She She Pop „Testament“ | Zürcher Theater Spektakel, Landiwiese

Generationenwechsel – Moderne Shakespeare-Interpretation

She She Pop „Testament“ | Zürcher Theater Spektakel, Landiwiese

Foto|Copyright: ZTS 2011/Christian Altorfer
Foto | Copyright: ZTS 2011 | Christian Altorfer

She She Pop ist ein siebenköpfiges Performance-Kollektiv aus Berlin und Hamburg. Sie beschreiben ihr Theater selber als Voyeurismus, künstlerische Prostitution und weibliche Selbstinszenierung. Das macht neugierig auf mehr. Die Gruppe präsentiert dieses Jahr “Testament“. Ein Stück, das bereits mit zwei Preisen prämiert ist und für das die eigenen Väter auf die Bühne geholt werden.

Erben und vererben, die Auseinandersetzung mit dem Generationenwechsel frei nach Lear. Schon Shakespeare erkannte 1605 ein Generationenproblem und erzählt die Geschichte eines Königs der sein Königreich unter seinen drei Töchtern aufteilt. Fälschlicherweise vererbt er es den Schwestern, die ihm Honig um den Mund streichen, statt ihn ehrlich zu lieben. So nimmt die Geschichte seinen Lauf.

Wechsel zwischen heute und damals
Das Bühnenbild ist abstrakt aufgebaut mit schwarzweissen Mustern und vier Leinwänden. Die eine zeigt das Textbuch von König Lear und die anderen die Väter in ihren Sesseln mittels Kamera. Die vier Akteure von She She Pop tragen weisse Halskrausen.

Foto | Copyright: ZTS 2011 | Christian Altorfer
Foto | Copyright: ZTS 2011 | Christian Altorfer

Erster Akt, das Theater beginnt. Voller Ironie werden die Erwartungen der Väter an die Mitmenschen erläutert. Die Szenen wechseln zwischen den Einblicken in die Probephasen und der eigentlichen König-Lear-Geschichte. Shakespeares Textbuch wird verändert, ergänzt und es wird gestrichen.  Dazwischen erzählt She She Pop und ihre Väter Ereignisse aus den Proben, Interpretationen zu Lear und philosophieren über die Moral des Erbens. Auch die Sprache verändert sich von Szene zu Szene, von der derben Probesprache zum schönen Althochdeutsch. Die Schauspieler agieren als Fremdwortjongleure und stellen physikalische und mathematische Formeln auf. Es werden Vergleiche gestellt zwischen Lear und dem heutigen Alltag. So kommen sie dem Kern langsam näher. Wo liegt das Problem des Generationenwechsels? Hier trifft der jugendliche Egoismus gnadenlos auf den Starrsinn der Alten. Gemeinsam versucht das Kollektiv herauszufinden, was man von den Parteien erwarten kann. Die Väter sorgen sich darum, dass sie irgendwann nicht mehr gebraucht werden, während die Töchter überlegen, wie sie Vaters Bibliothek in ihrer 150 m2 Berliner Wohnung verstauen sollten.

Die Väter kritisieren die ewige Nacktheit in den Inszenierungen von She She Pop. Doch dem zum Trotz werden mit dem Vollzug des Generationswechsels die Väter langsam entblösst. Scheulos werden die alternden Körper auf der Bühne gezeigt, als ein Zerfallen der Würde.

Foto | Copyright: ZTS 2011 | Christian Altorfer
Foto | Copyright: ZTS 2011 | Christian Altorfer

Hitze und Generationenkonflikte
Nach 60 Minuten wird die Hitze im zeltartigen Aufbau auf der Landiwiese langsam unerträglich, trotzdem spielen die Schauspieler ohne abzusacken. Das Theater lebt von Schauspielerei, Gesang und einer kleinen Tanzeinlage. Die Kameras dienen als weiteres Medium um vom klassischen Theater wegzukommen.

Nach dem Applaus fragt sich der Zuschauer, was jetzt die Lösung ist. Wie kann Erbschaft gerecht und moralisch korrekt gelöst werden? She She Pop und ihre Väter können keinen Ausweg aufzeigen, aber sie regen zum Denken an.

Das Stück spielt auf hohem dramaturgischem Niveau, ist allerdings etwas zu sehr in die Länge gezogen worden. Zwei Stunden ohne Pause ein anstrengendes Thema zu verfolgen, ist auch für die Besucher ziemlich ermüdend. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Verständlichkeit, immer wieder konnte man akustisch kaum etwas verstehen.

Trotz den Schwachstellen ist die Inszenierung gut gelungen. Das Publikum wird berührt und doch zum Lachen gebracht. Ausserdem verdienen die Väter ohne schauspielerische Erfahrung oder Ausbildung meinen Respekt. Ihre Unsicherheit war auf der Bühne nicht zu spüren und sie lieferten eine grandiose Aufführung ab. Das Schönste war allerdings der Stolz in ihren Gesichtern, als sie sich mit ihren Kindern verbeugen durften.

Vorstellungen:  18. bis 21. August 2011.
Dauer: 120 Minuten

Konzept: She She Pop

Von und mit:
Sebastian Bark
Joachim Bark
Johanna Freiburg
Fanni und Peter Halmburger
Mieke Matzke
Manfred Matzke
Lisa Lucassen
Illa Papatheodorou
Theo Papatheodorou
Berit Strumpf

Im Netz
www.sheshepop.de
www.theaterspektakel.ch

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