Die Beach Boys im 21. Jahrhundert
Panda Bear – Tomboy
Die Beach Boys im 21. Jahrhundert

Panda Bear aka Noah Lennox taucht mit seinem neusten Werk „Tomboy“ noch mehr in den wattigen Bereich zwischen Beach Boys Chören, sphärischen Gitarrenwänden, Echoeskapaden und trippigen Surfersounds ein. Der „King of Chillwave“ ist zurück.
Während Panda Bears 2004 veröffentlichtes Album „Young Prayer“ noch den Lo-Fi-Charme von Schlafzimmer-Aufnahmen versprühte, kam „Person Pitch“ aus dem Jahre 2007 schon viel geschliffener daher. Die akustische Klampfe wurde gegen Samples und Studiokompressoren ausgetauscht. Man hört Panda Bears Freude am sauberen Studiohall und an den Bearbeitungsmöglichkeiten, die die modernen Studioprogramme mit sich bringen. Dieselbe Technologie wurde auch auf „Tomboy“ wieder genutzt. Nur hat Panda Bear wieder vermehrt die Instrumente selbst eingespielt. Leider verschwand auch ein Teil seiner Experimentierfreude betreffs Songwriting und Sounddesign, welche „Person Pitch“ so interessant machte. Tracks wie „Good Girl/Carrots“ boten mit Spiellängen von annähernd 13 Minuten ein ideales Feld um die musikalischen Möglichkeiten von Samplebearbeitungen vollständig auszuloten. Somit eröffneten sich zwischen den wattigen Chillwave-Sounds klangliche Abgründe, die eine gewisse notwendige Melancholie in den ansonsten ziemlich zuckrigen Songs von Panda Bear hervorholten. Diese Grenzgänge vermisst man auf „Tomboy“.
Doch auch auf „Tomboy“ blitzen melancholische Anklänge und seelische Abgründe zwischen den hallgetränkten, sonnigen Beach Boys Chören, die inzwischen so typisch für Panda Bears Musik geworden sind, und den flirrenden Synthie-Arpeggios auf. So zum Beispiel der Song „Slow Motion“, das von einem dubbigen ¾-Schlagzeug und einem groovigen Klaviepattern getragen wird, oder „Scheherezade“, eine langsame Klavierballade mit tropfenden Mollakkorden und östlichen Melodien.
Aber in alles in allem wird „Tomboy“ dominiert von hall-getränkten Beach Boys Chören, wattigen Klangteppichen und flirrenden Synthies. Man hört deutlich, das Peter Kember alias Sonic Boom alias Mitglied von Spacemen 3 das Album abgemischt hat. Spacemen 3 ist ja wirklich nicht Freund von trockenem, reduziertem Sounddesign und auch so tönt das neue Panda Bear Album. Diese über das ganze Album durch hochgeschraubte Reverb- und Delay-Effekte erzeugte weite Klangräume strapazieren mit der Zeit ein wenig die Hörnerven und man wünscht sich eine trockenere Produktionsweise herbei. Obwohl dann – vor allem die Drums betreffend – Reminiszenzen an Dubproduktionen von Lee Scratch Perry oder King Tubby verloren gingen. Auch leidet die Verständlichkeit des Gesangs teilweise durch den übergrossen Einsatz von Hall und Echo.
Doch obwohl man auf „Tomboy“ an vielen Stellen die Abgründe, die sich bei Panda Bears letztem Album „Person Pitch“ und der Musik von Animal Collective zwischen den psychedelischen Wolkenritten auftun, vermisst, bleibt Panda Bear der unbestrittene „King of Chillwave“. Sphärische Synthies und verwaschene Gitarrenwände, eine glockenhelle Stimme und melancholische Melodien, harmonische Beach Boys Chöre und Anklänge an den psychedelischen Surfer-Pop der 60er, langsam tropfende Drumspuren und alles in eine dichte Hall-Wolke gesteckt.
Es ist auf jeden Fall interessant zu hören, wie Panda Bear die Grenze zwischen traditionellem Songwriting und elektronischem Trackbuilding verwischen lässt. Man kann die Stücke nicht mehr Popsongs nennen, zu verwaschen und fliessend sind die Strukturen, zu dicht die Instrumentierung und das Sounddesign, zu gross die Sample-geschulten, hypnotischen Repetitionen. Doch um sie – nach elektronischem Jargon – Tracks zu nennen, legt Panda Bear zu grossen Wert auf akustische Instrumente und vor allem auf die Stimme und den Text.
Auch wenn meiner Meinung nach die Musik von Animal Collective interessanter als Panda Bears Soloprojekt ist, lohnt es sich sicherlich diesen trippigen Klanglandschaften ein Ohr zu schenken. Vielleicht fühlt man sich durch den nostalgischen Touch, durch die entspannte, sommerliche Atmosphäre und die gemütlich-fröhliche Grundstimmung angesprochen. Vielleicht mag man das progressive Songwriting zwischen Popsong und Sampletrack oder die geschickte Verfremdungstechniken der Stimme, der Songstuktur oder des Gesamtsounds, die dem Album diesen gewissen hypnotischen, psychedelischen Touch geben. Man hört auf jeden Fall deutlich, dass Panda Bear nicht auf den Chillwave-Zug aufspringen will (er wird schliesslich als deren Begründer angesehen), sondern diese elf Songs seine Musik sind und höchstwahrscheinlich weiterhin richtungsweisend, wie fast immer wenn das Animal Collective irgend etwas in die Finger nimmt.
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