„Trust“ von David Schwimmer
Minenfeld Internet
„Trust“ von David Schwimmer
Im Internet ist nicht jeder der, der er zu sein vorgibt. Gerade Teenager, die sich dessen nicht bewusst sind, machen oft schmerzliche Erfahrungen mit Onlinebekanntschaften. Immer wieder fallen sie auch Pädophilen zum Opfer, die sich als Gleichaltrige ausgeben und sich mit ihnen anfreunden. „Trust“ erzählt die Geschichte eines 14-jährigen Mädchens, das sich mit ihrer Onlinebekanntschaft trifft – und bald die ganze Welt gegen sich hat.
Von Lukas Hunziker.
Annie ist ein Teenager wie viele andere: Sie schaut zu jenen an ihrer Schule auf, die weniger zu bieten haben als sie, sich aber besser verkaufen, sie streitet sich mit ihrer Mutter, welche Kleider für die Schule angemessen sind und sie verbringt jede freie Minute in Chatrooms. Dort lernt sie Charlie kennen, einen charmanten, sportlichen 16-Jährigen, der sie versteht, ihr Tipps fürs Volleyball gibt und ihr Komplemente macht, die sie sonst noch von niemandem bekommt. Bald jedoch gesteht er ihr, dass er nicht 16, sondern 20 ist und wenige Wochen darauf korrigiert er sein Alter noch einmal nach oben. Trotz anfänglicher Skepsis gegenüber diesen Alterslügen lässt Annie zu, dass ihre Beziehung zu Charlie immer ernster wird – bis sie sich entschliesst, ihn zu treffen.
Die Macht der Verdrängung
Als Annie am verabredeten Treffpunkt einem erwachsenen Mann in den Dreissigern gegenüber steht, fühlt sie sich verraten, wird wütend, vergiesst Tränen. Doch auch jetzt sind die Gefühle, die sie in den endlosen Chatgesprächen für Charlie entwickelt hat, stärker als die Vernunft. Das Treffen endet, wo es enden muss: in einem Hotelzimmer. Was dort passiert, erfahren Annies Eltern nicht von ihr selbst, sondern von einer Ärztin, die Annie auf Spuren einer Vergewaltigung untersucht, nachdem Annies beste Freundin die Polizei verständigt hat. Annie, die darauf beharrt, dass der Sex mit Charlie auch von ihr gewollt und Ausdruck ihrer Liebe war, sieht plötzlich die ganze Welt gegen sich: ihre Eltern sehen sie als Vergewaltigungsopfer, ihre beste Freundin hat ihren Freund angezeigt, und das FBI zwingt sie, bei den Ermittlungen gegen Charlie zu helfen.
Dass Annie sich weigert, die Vergewaltigung anzuerkennen, ist ein ebenso spannender wie gewagter Wendepunkt in „Trust“. Anstatt zum Opfer von Charlie wird Annie vor allem das Opfer ihres Vaters, der in seiner Wut nicht verstehen will, warum Annie seine Rachegelüste nicht teilt. Anstatt seiner Tochter zur Seite zu stehen, beginnt er seine eigenen Ermittlungen anzustellen, tritt einer Organisation besorgter Eltern bei, welche die Adressen von Pädophilen im Internet veröffentlicht, und gibt sich schliesslich sogar als Mädchen aus, um Kontakte mit Pädophilen zu knüpfen.

Regisseur David Schwimmer gelingt es über weite Strecken, die Komplexität der Folgen eines Pädophilieverbrechens zu zeigen. Anstatt die Geschichte zu einem Thriller werden zu lassen, in dessen Zentrum die Verfolgung des Täters steht, fokussiert „Trust“ ausschliesslich auf die Reaktionen in der Familie und dem unmittelbaren sozialen Umfeld von Annie. Einzig der Schluss des Films lässt etwas zu wünschen übrig, da die Handlung hier wieder in die Strasse der Klischees einmündet und wir z.B. erfahren, dass der Pädophile von Beruf Lehrer ist – ein Klischee, das stereotype Vorstellungen in Bezug auf Pädophilie nur fördert. Trotzdem: „Trust“ ist ein gelungener und mutiger Film zu einem heiklen Thema, psychologisch differenziert und überraschend kritisch.
Ausstattung
Die DVD enthält ein gut viertelstündiges Making of, 13 Minuten Interviews, deren interessantesten Aussagen aber auch im Making of vorkommen. Sehenswerter sind da schon die nicht verwendeten Szenen, die der Geschichte einige interessante neue Aspekte hinzufügen. Abgerundet wird das Bonusmaterial mit dem Trailer und den ziemlich sinnlosen 3 Minuten ‚Behind the Scenes‘.
Seit dem 2. Dezember 2011 im Handel.
Originaltitel: Trust (USA 2010)
Regie: David Schwimmer
Darsteller: Clive Owen, Catherine Keener, Liana Liberato, Chris Henry Coffey
Genre: Drama
Dauer: 97 Minuten
Bildformat: 16:9
Sprache: Englisch, Deutsch
Untertitel: Deutsch
Audio: Dolby Digital 5.1
Bonusmaterial: Making of, Interviews, Behind the Scenes, Outtakes, Trailer
Vertrieb: Praesens Film
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