NIFFF 2011 – Kurzbesprechungen
Wahnsinnige Clowns, schüchterne Superhelden
NIFFF – Kurzbesprechungen
Auch anlässlich des diesjährigen NIFFFs müssen wir unserer Leserschaft leider mitteilen, dass die Gerüchte, nach denen der Tag eines nahaufnahmen.ch Journalists 30 und nicht 24 Stunden hat, weshalb er zu jedem gesehenen Film eine ausführliche Besprechung schreiben kann, leider falsch sind. Nicht falsch jedoch sind die Gerüchte, dass wir verdammt viele Filme gesehen haben, von denen wir einige nicht unerwähnt lassen möchten und sie deshalb hier mit einer kurzen Kritik würdigen.
Von Lukas Hunziker.
Leider kein wirklich guter Film, aber trotzdem ein erwähnenswerter Vertreter in der Rubrik „Films of the Third Kind“ war die Spanische Grossproduktion „Balada Triste de Trompeta“. Wer immer diesem Film sein Budget von 7 Millionen gesprochen hat, muss sehr mutig, oder aber sehr betrunken gewesen sein – selten wird ein so durchgeknalltes Drehbuch fürs Mainstreamkino adaptiert.
Der Film erzählt die Geschichte des Clowns Javier, dessen Vater, ebenfalls ein Clown, im Spanischen Bürgerkrieg ums Leben kam. Während des Wiederaufbaus findet Javier bei einem Zirkus Unterschlupf und verliebt sich gleich am ersten Tag in die Trapezkünstlerin Natalia. Diese ist jedoch ist dem anderen Clown des Zirkus, dem aufbrausenden und gewalttätigen Sergio, ergeben, den sie auch dann nicht verlässt, als er sie und Javier aus Eifersucht halb tot schlägt. Aus Liebe wird Wahn und aus dem Wahn entbrennt ein bitterer Krieg zwischen den beiden Rivalen um Natalias Liebe – ein Krieg, bei dem beide Clowns wortwörtlich ihr Gesicht verlieren und Javier die Gelegenheit bekommt, Franco höchst persönlich die Hand beinahe abzubeissen.
Das ganze Potential, das diese zwar absehbare, aber dennoch ideenreiche Story hätte, kommt aber leider nie zum Tragen. Entweder war der Drehbuchautor ebenso betrunken wie die Geldgeber des Films, oder aber dieser ist einem Cutter zum Opfer gefallen, der mindestens ebenso verrückt war wie die beiden Hauptfiguren des Films. „Balada Triste“ ist ein Flickenteppich aus ebenso vielen gelungenen wie misslungenen Einzelszenen, die sich mit jeder Faser sträuben, ein harmonisches Ganzes zu ergeben. Die Handlung ähnelt schlussendlich dem Gesicht des entstellten Sergio, welches statt von einem Chirurgen von einem Tierarzt zusammengeflickt werden muss.
Wer wäre nicht gerne ein Superheld – vor allem, wenn man im wirklichen Leben zu jener Sorte Mensch gehört, die niemand als super bezeichnen würde. Griff, ein schüchterner junger Büroangestellter, ist ein Mensch jener Sorte: von seinem Arbeitskollegen wird er gehänselt, von seinem Bruder bemuttert, Freunde hat keine. Nachts jedoch ist alles anders, denn dann bekämpft Griff das Verbrechen in den dunklen Gassen seiner Nachbarschaft. Als er dabei jedoch entdeckt und fortan polizeilich gesucht wird, sieht er sich gezwungen, als Superheld weniger aufzufallen. Seine Idee: einen Anzug erfinden, in dem er unsichtbar ist. Hilfe bekommt er dabei unerwartet von der neuen Freundin seines Bruders, die gerade empirisch untersucht, ob es möglich ist, durch Wände zu gehen.
„Griff the Invisible“ dürfte der mit abstand süsseste Beitrag im Internationalen Wettbewerb gewesen sein. Was als Superheldenkomödie beginnt, wird mehr und mehr zu einer unkonventionellen, mit viel Herz erzählten Liebesgeschichte, die beweist, dass es immer noch möglich ist, gute Romcoms zu drehen, ohne auf die gängigen Genreklischees zurückgreifen zu müssen. Den Distributionspreis hätte man „Griff“ besonders gegönnt, denn das der Film den Weg in unsere Kinos findet, ist eher unwahrscheinlich. Nach der DVD lohnt es sich aber auf jeden Fall Ausschau zu halten.
Mehr als 20 Mal wurde Charlotte Brontës Roman „Jane Eyre“ schon verfilmt, unter anderem mit Leinwandgrössen wie Charlotte Gainsbourg, William Hurt oder Orson Wells. Die jüngste Adaption, welche im September bei uns in die Kinos kommt, stammt von Cary Fukunaga, dem Regisseur und Drehbuchautor von „Sin Nombre“. Die von dunklen Familiengeheimnissen überschattete Liebesgeschichte der jungen Gouvernante Jane Eyre und ihrem geheimnisvollen Arbeitgeber John Rochester ist zwar visuell hervorragend inszeniert, reiht sich inhaltlich aber unspektakulär in die Reihe seiner Vorgänger ein. Trotz der überzeugenden Mia Wasikowska als Jane Eyre und dem gewohnt souveränen Michael Fassbender als John Rochester steht der neusten Verfilmung wohl lediglich eine Zukunft als in Schulzimmern gezeigte Literaturverfilmung sowie vielleicht eines Kostümoscarfilms bevor.
Eliteschulen sind ein beliebter Schauplatz für Filme über Mobbing unter Jugendlichen, vielleicht weil gerade verwöhnte Söhne und Töchter stinkreicher Eltern herrlich hassenswerte Bösewichte abgeben. In „Wasted on the Young“ wird ein Mädchen, welches sich in den unscheinbaren Bruder des Shooting Stars der Schule verliebt und ihn diesem vorzieht, besonders übel abgestraft: unter Drogen gesetzt wird sie vergewaltigt und in einem Gebüsch am Strand bewusstlos zurückgelassen. Als sie zurückkehrt und sich ihren Peinigern stellt, dreht sich der Spiess um – allerdings nicht ohne Opfer.
„Wasted on the Young“ wurde ausschliesslich mit Jugendlichen gedreht: es gibt kein Bild, in welchem ein Erwachsener auch nur als Statist zu sehen ist. Der schüchterne Darren und die elfenhafte Xandrie, die sich gegen die Diktatur der Sportlerclique zur Wehr setzen, sind auf sich allein gestellt; Hilfe von aussen ist nicht zu erwarten. Als Jugendlicher kann man so allein dastehen, wie sonst nie im Leben, dies zeigt der Film in aller Deutlichkeit. „Wasted on the Young“ ist kein grosser, aber durchaus ein sehenswerter Film.
Nicht unerwähnt sollen auch dieses Jahr die beiden Kurzfilmkategorien bleiben. Die 10 „European Shorts“ und die 12 „Swiss Shorts“ zeigten einmal, dass Kurzfilme in der Kinolandschaft einfach zu kurz kommen. Obwohl einige der Beiträge der „Swiss Shorts“ für hochgezogene Augenbrauen sorgten, prophezeite die Kategorie Gutes für das künftige Schweizer Filmschaffen: Filme wie „Le Lac Noir“, „Telesion“,“Halbschlaf“ oder „Evermore“ überzeugten mit guten und visuell beachtenswert umgesetzten Ideen. Die beachtenswertesten und amüsantesten Kurzfilme des Festivals kamen jedoch aus Deutschland („Rabenjunge“), Spanien (Brutal Relax“) und Frankreich („Tous les hommes s’appellent Robert“).