Natascha Manski: „Fanggründe“

Ein Windpark und zwei Tote

Natascha Manski: „Fanggründe“ (Kriminalroman)

In ihrem ersten Krimi greift Natascha Manski ein brandaktuelles Thema auf: Die Förderung erneuerbarer Energien, konkret: Den Bau von Windparks in der Nordsee. Und spätestens als sich die neue Leiterin der Mordkommission mit zwei toten Fischern konfrontiert sieht, wird klar: Dass in der Branche der regenerativen Energien ausschliesslich „langhaarige Ökos an der Weltrettung“ arbeiten, ist bloss ein Gerücht.

Von Sandra Despont.

fanggründeDie sonst so ruhigen Fischer der Wesermarsch sind angespannt: Eine riesige Windkraftanlage ist vor der Nordseeküste geplant, in bestem Krabbenfanggebiet. Verunsichert rätseln die Fischer, ob mit dem Windpark ihre Existenz in Gefahr ist. Und dann nimmt sich ein junger Fischer, der kurz davor war, den Kutter des Vaters zu übernehmen, das Leben. Was zuerst wie ein einfacher Selbstmord aussieht, wird plötzlich zu einem komplizierten Fall für Kriminalhauptkommissarin Tomma Petersen, als eine zweite Leiche auftaucht. Und diese, das steht fest, ist nicht die Leiche eines Selbstmörders.

Kein glatter Start für Wunderwaffe Petersen

Es ist ihr erster Tag als Kriminalhauptkommissarin in der ruhigen Wesermarsch – und er fängt gleich mit einer Leiche an. Eine Touristin hat den reglosen Körper des jungen Fischers Eric Theurer in der Takelage seines Kutters entdeckt. Noch bevor sie die Gelegenheit hat, ihre neuen Kollegen kennenzulernen (oder auch den für sie am Morgen lebensnotwendigen Kaffee zu trinken), wird von Tomma bereits die effiziente Lösung eines Falls verlangt. Doch die von ihrem Vorgesetzten als Wunderwaffe gepriesene Tomma Petersen trifft an ihrem neuen Arbeitsort nicht auf viel Gegenliebe: Der gestandene Ulrich Spandorff, ein auf den ersten Blick etwas träger, brummeliger Kerl, hatte selbst auf die Beförderung zum Hauptkommissar gehofft, stattdessen wird ihm nun jemand von ausserhalb vor die Nase gesetzt. Eine Frau. Eine seltsam aussehende noch dazu, denn Tomma Petersen hat einen japanischen Vater. Dass Tomma keineswegs vorhat, sich erst einmal mühevoll beliebt zu machen, tut sein Übriges. Nein, es ist kein glatter Start für die frischgebackene Hauptkommissarin.

Trotz allen zwischenmenschlichen Misstönen schweisst der Fall Spanhoff, Petersen und auch den polnischen Praktikanten Jurek  zusammen. Die Suche nach dem Grund für Eric Theurers Selbstmord und nach dem Mörder des zweiten Fischers führt sie weit zurück in die Vergangenheit und mitten hinein in die aktuelle Politik, die sich die Förderung sauberer Energie auf die Fahnen geschrieben hat. Trotzdem hebt Natascha Manski nicht in höhere politische Sphären von Intrigen und Korruption ab, sondern bleibt mit ihrem ersten Krimi bei einem sehr handfesten, geradezu klassischen Krimiplot.

In medias res

Wer es nicht allzu kompliziert und eher direkt mag, wird mit „Fanggründe“ auf seine Kosten kommen. Ohne lange Umschweife zu machen, wird der Leser unverzüglich in die Handlung geschmissen. Genau wie Tomma Petersen hat der Leser keine Zeit, sich erst einmal mit dem Setting vertraut zu machen – auf der zweiten Textseite hängt die erste Leiche in den Segeln, auf Seite 36 rücken Tomma und Spandorff aus zum zweiten Tatort. Die Indizien, kleinen Zwischenfälle, aufschlussreichen Befragungen und zufällig belauschten Gespräche folgen Schlag auf Schlag, so dass nie Langeweile aufkommt. Insgesamt ist dies vielleicht etwas zu glatt. Etwas zu oft ist Spandorff zufälligerweise genau in der Sekunde genau dort, wo es etwas Wichtiges zum Fall zu hören gibt. Doch, wie gesagt, wer diese Geradlinigkeit schätzt und es nicht mag, wenn er von einer Autorin ellenlang an der Nase herumgeführt wird, wird von „Fanggründe“ kaum enttäuscht sein.

Nun umfasst „Fanggründe“ aber doch über 300 Seiten und da mag man sich fragen, worum es denn da abgesehen von dem gut konstruierten, insgesamt aber doch simplen Fall gehen mag. Auf der Suche nach den seitenfüllenden Themen wird man nicht wirklich fündig. Allerdings fällt mit der Zeit auf, welch unglaubliche Menge an letztlich unnützer Detailinformation sich in „Fanggründe“ verbirgt. Ein Absatz lang wird z.B. beschrieben, wie einer bei einem Einbruch eine Treppe hochgeht, wie er fast stolpert, sich gerade noch festhalten kann, wie dann im ersten Stock des Hauses die Zimmer angeordnet sind. Relevanz für die Handlung? Keine. Weder spielt das Gestolpere noch die Zimmeranordnung in diesem Moment oder für die spätere Handlung die kleinste Rolle, so dass man bald über die zahlreichen derartigen Nebensächlichkeiten locker hinwegliest.

Beherzt bis zum Leichtsinn

Auch was ihre Hauptfigur anbelangt, scheint Natascha Manski auf eine gewisse Geradlinigkeit zu setzen. Offen legt sie Stimmungen und Motivationen Tomma Petersens dar, so dass man rasch ein gewisses Gespür für diese herbe, überaus ehrgeizige und im Umgang mit anderen Menschen ungeduldige bis barsche Frau bekommt. Sich in sie hineinzufühlen hingegen fällt eher schwer. Sie ist weder die unterdessen für den modernen Krimi bereits typisch gewordene tragische Figur, die neben der Brillianz im Beruf von einer hartnäckigen Schwermut heimgesucht wird, noch ist sie ein sensibles und stromlinienförmiges Frauchen. Nein, Tomma wird als selbstbewusste Chefin präsentiert, die ihren Beruf eigenwillig und beherzt (wobei diese Beherztheit manchmal an fahrlässigen Leichtsinn grenzt) ausübt. Die Unnachgiebigkeit und Härte, die sie im Umgang etwa mit Spandorff an den Tag legt, macht sie allerdings nicht gerade zur Sympathieträgerin. Wer mag es schon, wenn jemand den Boss heraushängen lässt.

Auch was ihr Privatlelben anbelangt, mag es einem schwer fallen, in Tomma Petersen eine Heldin zu erblicken, der man gerne folgen mag. Offenbar hat sie eine längere Beziehung hinter sich, die in einem schlimmen Verrat endete. Während der Handlung von „Fanggründe“ bahnt sich nun ein kleines Techtelmechtel mit Jan, einem Kollegen der Spurensicherung, an. Dieses ist leider so platt beschrieben, dass nur zwei Möglichkeiten in Betracht kommen: Entweder hat es Natascha Manski nicht in der Hand, eine sich anbahnende Liebesbeziehung so zu beschreiben, dass man den Reiz dieser Sache mitfühlen kann, oder dann ist diese Tomma Petersen tatsächlich so dämlich, sich für ein paar husky-blaue Augen wegzuschmeissen und dann wie ein Teenager in jedes Lebenszeichen oder fehlende Lebenszeichen des Angebeteten Weiss-der-Herr-was reinzuinterpretieren und in geradezu klischeehaft weiblicher Zickigkeit nein zu sagen, wenn sie ja meint und von Jan zu erwarten, dass er dann gefälligst schon merkt, was er tun soll. Ärgerlich ist dies so oder so.

„Fanggründe“ ist ein gut konstruierter Krimi, dem es allerdings an einer wirklich sympathischen Hauptfigur mangelt. Wer sich keine allzu grosse Tiefe erhofft und sich nicht an zahlreichen winzigen und unbedeutenden Detailinformationen stört, findet hier eine packende Handlung zu einem aktuellen Thema.


Titel: Fanggründe
Autorin: Natascha Manski
Verlag: rororo
Seiten: 320
Richtpreis: CHF 13.50

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