Wie Stress unser Leben bestimmt

Lebenswichtiger Krankmacher

Wie Stress unser Leben bestimmt

Kampf oder Flucht? Wer einem Bären begegnet, erlebt Stress, wie ihn unsere Vorfahren kannten.
Kampf oder Flucht? Wer einem Bären begegnet, erlebt Stress, wie ihn unsere Vorfahren kannten. Quelle: Wikipedia, User Bernard Boehne

Für unsere Vorfahren bedeutete Stress, einen Bären zu erlegen. Heute kämpfen wir mit Zeitdruck und Überforderung. Auch wenn andere Herausforderungen unser Leben bestimmen, läuft während der Stressreaktion seit jeher der gleiche Mechanismus im Körper ab. Doch wenn Stress uns ständig auf Trab hält, hat dies für unsere Gesundheit schwerwiegende Konsequenzen.

Von Livia Weber

Ein Drittel der Erwerbstätigen in der Schweiz geben an, „häufig“ oder „sehr häufig“ Stress zu empfinden. Dies besagt die anfangs September publizierte Studie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Im Vergleich zum Jahr 2000 fühlen sich damit 30% mehr Erwerbstätige chronisch gestresst. Der Anteil der Personen, die selten Stress verspüren, hat sich um 5% verringert.

Stress ist für uns alltäglich. Doch so unangenehm er auch ist, für unsere Vorfahren war er überlebenswichtig. Als wir noch Jäger und Sammler waren, und urplötzlich einem Bären gegenüberstanden, gab es nur zwei Möglichkeiten lebend davonzukommen: Angriff oder Flucht. Die Kampf-Flucht-Situation unserer Ahnen und die heutigen Stressbelastungen sind zwar verschieden. Die Stressreaktion im Körper verläuft aber identisch.

„Herzchlopfe und Angstbisi“
Während einer akuten Stressreaktion, wie bei der überraschenden Begegnung mit einem Bären, rüstet sich der gesamte Organismus innert kürzester Zeit für die nun folgende Herausforderung. Emotionen, Gedanken und auch unser Verhalten verändern sich. Das Nervensystem dirigiert eine erhöhte Ausschüttung von Noradrenalin und Adrenalin aus den Nebennieren, Hormondrüsen an den Nieren. Zusammen bewirken diese Botenstoffe in Sekundenschnelle eine Aufrüstung des Körpers: Zucker und Fett werden als Energiereserven bereitgestellt. Puls und Blutdruck steigen: So transportiert das Herz-Kreislaufsystem mehr Blut und somit Sauerstoff in die Muskeln. Dies ermöglicht maximale Muskelkraft. Auch die Atemfrequenz nimmt zu.
Die der Situation unnützen Bedürfnisse, wie Schlaf, Essen, Sexualfunktion und Verdauung werden ausgeblendet. Einzig die überflüssigen Ballaste werden von Blase und Darm noch ausgestossen, bevor man sich der Herausforderung stellt. Unser Körper ist gewappnet für die bevorstehende Aufgabe.

Stress damals und heute
Die Stressreaktion ist eine Überlebensstrategie, die sich in unseren Genen verankert hat – schon bei den Vorfahren des Homo sapiens. Glücklicherweise erlebt der Durchschnittsbürger nicht täglich akute Stresssituationen. Die „Bären“ von heute sind Arbeitswelt und soziale Verpflichtungen. Im Gegensatz zu früher dauern diese Stressbelastungen jedoch länger an. Sie werden chronisch.

Somit bleibt der Körper in ständiger Alarmbereitschaft und überaktiviert. So können Stress auslösende Faktoren, wie wir sie im Alltag erleben auf Dauer zu schwerwiegenden gesundheitlichen Konsequenzen führen: Schlafstörungen, Depressionen, Angststörungen und  Burn-out-Syndrom. Organbezogene Schäden beinhalten Asthma, Magengeschwüre, entzündliche Magen-Darmerkrankungen bis zu Krebs im Verdauungssystem. Ein erhöhter Blutdruck steigert das Risiko für einen Herzinfarkt. Auch Schlaganfall und Arteriosklerose sind dabei typisch. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet Stress als die grösste Gesundheitsgefahr des 21. Jahrhunderts.

Im Gleichgewicht bleiben
Um dieser Gefahr zu entgehen, müssen wir den Stress auslösenden Faktor reduzieren oder vermeiden. Ist dies einer gestressten Person jedoch nicht möglich, so kann sie versuchen, sich positiv auf die Situation einzustellen. Denn es kommt seltener zu Stress, wenn man sich, trotz grossem Druck, in der Lage sieht den Stress auslösenden Faktor zu bewältigen.

Wenn er jedoch unvermeidbar ist und auch positive Gedanken bereits eingetretene Schlafstörungen und Magenbeschwerden nicht zu lindern vermögen, so hilft der gesunde Ausgleich. Auf jede Stressreaktion sollte eine Erholungsphase folgen. Dies beispielsweise durch gezielte Entspannungsverfahren, wie die progressive Muskelentspannung: Liegend bewegt die Person abwechslungsweise einzelne Glieder des Körpers. Dabei werden die Muskeln bewusst angespannt und wieder entspannt. Während diesen Bewegungen wird auf eine ruhige und tiefe Atmung geachtet. Die ganze Aufmerksamkeit gilt den Bewegungen und der inneren Ruhefindung.

Weiter fördert körperliche Aktivität die Erholungsphase. So verhelfen uns nebst Yoga, autogenem Training und Co. auch Joggen und Schwimmen zur Belastungsbewältigung im Alltag. Oder wie wäre es mit einem Spaziergang in den Tierpark: da leben die Bären heutzutage hinter sicheren Absperrungen.


Definition von Stress:
Der Begriff Stress stammt ursprünglich aus der Materialforschung. Dort bezeichnet er eine Kraft, die auf einen Körper einwirkt und eine Verformung oder eine Spannung verursacht. Hans Selye (1907-1982), der österreich-kanadische Biochemiker und Vater der modernen Stressforschung, definierte Stress folgendermassen: „Die unspezifische (innere) Reaktion des Organismus beziehungsweise der Person auf (äussere) Herausforderungen oder Stressoren (Stress auslösende Faktoren).“


Literatur

Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO), Stress-Studie 2010: Stress bei Erwerbstätigen in der Schweiz

Seminararbeit von Heiner Vogel, Ulrike Worringen, Rudolph Friedrich Wagner und Heike Schäfer: Stress und Stressbewältigung

GEO Kompakt (Nr. 26): Die Signale unseres Körpers, Artikel: Ein Leben unter Druck, Warum wir ohne Stress nicht existieren können

2 thoughts on “Wie Stress unser Leben bestimmt

  • 23.09.2011 um 10:30 Uhr
    Permalink

    Hi,

    ein schöner Beitrag zum Thema Stress, auch wenn ich mich nicht direkt auf Angestellte beziehe, sondern auf der Suche nach Informationen für Selbstständige war. Im Gleichgewicht bleiben ist hier sicherlich einer der besten Tipps, auch wenn es gar nicht immer so einfach ist.

    Grüssle

    Marc

  • 23.09.2011 um 18:03 Uhr
    Permalink

    Positiver Stress kann durchaus sehr anspornend sein ..problematisch wird es , wenn der Stress überhand nimmt..Ein gutes Mittel es erst gar nicht soweit kommen zu lassen ist die Musik , zumindest für mich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert