Philipp Mattheis: „In Dingenskirchen“
Jenseits der Dorfidylle
Philipp Mattheis: „In Dingenskirchen – Geschichten vom Arsch der Welt“ (Roman)
Der Prozess des Erwachsenwerdens ist sowieso schon mit vielen Querelen verbunden. Doch wer ausgerechnet dort der Pubertät entfliehen muss, wo Tristesse und Monotonie Tür an Tür leben, hat es besonders schwer. Der heute 32-jährige Autor Philipp Matthies beschreibt seine im Grunde alles andere als müde Jugend im fiktiven Münchner Vorort Dingenskirchen und erklärt dabei sogar mithilfe der Wissenschaft, warum man Kühe einfach nicht umschubsen kann.
Von Ferdinand Laudage.
Wer seine Kindheit auf dem Land verbringen darf, ist eigentlich ein wahrer Glückspilz. Denn das Kind vom Land weiss, dass Kühe nicht lila sind, und es weiss, wie sich Moos unter nackten Füssen anfühlt oder wie Gäseblümchen schmecken. Es braucht nicht viel Phantasie, um eine abenteuerliche Kindheit zwischen Feldern und Wäldern zu verleben. Doch sobald das Kind erstmals bemerkt, dass das doch alles uncool ist, beginnt eine harte Zeit. Nicht nur für die Eltern, sondern auch für das pubertierende Kind selbst.
Willkommen im Vorortsgefängnis
In Dingenskirchen hat man es nicht leicht als Heranwachsender, der Abwechslung braucht. Denn genau daran fehlt es. Also wird aus Langeweile randaliert, und die Dorfjugendlichen mutierten in den Augen des Bürgermeisters zu Vandalen. Dass jedes kleine Vergehen in der Provinz schnell die Runde macht, verwundert nicht. Ein Klischee, welches also in gewisser Weise der Wahrheit entspricht, glaubt man zumindest dem autobiographischen Roman von SZ-Autor Philipp Mattheis.
Die „Geschichten vom Arsch der Welt“, die Matthies in seinem ersten Roman erzählt, lassen keine Jugendsünde aus. Der Autor und dessen Clique erleben Skurriles mit Alkohol und beim Kiffen, Aufregendes mit dem schönsten Mädchen des Dorfes, und nicht nur einmal erleben sie auch ihr blaues Wunder. Sie pubertieren wie nach Lehrbuch. Doch im Grunde ist die Quertreiberei als Hilfeschrei zu deuten, denn jeder von ihnen fühlt sich beengt und möchte am liebsten in die grosse weite Welt – oder zumindest nach München. Doch wie soll das ohne Führerschein funktionieren?
Themen von Welt beschäftigen das Dorf
Mattheis präsentiert ein Bild vom Land, das absurd und grotesk, aber dadurch erheiternd und komisch ist. Auf der anderen Seite wird die Stadt idealisiert und verklärt dargestellt. Mattheis nimmt sich und seine Weggefährten selbst aufs Korn, lässt aber auch schwierige Themen wie Alkoholmissbrauch, Drogenhandel und den Tod nicht aussen vor. So wirkt der Roman vollends authentisch und weiss zu unterhalten.
Man muss seine Jugend nicht in der bayrischen Provinz verschwendet haben, um über diesen Roman schmunzeln zu können. Selbst Leser, die in der Stadt aufgewachsen sind, dürften sich in so mancher Erzählung wiederfinden. Denn im Grunde hat uns alle irgendwann dasselbe Schicksal getroffen: die Pubertät.
Titel: In Dingenskirchen – Geschichten vom Arsch der Welt
Autor: Philipp Mattheis
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Seiten: 270
Richtpreis: CHF 13.50