Gedanken zum Trauerspiel Bundesratswahlen 2011

Die Konkordanz scheitert an der SVP

Gedanken zum Trauerspiel Bundesratswahlen 2011

SVP Konkordanz

Vier Jahre lang hat die SVP, nachdem sie zwei gute und mehrheitsfähige Bundesräte aus der Partei warf, gejammert und geklagt, die anderen Parteien stellten sich gegen das Konkordanzprinzip. Jetzt, nachdem die Abstrafung für den fehlenden Anstand der Partei ausgestanden ist und ihr alle Parteien den verdienten zweiten Sitz zugestehen wollen, tritt die SVP selbst die Konkordanz mit Füssen – und behauptet, sie tue genau das Gegenteil.

Von Lukas Hunziker.

2 Vertreter der SVP, 2 Vertreter der FDP, 2 Vertreter der SP, 1 Vertreter der CVP – so stellt sich die SVP-Spitze die neue Bundesratszusammensetzung vor. Für die SVP wäre damit die lang vermisste Konkordanz wiederhergestellt: die drei stärksten Parteien wären mit je 2 Bundesräten vertreten, die vierstärkste mit einem. Diese Auslegung des Konkordanzprinzip gefällt der SVP besonders gut, da die Rechte und die rechte Mitte damit auf eine klare Mehrheit kämen, was die Partei über die jüngsten Wählerverluste hinwegtrösten würde. Die SVP würde damit zusammen mit der FDP 57% der Schweizer Bevölkerung vertreten, obwohl nur 41,7% eine dieser beiden Parteien gewählt haben – schöne Aussichten für eine Verliererpartei bei Wahlen.

Konkordanz hat mit der im letzten Jahrhundert noch sinnvollen Zauberformel aber im Grunde wenig zu tun, die Idee hinter einer Konkordanzregierung ist eine andere: Die Regierung, und damit auch der Bundesrat, soll die Wählerstärke der einzelnen Parteien widerspiegeln, damit die Meinung des Volkes möglichst fair im Bundeshaus vertreten ist. Würde sich die SVP zu dieser Art der Konkordanz bekennen, müsste sie ehrlicherweise von einer Unterstützung des zweiten FDP-Sitzes absehen. Nicht nur ist es nämlich nicht vertretbar und nicht mit der Idee der Konkordanz zu vereinigen, dass fast 15% der Bevölkerung von zwei Parteien in der Regierung vertreten sind, mit deren politischen Inhalten sie nichts am Hut haben. Es ist auch nicht vertretbar, dass über 27% aller Schweizer nicht im Bundesrat vertreten sind.

Scheinheilige Auslegung der Konkordanzidee

So lange die neuen Parteien im Aufwind sind und mehr als jeder vierte Schweizer seine Stimme einer Partei gibt, die nicht zu den vier stärksten gehört, hat die Zauberformel ausgedient. So lange die Tendenz anhält, dass alle grossen traditionellen Parteien an Wählern einbüssen und diese an junge Parteien mit mehrheitsfähigeren politischen Inhalten verlieren, ist die Doppeltvertretung einer Partei, die nur einen guten Siebtel der Schweizer Bevölkerung hinter sich hat, beinahe ein Skandal. Der Ruf der SVP nach Konkordanz ist scheinheilig und zutiefst undemokratisch. Mit einer unzeitgemässen und einseitigen Auslegung eines Schlagwortes tut die Partei dasselbe, was vor wenigen Tagen die Partei Einiges Russlands getan hat: Sie betrügt die Bevölkerung und missachtet die Wahlergebnisse um egoistisch die eigene Position zu stärken.

Einen guten Weg, die neuen Verhältnisse im Bundesrat abzubilden, gibt es zugegebenermassen nicht. Bessere Lösungen als jene der SVP hingegen gibt es. Dass zwei Kandidaten der SVP, einer der FDP und einer der CVP einen Sitz bekommen sollten, ist klar. Dass die Grünen keinen Sitz für sich beanspruchen können, darf man ebenfalls als gerechtfertigt anschauen, besonders wenn die SP, deren Parteiprogramm sich in vielen Belangen mit jenem der Grünen deckt, zwei Sitze für sich beanspruchen will. Es bleibt also ein Sitz für die knapp 11% der „neuen“ Mitte: GLP und BDP. Dass diese 11% für eine Sitz reichen, wird u.a. auch von der Zusammensetzung des Ständerates gestützt, da dort die Mitteparteien, die bei der SVP-Auslegung der Konkordanz klar untervertreten sind, mehr als einen Drittel aller Sitze innehaben. Da es mehr Sinn macht, einen amtierenden Bundesrat im Amt zu bestätigen als dieses mit einem neuen Kandidaten zu besetzen, welcher ähnliche Interessen vertritt, macht es durchaus Sinn, die „neue“ Mitte von Eveline Widmer-Schlumpf vertreten zu lassen. Mit 2 Sitzen für SVP und SP sowie je einem Sitz für FDP, CVP und BDP wären die Wählerinteressen und die poltischen Inhalte aller Parteien folglich sehr gut im Bundesrat vertreten.

Vier weitere Jahre Quängelei in Aussicht

An einer Lösung, welche die Grundidee der Konkordanz relativ gut umsetzen könnte, mangelt es also nicht. Dass es selbst in dieser Konstellation wohl eine klare Mehrheit für viele Anliegen der SVP gäbe, lässt deren Ablehung dieser Variante umso seltsamer anmuten. Dass die Partei ihre Machtkämpfe mit der BDP und der SP über politische Fairness stellt, ist ein Armutszeugnis für die Partei. Gerade dann, wenn die politische Landschaft der Schweiz nichts nötiger hätte als wieder mehr Sachlichkeit, Ausgeglichenheit und Anstand, entschliesst sich das enfant terrible der Schweizer Politik mal wider zu quängeln. Und diese Quängelei wird wohl zu einem von zwei Ergebnissen führen, die beide äusserst unerwünscht sind: Entweder setzt die Partei einen zweiten FDP-Bundesrat durch und tritt damit die Ergebnisse der Parlamentswahlen mit Füssen, oder sie gewinnt ihren angestrebten zweiten Sitz nicht und wird  als Folge vier weitere Jahre allen anderen für ein Problem die Schuld geben, das sie sich selber eingebrockt hat.

Es ist schade, dass die SVP selber nach einem Wählerverlust von 2,4% nicht merkt, dass es Zeit wird, als Partei erwachsen zu werden, und dass die Schweiz genug hat von Spielchen, die einer guten Politik nur im Weg stehen. Es ist zu hoffen, dass sich die Parteibasis endlich einmal gegen die Selbstinszenierer und Marktschreier, von welchen sie vertreten wird, erhebt und die Partei zu einer starken bürgerlichen Kraft macht, die mit guten politischen Vorstössen auf sich aufmerksam macht, anstatt mit dem Affentheater, unter dem wir wohl nur noch vier weitere Jahre leiden müssen.

Lukas Hunziker

Lukas Hunziker ist Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. In seinem Garten stehen drei Bäume, in seinem Treppenhaus ein Katzenbaum. Er schreibt seit 2007 für nahaufnahmen.ch.

2 thoughts on “Gedanken zum Trauerspiel Bundesratswahlen 2011

  • 09.12.2011 um 20:15 Uhr
    Permalink

    Nach dem Schreiben dieses Artikels nahm ich mir die Freiheit, einen Link dazu am Message Board der Facebookseite der Jungen SVP Schweiz zu posten. Die Antwort beweist zweierlei: dass sich die offzielle Vertretung des Nachwuchses der grössten Schweizer Partei nicht einmal die Zeit nahm, ein Gegenargument zu finden – oder schlicht keines fand und deshalb nur die im Artikel widerlegte Argumentation Ihrer Partei wiedergab. Sie bewies zweitens, dass die Junge SVP Nachhilfe in Rechtschreibung braucht:

    „Wer Bundesrätin Eveline Widmer Schlumpf nicht abwählen will gefärdet die Direkte Demokratie. Eine Partei mit ca. 5% muss nicht im Bundesrat vertretten sein. Weil die Linken Parteien das Volk hinters Licht führt werden wir die Initative „Volkswahlt des Bundesrates“ vorlege das die direkte demokratie gestärt wird. Somit kann können Linke Parteien keine Spiele mehr spielen und das Volk nicht mehr „verarschen“ Das Volkt hat das letze Wort und dass Volk muss entscheiden wer im Bundesrat vertretten sein soll und nicht die Regierung.“ (17 Fehler und 2 Wiederholingsfehler)

  • 12.12.2011 um 15:46 Uhr
    Permalink

    Was ist das für ein Theater mit der Konkordanz! Vor 4 Jahren hatte die SVP mit der Wahl von Frau Widmer-Schlumpf 2 Sitze – bis sie die nicht akzeptierte Frau aus der Partei ausschloss. Niemand hätte vor der Wahl ja gesagt, die Frau sei nicht von der SVP. Sie, die SVP, hat die Konkordanz damit ja selber torpediert. Wenn die „Konkordanz“ wieder hergestellt werden soll, könnte die SVP ihren wohl grössten Schritt tun: Frau Widmer-Schlumpf wieder in ihre Reihen aufnehmen:-) (Sofern die Frau …) Gewählt wurde Frau Widmer-Schlumpf als SVP-Mitglied! Dazu hat die SVP Hj. Walter damals „verboten“, eine allfällige Wahl anzunehmen – und nun portiert sie ihn ja selber. Und er sagt, er sei nur zu wählen, wenn es gegen die BDP geht, nicht gegen die FDP. Was für ein Affentheater! Das Schlimmste: Diese Leute regieren unser Land!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert