr in das WG-Leben mit einbezogen. Bis sich dann die Entwicklung zum Puff abzeichnet, ohne das die Akteurinnen etwas davon ahnen. Nun werden die Szenen intensiver, die Handlungen schmutziger und die Mädchen kaputter. Man kann kaum anders, als Mitgefühl entwickeln. Es wird nicht mehr über Alltägliches gesprochen, nur noch etwas zählt: Wer hat mit wem für wie viel? Die Mädchenfreundschaften zerbrechen und Egoismus breitet sich aus. Als Jessica als Domina auftritt, kann das Publikum nicht mehr glauben, dass die WG noch tiefer sinken wird. Plötzlich geht es Schlag auf Schlag und überbordet. Alena bricht zusammen. Das Zusammenleben hat sich verändert, aber noch viel mehr haben sich die Mädels verwandelt. Der Schluss ist kurz und schmerzhaft, auch wenn nicht alle unglücklich enden. Die einzelnen Wortwechsel sind immer wieder durch Monologe unterbrochen, die die wahren Gefühle hervorkommen lassen. Es wirkt zuerst, als wäre es ein schreckliches Ende für alle Mitbewohnerinnen. Doch dem ist definitiv nicht so, für einige der Figuren nimmt die Geschichte eine schöne Wendung und sie finden ihr Glück.

Anstrengende Erotik
Damit das Stück so gelingt, wie sich die Regie wünscht, muss das Publikum der Thematik gegenüber offen sein. Kommt man vor Theaterbeginn in das Foyer, sieht man diverse Fakten zur Prostitution und kann sich so schon etwas vorbereiten. Für die Hobby-Schauspieler waren die Proben nicht einfach. Das ewige Sexy-sein, die knappen Kostüme und die schwerverdauliche Materie forderten. Ein Gerüst als schlichtes Bühnenbild, das die WG-Zimmer signalisiert macht es auch nicht einfacher. Mit hohen Absätzen darauf herum zu klettern, benötigt doch etwas Übung. Den Darstellern liegt das Thema sehr am Herzen und den Wunsch, das Publikum aufzuwecken, spürt man. Welche Gedanken schlussendlich in den Köpfen der Besucher herumgeistern, können sie nicht beeinflussen. Aber die Hoffnung zu sensibilisieren, bleibt.
Es ist schwere Kost für einen Abend. Jedoch perfekt geeignet für jene Menschen, die die Augen vor der Wahrheit nicht verschliessen wollen.
Vorstellungen am 18. – 22. Juni 2011
Dauer: 90 Minuten
Besetzung:
Janine Büchi
Valentina Stegmann
Nuria Künzler
Gabriela Stücheli
Salome Kern
Miro Hintermüller
Niklaus Kappeler
Tobias Zingg
Regie: Franziska Beck
Regieassistenz: Janine Brüderlin
Im Netz
www.jungestheaterwinterthur.ch
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Nur du und ich und Kerzenlicht
Die U16 Gruppe des Jungen Theater Winterthur führt vom 1. bis am 4. Juli 2011 ebenfalls im Theater am Gleis ihr zweites Projekt auf. Es ist ein Jugendstück über Cybermobbing, Freundschaft, Liebe und das Erste Mal.
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