„Rubber“ von Justin Dupieux
Ein Pneu und ein Film auf Abwegen
„Rubber“ von Justin Dupieux
Ein mit übernatürlichen Kräften ausgestatteter Pneu als Mörder – zugegeben, der Einfall ist so absurd, dass man daraus einfach einen Film machen muss. Die Idee von „Rubber“ scheint für viele Kritiker, welche den Film euphorisch als Kultfilm bezeichneten, jedoch wichtiger gewesen zu sein als der Film. Dass die 60 von 80 Minuten, in denen der Pneu nicht im Bild ist, einfach nur ausgemachter Mist sind, scheint den meisten entgangen zu sein.
Von Lukas Hunziker.
So gut Regisseur Justin Dupieuxs Idee auch gewesen sein mag, so verfehlt war die darauf folgende Annahme, sie gäbe genug her für einen Spielfilm von eineinhalb Stunden. Für einen Kurzfilm schien ihm die Idee aber wohl zu gut zu sein, weshalb er die Story mit zwei Nebenhandlungen aufzupeppen versuchte. So beginnt „Rubber“ nicht mit der Geburt des mordlustigen Pneus, sondern mit einem gut gekleideten Herrn, der aus dem Kofferraum eines Wagens steigt und eine Rede darüber hält, dass in vielen guten Filmen entscheidende Handlungselemente oft ohne jeden Grund geschähen und der folgende Film eine Hommage an diese Grundlosigkeit sei. So amüsant diese Ansprache auch sein mag, sie ist das erste Armutszeugnis für den Film, denn absurde Kunst vorweg zu entschuldigen und zu rechtfertigen, heisst diese nicht zu verstehen.
Zwar versucht der Film bereits hier einen Twist, denn nachdem die Apologia zu Ende ist, der Entschuldiger zurück in den Kofferraum steigt und sich davonmacht, zeigt uns die Kamera, dass die Rede nicht, bzw. nicht nur, an uns gerichtet war, sondern an ein tatsächliches Publikum im Film, welches in der Wüste steht und Feldstecher ausgeteilt bekommt, mit welchen sie Ausschau nach dem Film halten, den man ihnen versprochen hat. Hier folgt dann auch schon die zweite Entschuldigung, als ein Junge in diesem Publikum seinem Vater mitteilt, er fände den Film bereits jetzt langweilig, worauf Papa antwortet, er solle sich gedulden, der Film habe ja noch nicht einmal richtig angefangen.
Bierflasche, Kaninchen, Mensch
Der wirkliche Beginn des Film ist denn auch jener Teil, der zurecht alles Lob und alle Kult!-Rufe verdient: Auf einem Schrottplatz erwacht ein Autopneu langsam zum Leben und gräbt sich aus dem Sand aus, in dem er zur Hälfte feststeckt. Es dauert eine Weile, bis er sein Gleichgewicht gefunden hat und gerade rollen kann, ohne umzufallen. Als er den Dreh aber raus hat, rollt er frisch und fröhlich durch die Prärielandschaft, und bleibt erst stehen, als er eine Petflasche auf seiner Rollbahn liegt. Vorsichtig beginnt er an ihr herumzudrücken und walzt sie schliesslich platt.
Damit ist der Killerinstinkt erwacht, und der Pneu sucht nach weiteren Dingen, die er zerquetschen kann. Nachdem ein Skorpion dran glauben muss, stösst der Pneu aber auf seine erste Herausforderung: eine Bierflasche, die einfach nicht zerbrechen will. Als alles nichts hilft, aktiviert der Pneu seine telekinetischen Fähigkeiten, die ihn ekstatisch zittern lassen, nach wenigen Sekunden aber auch die Flasche zu sprengen vermögen. Nach einem weiteren erfolgreichen Versuch an einer Büchse, legt sich der Pneu zufrieden schlafen.
Rückkehr auf die Pseudometaebene
Es kommt, wie es kommen muss: der Pneu sprengt mittels Telekinese bald ein Kaninchen, eine Krähe, und bald auch den ersten Kopf eines Menschen. Doch spätestens als er in ein Motel eincheckt (indem er die Putzfrau sprengt) übernehmen wieder menschliche Protagonisten die Story und der Film wird innerhalb von wenigen Minuten vom Genuss zur Qual. Ein erster Tiefpunkt ist erreicht, als der Sheriff seinen Untergebenen erklärt, die kopflose Putzfrau sei gar nicht tot, denn dies sei alles nur ein Film, nicht die Realität – einer von mehreren erbärmlichen Versuchen, dem Film den Anstrich von Metakunst zu geben. Hinter diesem Anstrich steckt aber nichts; „Rubber“ hat nichts, aber auch gar nichts auch nur halbwegs intelligentes über Filme, Realität oder Fiktion zu sagen.

Justin Dupieux indessen findet seinen Film ziemlich clever und wagt es sogar, sich mit Monty Python zu vergleichen. Mögen einige der Handlungselemente zwar an Sketche aus „Flying Circus“ erinnern, so sind sie schlussendlich so dilettantisch inszeniert und kommen sich gleichzeitig so gescheit vor, dass man über diesen Vergleich eigentlich nur lachen kann. Nach der ersten halben Stunde möchte man „Rubber“ all seinen Freunden weiterempfehlen, beim Anspann hingegen überlegt man sich schon fieberhaft, wie man die DVD wieder loswird. Die Tragödie des Films ist, dass er eine wirklich gute Idee und eine überaus gelungene und originell gefilmte Sequenz absurden Kinos zerstört, indem sie in eine Rahmengeschichte einbettet, die von einem kreativ minderbegabten Zehnjährigen stammen könnte. Die Idee ist kultig – aber insgesammt ist „Rubber“ einfach nur „Rubbish“.
Ausstattung
Nebst dem Hauptfilm enthält die DVD Interviews mit Regisseur und Nebendarstellern – der Hauptdarsteller kommt dabei nicht Wort.
Seit dem 30. Juni 2011 im Handel.
Originaltitel: Rubber (Frankreich 2010)
Regie: Justin Dupieux
Darsteller: Stephen Spinella, Roxane Mesquida, namenloser Pneu
Genre: Klamauk / Pseudometahorror
Dauer: 79 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprache: Englisch, Deutsch
Untertitel: Englisch, Deutsch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Interviews, Trailer
Vertrieb: Impuls
Im Netz
Trailer