Roddy Doyle: „Typisch irisch“

Die neuen Gesichter Irlands

Roddy Doyle: „Typisch irisch“ (Erzählungen)

Über fast zwei Jahrhunderte hinweg schien Irlands Problem eher die Aus- als die Einwanderung zu sein. Seit Mitte der 90er Jahre kennt aber auch die grüne Insel die Angst vor unkontrollierter Immigration und damit Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. In „Typisch irisch“ begibt sich Roddy Doyle in das neue, multikulturelle Irland und erzählt unverkrampft, ironisch und humorvoll Geschichten jener neuen Iren, aus deren rotem Bart kein Guinness auf das Irish Stew tropft.

Von Lukas Hunziker.

typisch irischIm April 2000 gründeten zwei nigerianische Journalisten in Dublin die multikulturelle Zeitschrift Metro Eireann. Doyle, welcher in der munteren Zuwanderung aus aller Welt nach Irland eher gute Geschichten als eine Gefahr witterte, schlug den Herausgebern vor, Geschichten für sie zu schreiben, in welchen das mulikulturelle Irland die Hauptrolle spielen sollte. 800 Wörter durfte er zu jeder Ausgabe beisteuern, und so entstanden acht kurze Erzählungen in sechs bis zehn Kapiteln à genau 800 Wörtern.

Die Idee zur ersten Erzählung stand ganz am Anfang von Doyles Arbeit für Metro Eireann: ein Familienessen, zu welchem eine der Töchter einen nigerianischen Freund mitbringt. Vater Larry, der sich eigentlich für sehr weltoffen hält, fällt aus allen Wolken, als er erfährt, mit wem seine Tochter sich da angefreundet hat, und zieht zum ersten Mal in seinem Leben den Zorn seiner Töchter auf sich, als er sich impulsiv gegen den Besuch des Schwarzen wehrt. Doch wenn seine Töchter sich etwas in den Kopf gesetzt haben, ist nicht dagegen anzukommen, und so kommt der ungewöhnliche Gast tatsächlich zum Abendessen, währenddem alle am Tisch mindestens einmal ins Fettnäpfchen treten.

Bullys, Robbie Keane und andere Hürden …

Die Berührungsängste der Iren mit ihren neuen Landesgenossen sind in fast allen Geschichten mit einer guten Portion Humor gewürzt, auch dann, wenn sie ein weniger versöhnliches Ende finden als in „Rate mal, wer zum Essen kommt“. In „Der Neue“ versucht ein schüchterner neuer Schüler, den seine Klassenkameraden eindeutig als Nicht-Iren identifizieren, mit einem Bully und der etwas irritierenden Lehrerin klarzukommen. In „Black Hoodie“ gründen ein irischer Junge, sein behinderter Freund und ein nigerianisches Mädchen im Rahmen eines Schulprojekts eine Firma, welche die Vorurteile von Warenhausdetektiven gegenüber Ausländern ans Tageslicht bringt. Und in „Der Kinderwagen“ rächt sich ein polnisches Kindermädchen mit einem Gruselmärchen an den zwei fiesen Töchtern ihrer noch fieseren Arbeitgeberin. Die amüsanteste Erzählung der Sammlung ist jedoch „57% irisch“, die Geschichte eines Doktoranden, welcher von der Regierung beauftragt wird, einen Einbürgerungstest zu entwickeln, der darin besteht, dass die Reaktion der Kandidaten auf irische Pornos und Robbie Keanes Tor gegen Deutschland an der WM 2002 gemessen wird.

… sowie ein Wiedersehen mit Jimmy Rabbitte

Die Titelgeschichte der englischen Ausgabe, „The Deportees“, welche auch die längste Erzählung der Sammlung ist, bringt ein Wiedersehen mit Jimmy Rabbitte, dem Manager der „Commitments“ aus Doyles gleichnamigem Erfolgsroman von 1987. Jimmy, inzwischen ein glücklicher Familienvater, hat schon länger keine Band mehr gemanagt, aber kurz vor der Geburt seines dritten Kindes hat er die Idee, eine Band zu gründen, in der kein einziges Mitglied Ire ist – oder zumindest kein weisser Ire. Auf sein Inserat, welches entsprechend mit dem Hinweis „Bewerbung weisser Iren zwecklos“ endet, melden sich eine ganze Reihe illustrer Musikerinnen und Musiker. Wer auf die Frage „Mögen Sie die Corrs?“ verneinend antwortet, dem gibt Jimmy eine Chance. Und bald entsteht die Band, in welcher Jimmy Rabbitte ähnlich viel Potential sieht wie in den Commitments. Alles, was noch fehlt, ist ein Gig..

„Typisch irisch“ ist eine höchst amüsante, süffige, und abwechslungsreiche Erzählsammlung, in welcher trotz des gleichbleibenden Themas keine Geschichte der anderen gleicht. Wie von Doyle gewohnt sind vor allem die Dialoge erste Klasse; die Figuren sind alle leicht überspitzt, aber gerade deshalb so liebenswert und amüsant. Man wünscht sich direkt, wir hätten auch im deutschsprachigen Raum Autoren, die über sonst so ernst diskutierte Themen mit einer solchen Leichtigkeit schreiben können.


Titel: Typisch irisch
Autor: Roddy Doyle
Übersetzerin: Renate Orth-Guttmann
Verlag: Carl Hanser Verlag
Seiten: 284
Richtpreis: CHF 29.90

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert