NIFFF 2011 – Preise
Sieg für Trolle und Publikum
NIFFF 2011 – Preise
Der Geschmack des Publikums und der Geschmack der Jury lagen dieses Jahr für einmal nahe beisammen. Die norwegische faux-Doku „Trollhunter“ räumte gleich drei Preise ab, was kaum eine Überraschung war. „Hello Ghost“ gewann im asiatischen Wettbewerb, was die vielen Freudetränen, die bei den zwei Vorstellungen vergossen wurden, ebenfalls schon angekündigt hatten. Trotzdem lassen wir es uns nicht nehmen, unseren Senf zu jedem Preis auch dazuzugeben.
Von Lukas Hunziker und Christof Zurschmitten
„‚Trollhunter‘ will vor allem eines: unterhalten. Und das tut er ungemein gut.“ So lautete unser Fazit, und die Zustimmung rollte auf breiter Front an: Sowohl die Jury für den internationalen wie auch die für den europäischen besten Film wand der skandinavischen Riesenhatz ein Kränzchen, und das Publikum gab ebenfalls Höchstnoten samt Palamares. Fein, sagen wir dazu – zumal die Jury dieses Jahr nicht nur Kraut mit Rüben, sondern eher Gras mit Grashüpfern zu vergleichen hatte. (Ich bin sicher, dass irgendwo in einer bräsigen Paralleldimension, wo Kinder direkt im Rollkragenpullover und mit Beret auf dem Haupt geboren werden, der diesjährige Preis an „Todos tus muertos“ oder gar „End of Animal“ gegangen ist.) Hier und jetzt jedoch sagen wir: gut gemacht, Norwegen.
Zu unserer Freude fand aber auch „Stake Land“, der beste amerikanische Vampirfilm seit langem, Erwähnung an der Preisverleihung – als „Mention spécial du jury international“. Das düstere, dystopische Roadmovie um einen Teenager und einen Vampirjäger, die einen Weg durch das Vampir- und Sektenverseuchte Amerika zur Enklave „New Eden“ sucht, wusste zu überzeugen. Nicht zuletzt mit einer vielschichtigen Story, welche Genreklischees ebenso meidet wie die Protagonisten die Vampire. Atmosphärisch, unterhaltsam und konsequent pessimistisch, was die Zukunft der USA angeht, ist „Stake Land“ ein Geheimtipp in jeder Hinsicht, und wäre ebenfalls ein verdienter Gewinner des Wettbewerbs gewesen.
Das glückliche Schluchzen im Kinosaal, welches die letzten Minuten von „Hello Ghost“ begleitete, wollte kaum mehr aufhören. Die koreanische Komödie um einen jungen Mann, der nach einem Selbstmordversuch von vier ungewöhnlichen Geistern heimgesucht wird, schaffte das, was heutzutage selten geworden ist im Kino: einen buchstäblich gleichzeitig lachen und weinen zu lassen. Als Menschen mit Herz mochten wir den Film natürlich ebenfalls, und können so sehr mit seinem Preis für den besten asiatischen Film leben. Und werfen, nur ganz schüchtern und noch vom Schluchzen geschüttelt, trotzdem die Frage in die Runde: Muss der Asia-Preis eigentlich wirklich zwingend ebenfalls vom Publikum vergeben werden? …es ist jedenfalls auffällig, dass in den letzten Jahren ausnahmslos Komödien gewonnen haben, die allesamt nicht nur gut gemeint, sondern auch wirklich gut waren. Dennoch haben herausfordernde Filme – noch einmal sei auf „Guity of Romance“ verwiesen – in diesem demokratischen Prozess keine Chance. Auch das kann einem zum Heulen bringen.
Ok: Wer freiwillig auf die Gelegenheit verzichtet, den ersten Hammer-Film seit Jahrzehnten zu sehen, verdient es, mit Asche aus dem Kipplader eingedeckt zu werden. Tschuldigung. Wenigstens sah ihn die Jugendjury des NIFFFs, die ihn prompt auch ausgezeichnet hat. Wir geloben Besserung, und eine Sichtung auf DVD.
„The Violent Kind“ haben wir persönlich ebenfalls nicht gesehen. Ob er den“Mad Movie“-Preis für den durchgeknalltesten Film verdient hat, wissen wir also nicht. Irgendwie hoffen wir aber zumindest, dass die Auszeichnung Humbug war – ein Film, der schräger ist als „Underwater Love“, „Karate-Robot Zarbogar“ oder der alle Abgründe des (sexuellen) Wahns im Kopfsprung auslotende „Guilty of Romance“, müsste jedenfalls ein absonderliches Umgetüm darstellen.
Dass „Insidious“ den Prix Titra Film gewann – de facto ein Untertitelungsgutschein im Wert von 4000 Franken -, zeigte einmal mehr die Unsinnigkeit dieses Preises. Wenn ein Film des Festivals mit diesem Preis nichts anfangen konnte, dann war es „Insidious“, welcher einerseits schon in der für die Schweiz untertitelten Fassung gezeigt wurde, und andererseits finanziell kaum auf Unterstützung angewiesen ist. (Vor zwei Jahren ging der Titel übrigens an „Antichrist“. Just sayin‘.) „Hello Ghost“, „Griff the Invisible“ oder „Todos tus Muertos“ hätten diesen Preis wesentlich besser gebrauchen können, da er die Chance für einen Vertrieb in der Schweiz vielleicht erhöht hätte.
Der Preis für den besten Schweizer Kurzfilm ging an „Evermore“: einen abstrakten kurzen Liebesfilm ohne Wort, in welchem zwei Menschen sich in einem riesigen Uhrwerk, welches bei näherem Hinschauen auch eine Stadt ist, erst finden und dann wieder verlieren. Visuell beeindruckend, phantasievoll und liebevoll inszeniert hat dieser Film den „Narcisse“ für den besten Schweizer Kurzfilm durchaus verdient.
Nicht der originellste, dafür aber der bei weitem brutalste und amüsanteste Beitrag der Kategorie „European Shorts“ gewann die Nominierung für den goldenen Méliès des besten europäischen Kurzfilms. In „Brutal Relax“ überfällt eine Horde Meereszombies einen kleinen Strand und reisst die hilflosen Sonnensuchenden in Stücke. Señor Olivares, ein zu Tobsuchtsanfällen neigender Psychiatriepatient, der an besagtem Strand Erholung verschrieben bekommen hat, rettet schliesslich den Tag: Sein kaputter Walkman macht ihn so wütend , dass er sich erst wieder beruhigt, als er alle Zombies zu grünem Brei geschlagen hat: Geschmacklos und einfach gestrickt, aber unglaublich komisch. Und in einem Jahr, das dem Gore-Film ein Ehrenplätzchen eingeräumt hat, irgendwie auch der einzig logische Gewinner.