Sebastian Fitzek: „Der Augenjäger“
Kalkulierbarer Thriller ohne Spannungsverlust
Sebastian Fitzek: „Der Augenjäger“ (Psychothriller)
Wenn es eine Sache gibt, die wir aus diesem Buch mitnehmen sollten, dann, dass wir nie unserem Arzt trauen dürfen…
Von Angela Stella Hoppmann.
Dr. Zarin Suker ist der renommierteste Augenarzt der Welt. Während er tagsüber anspruchsvolle Operationen durchführt, verwandelt er sich nachts in einen Psychopathen, der seinen Patientinnen im wahrsten Sinne des Wortes die Augen öffnet. Er vergewaltigt sie und entfernt ihnen die Augenlider. Die Ereignisse sind für die menschliche Seele so unerträglich, dass sich die Frauen kurze Zeit später das Leben nehmen. Die blinde Physiotherapeutin Alina Gregoriev, die sich bereits im Falle des Augensammlers als unentbehrliches Medium entpuppt hat, wird von der Polizei erneut um Hilfe gebeten. Doch sich auf Dr. Sukers Gedankenwelt einzulassen, ist ein fataler Fehler, den Alina schnell bereuen wird…
Die Suche nach dem verlorenen Sohn
Während Alina mit dem Augenjäger beschäftigt ist, geht die Geschichte des Polizeireporters Alexander Zorbach weiter. Sein Leben ist zerstört: Die Frau ist ermordet worden, sein Sohn wurde entführt und der Augensammler ist immer noch nicht gefasst. Der von Geistern geplagte Zorbach erkennt in seinem Leben keinen Sinn mehr – bis das Spiel mit dem Mörder erneut seinen perfiden Lauf nimmt. Die Hoffnung, seinen Sohn retten zu können, lässt Zorbach vor keiner Aufgabe zurückschrecken, ganz egal, wie pervers sie sein mag.
Unterdrückte Gefühle
Trotz des mehrmaligen Perspektivenwechsels und der vorerst eigenständigen Handlungsstränge sind die Protagonisten durch ihre Erinnerungen weiterhin miteinander verbunden: Die mehr oder weniger versteckte Liebesgeschichte zwischen Zorbach und Alina konfrontiert den Leser mit der moralischen Frage nach dem Ablaufdatum der Trauer und Daseinsberechtigung neuer Gefühle. Darf ein Mann, der noch in die Jagd nach dem Mörder seiner Frau verwickelt ist, Gedanken an eine andere Frau zulassen? Oder sind seine Schuldgefühle berechtigt? Kann es für die Liebe noch Platz geben, wenn der Sohn in den Fängen eines Psychopathen ist?
Eigenständige Fortsetzung mit Schönheitsfehlern
Wie in seinem ersten Teil erzählt Fitzek seine Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Obwohl „Der Augenjäger“ die Fortsetzung des „Augensammlers“ darstellt, braucht der Leser die Vorgeschichte nicht zu kennen, um sich im neuen Werk zurechtzufinden. Störend sind die sprachlichen wie auch inhaltlichen Übertreibungen, die einzelne Kapitel teilweise ins Pathetische und Lächerliche ziehen. So manch philosophische Überlegung mündet in eine wenig tiefsinnige Reflexion auf Abiturniveau. Nichtsdestotrotz baut dieses Buch eine Spannung auf, die bis zum Ende aufrechterhalten wird – obwohl Fitzek einmal mehr mit seinen Wendungen über das Ziel hinausgeschossen hat.
Der Thriller ist durchaus lesenswert, sofern der Leser über kleine Inkonsequenzen und kalkulierbare Handlungen hinweg schauen kann.
Titel: Der Augenjäger
Autor: Sebastian Fitzek
Verlag: Droemer
Seiten: 432
Richtpreis: CHF 30.50