Mokhallad Rasem „Iraqi Ghosts“ | Zürcher Theaterspektakel, Landiwiese
Unterhaltungsmaschinerie Krieg
Mokhallad Rasem „Iraqi Ghosts“ | Zürcher Theaterspektakel, Landiwiese

Den Krieg auf die Bühne zu bringen, ist das erklärte Ziel der irakisch-belgischen Produktion “Iraqi Ghost“. Kein einfaches Vorhaben, das weiss auch der seit drei Jahren in Belgien lebende irakische Regisseur und Schauspieler Mokhallad Rasem. Mit geradlinigen Plots und anschaulichen Szenen ist dem Krieg nicht beizukommen, denn gerade für die involvierte Bevölkerung ist Krieg immer unlogisch, laut und surreal.
Lautes Knallen eröffnet das Stück. Es sind aber keine Schüsse, die da fallen, sondern Bretter, und hinter den Brettern kommen Tiermasken hervor: Ein Affe, eine Giraffe, ein Eisbär und ein Hahn. Was für den Zuschauer zunächst befremdlich wirkt, wird von den Akteuren bald erklärt, denn es geht hier nicht nur um die Menschen im Irak, sondern auch um die Tiere, die während dem Krieg aus Höfen und Zoos geflohen sind und verstört auf den Strassen umherirren. So versteht man bald, dass es dem Theatermacher Mokhallad Rasem weder um Politik noch um Recht und Unrecht geht, sondern viel mehr um das alltägliche Leben in einem Kriegsgebiet.
“That’s democracy!“
“Iraqi Ghosts“ ist in mehrere Teile gegliedert. Nach der Tierszene folgt ein “Vorsprechen“, in welchem jeder der Darsteller sich selbst und sein Anliegen vorstellt. Die drei irakischen Schauspieler möchten dem Publikum zeigen, was ein Opfer ist und was Angst, doch bald schon reden alle durcheinander, bis Julia Clever, eine der beiden westlichen Vertreterinnen des Ensembles, sie unterbricht: “Let him talk, that’s democracy!“ In der Folge nehmen die beiden Schauspielerinnen dann eine vermittelnde Funktion ein: Mal sind sie Mütter, dann Geliebte, dann wieder souverän lächelnde, aber eigentlich desinteressierte Moderatorinnen. Im Kernstück des Schauspiels soll aufgezeigt werden, wie das Leben im Irak ablief und abläuft – vor dem Krieg, nach dem Krieg und während des Krieges. Dazu wird Skurriles mit Abstraktem, Symbolisches mit Realistischem vermischt, es entsteht eine “show that relates to dreams that relates to reality“.
Durchhaltevermögen ist gefragt
Dem Zuschauer wird dabei viel Geduld und Verständnisbereitschaft abverlangt. Ob die Figuren nun in lautem Geschrei mit Nahrungsmitteln um sich werfen, oder ob sie in grotesken Masken mit quälend langsamen Bewegungen eine skurrile Choreographie vorführen, der Zuschauer fragt sich zwangsläufig, warum das alles so langatmig und abstrakt ist, und ob die ständige Wiederholung in mindestens drei Sprachen wirklich hätte sein müssen. Vereinzelt hört man herzhaftes Gähnen, es wird mit den Stühlen gescharrt und in Handtaschen gekramt. Doch alle, die Durchhaltevermögen beweisen, werden gegen Ende des Stücks belohnt. Der letzte Teil von “Iraqi Ghost“ wirkt nicht nur erhellend und erklärend, er wirft auch noch eine neue Thematik auf, die man hier nicht mehr als Anspielung, sondern nur noch als Wink mit dem Zaunpfahl bezeichnen kann, und die das gesamte Stück in ein anderes Licht rückt.
Dank dem Krieg
Während einer bizarr anmutenden Preisverleihung werden anhand von kurzen Filmszenen beispielsweise das beste Opfer und die beste Darstellung der Angst ausgezeichnet. Der Krieg ist hier kein Alltag mehr, sondern Teil einer verstörenden Unterhaltungsmaschinerie. Dies lässt beim Publikum, das gerade zu diesem Zeitpunkt in einer solchen Unterhaltungsmaschinerie sitzt, umso mehr ein bedrückendes Gefühl zurück, als die irakischen Schauspieler deren Funktionieren erläutern: “Thanks to the war I am in this show. Thanks to the war you applaude me in the end. So don’t forget to say, while you’re applauding: Thanks to the war!“
“Iraqi Ghosts“ ist sicherlich keine leichte Kost. Man muss sich auch auf das Abstrakte und Verwirrende des Stücks einlassen, erst dann entfaltet es seinen berührenden und kritischen Charakter.
Vorstellungen: 20. bis 22. August 2011
Dauer: 1 Std. 40 Min.
Regie & Bühnenbild: Mokhallad Rasem
Darsteller: Duraid Abbas, Julia Clever, Sarah Eisa, Ahmed Khaled, Mokhallad Rasem
Produktion: Monty Antwerpen und Jamaa El Irakyak
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