NIFFF 2011 – Tage 4 und 5

Winter Voices

NIFFF 2011 – Tage 4 und 5

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Norwegen hat einen Lauf: Nach „Norwegian Ninja“ stellen die Skandinavier mit „Trollhunter“ eine weitere hoch unterhaltsame Mockumentary, die an nationalen Mythen rüttelt. Auch erschütternd, allerdings eher erschütternd schlecht, war dagegen ausgerechnet der einzige Animationsfilm am NIFFF.

Von Christof Zurschmitten.

NIFFF Nr. 11 leidet ein wenig an Kategorien-Schwemme. Die Wettbewerbe und die Gore-Retrospektive sehen sich noch einigermassen trennscharf abgegrenzt. Daneben und darunter jedoch findet sich eine ganze Reihe von Sektionen, bei denen entweder obskur ist, welche Klammer sie im Innersten zusammenhält – oder, im schlimmsten Fall, unklar, ob sie in dieser Form überhaupt nötig gewesen wären. Letzteres trifft insbesondere auf die Reihe „From Russia With Screams“ zu, die als Fokus auf den fantastischen Film jenseits des Urals gedacht ist, aber doch einigermassen halbherzig zusammengeschustert wirkt.

Der Animationsfilm „First Squad – The Moment of Truth“ jedenfalls hätte sich zur Eliminierung aus dem Programm und Gedächtnis angeboten. Dass der Film trotz russischen Geldern und einem russischen Skript ganz und gar japanisch wirkt, ist da nicht einmal das Hauptargument – im Gegenteil. Tatsächlich führte Yoshiharu Ashino für das (auch von nahaufnahmen.ch) sehr geschätzte Anime-Studio 4o C Regie, und die Herren und Damen hinter „Mind Game“ und „Genius Party“ können auch noch zwischen Tür und Angel einen visuell einigermassen ansprechenden Film aus dem Ärmel schütteln. (Und mehr Arbeit wurde darin hoffentlich nicht investiert.) Das hilft aber herzlich wenig bei einem Skript, das die faulsten Klischees des japanischen Animationsfilms samt und sonders zusammenrafft, dem wankenden Haufen eine Kosaken-Mütze überstülpt und das blutarme Geschöpf zum Verenden in einen Schützengraben vor Stalingrad schickt. „First Squad“ dauert knapp eine Stunde, und jede Minute ist eine zuviel – dass dies der einzige (leidlich) abendfüllende Animationsfilm war, den das NIFFF heuer zeigte, ist einigermassen sträflich.

TrollHunterStill

Auch winterlich gestimmt, aber ungemein besser, ist dagegen „Trollhunter“ des norwegischen Regisseurs André Øvredal. Was der Film an Handlung nötig hat, steckt in den zwei Wörtern in seinem Titel: Jepp, es gibt Trolle, sie sind spektakulär, und jawohl, sie werden gejagt. Was will das Genre-Herz mehr?

Ein wenig mehr bekommt es trotzdem, genauer gesagt ein hauchdünnes Handlungsmäntelchen, in dessen Zentrum eine Grüppchen von (allerdings, wie der Film selbst zugibt, völlig austauschbaren)  Filmstudierenden steht – die natürlich mit ihren Kameras draufhalten, als hätte Mutter Natur den Selbsterhaltungstrieb zum Treppenwitz erklärt. Das Format des faux-Dokumentarfilms läuft langsam Gefahr, zum Passepartout im Independent-Film zu werden, wann immer die Ressourcen bange werden – in manchen (legitimeren) Fällen übertüncht es finanzielle Engpässe; in anderen jedoch scheint es zur Ausflucht zu werden bei einem Mangel an Talent in Sachen Kameraführung, Ausleuchtung, oder Drehbuch. Der immersive Schock einer „Ich war dabei“-Perspektive jedenfalls reicht mehr als eine Dekade nach dem „Blairwitch Project“ nicht mehr zur Rechtfertigung der Wackelkamera (für ein Parade-Beispiel siehe den dieses Jahr ebenfalls am NIFFF gezeigten „Grave Encounters“).

Zum Glück ist „Trollhunter“ eher „Jurassic Park“ meets „Spinal Tap“ denn „Blairwitch Project“. Ein wenig Horror wird am Anfang eher simuliert denn durchgespielt; von da an ist der Film allerdings in erster Linie eine nur hie und da wieder in den Adrenalinmodus beschleunigende Komödie. Der Humor verdankt sich dabei dem für die Mockumentary typischen heiligen Ernst, mit dem selbst die absurdesten Sachverhalte erklärt werden. Der Film bezieht die Zielscheiben seines Witzes in erster Linie aus dem gesammelten Weltwissen über den gemeinen Troll, wie es aus Sagen, Legenden und Märchen bekannt ist – aber er baut sich, auf den Schultern der stinkenden Giganten sitzend, mit dem gesamten Instrumentarium der Pseudowissenschaft eine eigene Mythologie obendrauf. Um das Wort wiederzuverwenden, das bereits bei „Norwegian Ninja“ unvermeidlich war: clever.

Dieser Ansatz lässt auch den Vorwurf ins Leere laufen, dass die titelgebenden Kreaturen doch einigermassen kruder CGI entstiegen sind: „Trollhunter“ macht sich gar nicht erst die Mühe, seinen Monstern die „Where The Wild Things Are“-artige Restknuffigkeit zu nehmen. Und dass hier kein Missverständnis aufkommt: Ihre märchenartige Physiognomien hindert sie keineswegs darin, sich, wenn nötig, im dröhnenden Soundeffektgetöse zu eindrucksvoller Grösse aufzuspielen. „Trollhunter“ kann auch beeindrucken. Vor allem aber tut er eins: Unterhalten. Und das ungemein gut.

2 thoughts on “NIFFF 2011 – Tage 4 und 5

  • 03.08.2011 um 23:26 Uhr
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    hey, n´bissel schade das first squad bei dir so schei++++e wegkommt, ich fand das was ich davon sah sehr wertvoll…vielleicht zu anspruchsvoll für……., aber egal. ( ich schau ausschliesslich animationsfilm) und fühlte mich ehrlich beleidigt ABER nichtsdestotrotz macht mich dein Urteil neugierig denn es verspricht auch das du anscheinend arg anspruchsvolle animationsfilme magst…und, OHNE mist ich würde gern wissen welche zum beispiel…würde mich arg freuen wenn du mir schreibst ; )..peace

  • 08.08.2011 um 09:32 Uhr
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    Hallo!

    Mein Problem mit dem Film war nicht, dass er zu anspruchsvoll war, oder zu wenig anspruchsvoll. Mein Problem war, dass er den Eindruck macht, als wäre er konzipiert worden als längerer Film – oder als ganze Serie -, bevor mitten im Produktionsprozess das Geld ausgegangen ist. Und als wären die Leerstellen gekittet worden mit faulen Klischees, ohne Rücksicht auf Spannungsbögen, Rhythmus etc. Nimm zum Beispiel die Charaktere: Nicht ein einziger davon hat auch nur den Hauch einer Persönlichkeit; stattdessen findest du direkt aus dem Pflichtenheft des Animes entnommene Archetypen, die keinerlei Raum bekommen, um sich über etwas anderes als ihre Frisur zu profilieren.
    Was umso mehr schade ist, als dass Setting sehr vielversprechend war – ansonsten hätte ich mir den Film auch nicht angeschaut. Aber was daraus gemacht wurde, scheint beliebig, lieb- und zusammenhanglos, und öde. (Dabei hat ja z.B. „Jin-Roh“ gezeigt, dass man aus einem Pseudo-Weltkriegs-Szenario durchaus etwas mehr machen kann.)

    Enttäuschend war „First Squad“ aber auch deshalb, weil das NIFFF 2009 einen sackstarken Jahrgang in Sachen Animationsfilm hatte, vgl. hier: http://tinyurl.com/3zmaw6q

    All das sage ich, obwohl ich nicht einmal wirklich Experte in Sachen (japanischem) Animationsfilm bin. Um trotzdem ein paar gelungenere Beispiele zu erwähnen (wobei ich auf den naheliegendsten Namen, nämlich das Studio Ghilbi, gar nicht erst zu sprechen kommen will):

    Kritiken zu „Mind Game“ und „Genius Party“ habe ich oben ja bereits verlinkt; beide stammen vom selben Animationsstudio wie „First Squad“, zeigen es aber auf der Höhe des Menschenmöglichen. Die Geschichte(n) sind in beiden Fällen eher Nebensache, aber visuell sind sie definitiv zukunftsweisend.

    Oder ich könnte dich auf den letztes Jahr viel zu früh verstorbenen Satoshi Kon verweisen, dessen Filme samt und sonders sehenswert sind. „Perfect Blue“ (http://tinyurl.com/3aphza2) und „Paprika“ (http://tinyurl.com/3m6lygg) wurden auf diesen Seiten ja auch bereits besprochen.

    Selbiges gilt für einen meiner liebsten Animationsfilme der letzten Jahre, „Tekkon Kinkreet“ (http://tinyurl.com/3w57cm4) von Michael Arias, der ganz insgesamt grossartig ist.

    Oder ich könnte dich zu Yamamura Kojis Kafka-Adaption „A Country Doctor“ schicken, den man vollständig auf youtube sehen kann: http://www.youtube.com/watch?v=Hs0nqsIFa4o

    Alle diese Filme sind „First Squad“ in allen Bereichen haushoch überlegen – dass die völlig nach einer Traumlogik funktionierenden Filme Satoshi Kons oder Yamamuras immer noch unendlich schlüssiger sind auf der Handlungsebene als der russische Filme, spricht Bände.

    Ich geb zu, dass das Gros dieser Filme wohl eher „anspruchsvoll“ ist… wie gesagt, ich bin kein Hardcore-Anime-Gucker und gucke Anime nicht um des Genres willen. Insofern seh ich halt v.a. Filme, die gewisse Filter passieren.
    Ich fand aber z.B. auch „Summer Wars“ ziemlich ok, der letztes Jahr am NIFFF gezeigt wurde und nicht eben im Verdacht steht, „avantgardistisch“ zu sein. Ich mag „Death Note“ für seine irrsinnigen Twists, und ich hab weiland Serien wie „Visions of Escaflowne“, „Hellsing“ oder „Cowboy Bebop“ gemocht – die ja alle durchaus sehr populär sind.

    Das Serienformat hat im Anime aber Vorteile, die „First Squad“ abgehen – und sei es nur, dass irgendwann in aller Repetion eben doch so etwas sie Geschlossenheit oder Charakterzeichnung erreicht werden kann. (Wenn Piccolo Son-Goku zum 1000x auf die Rübe haut, sagt das irgendwann eben doch etwas über die beiden aus.)

    Insofern… ich hoffe, du kannst was mit der Liste anfangen. Danke jedenfalls fürs Lesen und Rückmelden!

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