„Ich habe 12 Jahre lang Musik gemacht, ohne dass irgendetwas passiert wäre.“
„Ich habe 12 Jahre lang Musik gemacht, ohne dass irgendetwas passiert wäre.“

Interview Trentemøller, For Noise, 19.8.2011
Soeben erst zurückgekehrt von einer fantastischen Nordamerika-Tournee, zaubert sich das traumhaft elektronische Musikerlebnis Trentemøller schon wieder durch Europas Bühnen. Vor dem Konzert am For Noise Festival konnte sich nahaufnahmen.ch mit einem gut gelaunten Anders Trentemøller auf ein Gespräch treffen über das Leben auf Tournee, die musikalische Heimat und entscheidende Momente.
nahaufnahmen.ch: Ich habe dich vor einem Monat am Gurten Festival gesehen, was für Schweizer Verhältnisse ein ziemlich grosses Festival ist, und nun spielst du hier an diesem kleinen Festival For Noise. Was ist dir lieber?
Anders Trentemø ller: Ich mag eigentlich beides, aber ich mag wirklich, wenn es klein und intim ist, weil du dann das Publikum mehr spüren kannst und auch Augenkontakt herstellen kannst. Das ist wirklich wichtig für mich, denn immer während den ersten Liedern versuche ich bestimmte Leute im Publikum zu fokussieren, um zu schauen wie sie auf die Musik reagieren. Das ist immer ein guter Fixpunkt.
nahaufnahmen.ch: Und das geht eher an kleinen Konzerten?
Anders Trentemø ller: Ja, weil es einfacher ist. Aber wir haben dieses Jahr auch ein fantastisches Konzert am Coachella Festival gespielt, das mit 30’000 Zuschauern ja ein riesiges Festival ist, und auch da war diese spezielle Atmosphäre. Ich denke, es hängt einfach davon ab, ob das Publikum musikalisch aufgeschlossen ist, und da hatten wir bisher mit unseren Konzerten bisher immer grosses Glück!
nahaufnahmen.ch: Sogar in den Staaten?
Anders Trentemø ller: Ja, ja! Wir haben 18 Konzerte gespielt dieses Jahr, alle waren ausverkauft. Wir gehen im Oktober nochmals auf eine grosse Tournee und machen 24 Konzerte in einem Monat! Also werden wir fast jeden Tag spielen, das wird zwar hart, aber ich freue mich wirklich, denn ich mag es zu touren. Wir haben einen grossen Bandbus und ich liebe es einfach, jeden Abend ein Konzert zu spielen und in einer neuen Stadt aufzuwachen.
nahaufnahmen.ch: Habt ihr denn auch etwas von den Städten, findet ihr Zeit irgendwas zu tun?
Anders Trentemø ller: Ja, denn wir spielen jeweils am Abend, und fahren 2 Stunden später los, und am Morgen sind wir schon in der neuen Stadt, und ziehen dann – abhängig von der Anzahl Verkaterten – los. Und unsere Crew macht dann den Soundcheck, daher ist es für uns meistens sehr angenehm.
nahaufnahmen.ch: Du machst so unterschiedliche Musik, dein neues Album im Unterschied zum alten, dazwischen Compilations und Remix-Alben. Wo fühlst du dich musikalisch zuhause?
Anders Trentemø ller: Mein Hauptfokus sind meine Studio-Alben, und sie dann live zu spielen. Was ich am meisten mag, ist zu komponieren und produzieren. Es ist ein recht einsamer Prozess, denn ich mache alles alleine, spiele auch viele Instrumente selber ein, daher wird es meistens in der Nacht gemacht, so kannst du auch nicht gestört werden. Dies ist manchmal ein rechter Clash zu wenn wir die Lieder dann mit der Band vor 20’000 Leuten spielen. Das ist ein grosser Unterschied zu wenn ich sie alleine in meinem Studio aufnehme, aber beides ist wichtig, denn sonst würde ich, glaube ich, ein wenig komisch werden, wenn ich nur in meinem Studio sitzen würde. Auch ein wenig die Kontrolle über die Lieder zu verlieren, und die Band spielen zu lassen und auf Inputs zu hören, ist gut für den musikalischen Prozess.
nahaufnahmen.ch: Wie sehr lässt du das zu?
Anders Trentemø ller: Also am Anfang, wenn wir zu proben beginnen, zeige ich ihnen genau, was sie spielen müssen, denn ich habe diese Vision, wie es tönen soll. Aber wenn wir so 8 –10 mal gespielt haben, sage ich ihnen, sie sollen mit ihren eigenen Vorschlägen kommen, nachdem sie ihre Teile gelernt haben, und dann ändert die Musik meistens ziemlich stark. Ich habe letztens die Aufnahmen gesehen von vor einem Jahr, und das tönt völlig anders als was wir jetzt machen, denn wir sind die ganze Zeit ein bisschen am verändern, ändern die Setlist. Wir merken langsam, wie das Publikum ist, was geht und was nicht, und passen dies entsprechend an, aber es ist ein langer Prozess, der ständig weitergeht, und ich mag es wirklich, dass wir nicht ein Konzert spielen, das immer gleich ist, sondern uns ständig weiterentwickeln.
nahaufnahmen.ch: Wenn ich den Prozess deiner Arbeit betrachte, und den Trend beobachte hin zu deinem ruhigeren, eher melancholischen Elektro: Ist dies, weil du einfach andere, ruhigere Musik machen wolltest, oder weil allgemein, auch beim Publikum, eine gewisse Sättigung und Suche nach neuer Musik vorhanden ist?
Anders Trentemø ller: Ich sehe meine Musik nicht als langsam, denn es hat auch ziemlich viele uptempo-Tracks auf dem Album, aber dieser elektronischer Mix gemischt mit Indie-Style ist einfach natürlich für mich. Das, was Sinn macht. Und ich versuche einfach qualitativ gute Musik zu machen. Ich habe definitiv mit eher clubbigem Sound begonnen, aber davor habe ich in Indie-Rock-Bands gespielt. Ich hatte schon immer ein Bein in der Indie-Szene und ein Bein in der Rave-Szene, und jetzt kann ich sie zusammenmixen. Ich liebe daran, dass es nicht nur ein Style ist, und ich machen kann, was immer ich will.
nahaufnahmen.ch: Was war der Moment, als du gefühlt hast, dass du mit Trentemoller etwas grossartiges erschaffst?
Anders Trentemø ller: Das war, als ich richtig überrascht wurde vor 7 Jahren. Ich hatte eine Demo aufgenommen, etwas das ich nicht gedachte, je zu veröffentlichen. Aber ein paar von meinen Freunden brannten eine CD und brachten sie zu einem Typen vom Amedian Festival in Kent, und plötzlich wurde eines meiner Lieder unter Vertrag genommen, und dann begannen mir wildfremde Leute aus den Staaten, Mexiko, Brasilien, E-Mails zu schreiben, und ich dachte: Wow, meine Musik ist jetzt draussen. Es war ziemlich komisch, aber natürlich war ich glücklich. Dann dachte ich einfach, ich hatte Glück, das sei jetzt dieses eine Lied, das hört wieder auf. Aber es ging einfach weiter, und ich machte weiter Musik wie immer. Aber weißt du, vorher hatte ich während 12 Jahren Musik gemacht, ohne dass irgendetwas passiert wäre, und ich habe mich wirklich abgemüht, und versucht, meinen eigenen Sound zu finden. Ich habe wirklich lange darum gekämpft, hatte kein Geld, habe in einem Kindergarten gearbeitet, nur um mir einen neuen Sampler kaufen zu können.
nahaufnahmen.ch: Hast du immer dran geglaubt, dass du es einmal schaffen würdest?
Anders Trentemø ller: Ich habe nicht daran gedacht, es schaffen zu können. Für mich ist Musik eine Passion, mit der ich nicht aufhören kann. Auch wenn niemand meine Musik kauft oder hört, würde ich weitermachen. Manchmal gibt es Momente, wo ich melancholisch bin, und dann ist Musik zu machen ein guter Weg, um meine Gefühle zu erklären. Eher als ein Gedicht zu schreiben oder so, ich bin nicht so gut mit Lyrics, also ist Musik definitv etwas, das ich persönlich benutze.
nahaufnahmen.ch: Du lebst in Copenhagen. Wie ist die Musikszene da?
Anders Trentemø ller: Im Moment ist sie sehr gut. In den letzten drei, vier Jahren, ist sie regelrecht explodiert. Ich habe noch nie so etwas gesehen, denn vor 10 Jahren wollte jeder so tönen wie eine Band aus den Staaten oder der Insel, und dann schwappte die ganze Minimal Szene von Berlin über, und jeder wollte tönen wie eine Band aus Berlin. Aber jetzt haben die Leute neues Vertrauen gefasst in ihren eigenen Sound, und tönen nun eigentlich erst speziell, und es gibt sehr viele coole Bands, die aus Copenhagen oder Dänemark kommen. Und ich bin recht stolz darauf, was am geschehen ist. Früher war ich ein wenig beschämt, denn die einzige Band aus Dänemark, welche die Leute kannten war Aqua, „I’m a Barby girl“. Es gibt so viele talentierte Leute, und es ist heutzutage viel einfacher, deine Musik zu veröffentlichen, ohne die Hilfe der Major-Labels,
nahaufnahmen.ch: Zum Abschluss würde ich dich gerne fragen, welches – neben dem Roskilde Festival natürlich – dein Lieblingsfestival ist?
Anders Trentemø ller: Ja, Roskilde und auch Coachella dieses Jahr waren fantastisch. Aber dieses Festival hier scheint auch sehr, sehr gemütlich zu sein, ich mag die Atmosphäre hier mit nur einer Bühne, und richtig guten Bands. Ich bin ein grosser Fan der Blonde Redhead. Ich freue mich, sie nachher spielen zu sehen, und auch unsere Freunde von den Raveonettes haben gestern hier gespielt gestern. Es ist ein toller Ort, und ich spüre schon jetzt, dass es ein grossartiger Abend wird. Es gibt gute Vibes hier.
nahaufnahmen.ch: Vielen Dank für das Gespräch!
Trentemø ller – Shades of Marble
Trentemø ller – Silver Surfer, Ghost Rider, Go (Live @ Roskilde 2009)