Warum Helden nicht geboren, sondern geschaffen werden

 

Farnesische Herkules
Farnesischer Herkules

„Unglücklich das Land, das

keine Helden hat.“*

Warum Helden nicht geboren, sondern geschaffen werden.


Seit es Menschen gibt, existieren auch Helden. Sie sind nicht wie jedermann: Sie kämpfen gegen mächtige Gegner, setzen sich mutig für die Gerechtigkeit ein und ihre Bilder haben sich in unsere Köpfe gebrannt.

Von Elisa Monaco


Helden gibt es schon lange. Bereits vor über 2000 Jahren glaubten die Griechen an Götter und Halbgötter: Die Heroen. Die Geschichten über diese Heroen des antiken Griechenlands gehören wohl zu den wenigen Überresten der Antike, die die Zeit überdauert haben und den Menschen moderner Gesellschaften noch ein Begriff sind. Namen wie Odysseus, Herakles oder Achilles geniessen auch heute noch eine grosse Prominenz. Und dass der Heldenstoff noch nicht langweilig geworden ist, sondern nach wie vor fasziniert, beweisen Verfilmungen der letzten Jahre wie „Troy“ aus dem Jahr 2004, „300“ von 2007, oder „Der Zorn der Titanen“, der zur Zeit im Kino läuft.

Ein tradiertes Bild
Der Held (altgr. ήρος, hḗrōs) überlebt nicht ohne seine konstante Rezeption. Homers Ilias, die vom trojanischen Krieg handelt, ist das am meisten reproduzierte Werk der Antike. Es stellt damit sozusagen das „Schulbuch“ der damaligen Zeit dar. Das Werk hat es – wie die meisten erhaltenen historischen Epen – seiner  Beliebtheit zu verdanken, dass es bis in die Moderne überliefert wurde. Und so vermag es die Erinnerung an die Sagen rund um den Trojanischen Krieg aufrecht zu erhalten. Durch ihre Bekanntheit hat die Ilias jedoch nicht nur das Andenken an die Heldensagen gewährleistet, sondern auch das Bild des Helden späterer Gesellschaften geprägt.

Die griechischen Heroen zeichnen sich durch ihre Herkunft aus: Sie stammen üblicherweise von Göttern ab oder stehen zu diesen in einer besonderen Beziehung. Sie durchleben Abenteuer, bei welchen sie sich in Kämpfen behaupten müssen und sind Teil von Gründungsmythen griechischer Ort- und Landschaften. Nicht selten endet eine heroische Geschichte mit dem tragischen Tod des Protagonisten. Diesem steht nach dem Tod, wie jedem anderem Griechen auch, der Eintritt in die Unterwelt, dem Hades, bevor. Im Falle des Herakles nimmt das Ende jedoch eine gute Wendung: Er wird als einer von wenigen in den Sitz der Götter, den Olymp, aufgenommen.

Ein Held – Wer ist das?
Der deutsche Begriff des Helden ist erstmals im 9. Jahrhundert nach Christus bezeugt und bezeichnet einen Kämpfer, einen freien Mann – oder im Sinne des griechischen hḗrōs: einen Halbgott, einen Tapferen oder die Hauptperson einer Erzählung. Seither wurde der Begriff jedoch in vielfältiger Form verwendet. Dies zeigt auch ein Blick ins 18. und 19. Jahrhundert: Durch eine Verbürgerlichung des Helden wird der Begriff desselben auch auf Figuren niederen Standes angewandt. Wie etwa der einfache Soldat Woyzeck aus Georg Büchners gleichnamiger Tragödie. Der Held muss nach diesem neuen Verständnis nicht mehr wie bis anhin vorbildliche Charakterzüge aufweisen.

Bezeichnend für die Funktion des Begriffs „Held“ steht seine Verwendung: Vor allem in Kriegszeiten wird der Ausdruck geradezu inflationär angewandt, wenn gefallene Soldaten heroisiert werden sollen. Diese kollektive Heroisierung widerspricht jedoch der Einzigartigkeit des traditionellen Helden. Sie spiegelt somit vielmehr das Verlangen der Gesellschaft nach Rechtfertigung wider oder wird von der kriegführenden Regierung zu Propagandazwecken missbraucht.

In Krisenzeiten hat der Held Hochkonjunktur, da die Menschen in diesen Momenten wohl stärker zu beeinflussen sind. Der Held muss nicht einmal echt sein. Hierbei spielen die modernen Medien eine grosse Rolle, welche Bilder verbreiten können. Genauso wie die antiken Helden würden auch die modernen ohne ihre bildliche Interpretation und Verbreitung gar nicht als solche wahrgenommen werden.

Lieber tot als lebendig

Eines dieser weit verbreiteten Bilder ist dasjenige des Guerillero Heroico Ernesto Che Guevara. In Kuba wird er seit seinem Tod als Volksheld gefeiert. Und auch in anderen Ländern besteht ein regelrechter Kult um seine Figur. Die Fotografie aus dem Jahre 1960 zeigt Guevara mit Béret und nachdenklichem Gesichtsausdruck. Sie hat sich, vor allem durch die starke Verbreitung seiner zweifarbigen Version auf T-Shirts, Postern usw., in unser Gedächtnis gebrannt.

Die Fotografie wurde zum Symbol für die kubanische Revolution, oder gar für die politische Revolution selbst. Kubas Führung machte ihn zum Helden, die von ihm begangenen Menschenrechtsverletzungen ignorierend. Das idealisierte Bild des Guerillaführers entspricht nicht seiner wahren Person.

Der Held und sein Land
Der Held wird durch sein Bild geschaffen. Und dieses Bild wird von anderen, zum Beispiel der Regierung des Landes, erschaffen. Der Held bietet damit der Regierung eine Möglichkeit, eine Krise im Land zu überwinden. Der Mensch braucht Helden – aber nicht immer, denn „unglücklich“ ist „das Land, das Helden nötig hat.“**


* ** Beide Zitate stammen aus Leben des Galilei von Berthold Brecht. Darin widerruft Galileo Galilei vor der Inquisition sein Heliozentrisches Weltbild. Dies veranlasst seinen enttäuschten Schüler zur Aussage: „Unglücklich das Land, das keine Helden hat.“ Galilei erwidert: „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat.“

Literatur
Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, De Gruyter verlag, Berlin 2002.
Dieter Burdorf, Metzler Lexikon Literatur, Verlag J.B. Metzler, Stuttgart 2007.
Grimm, Günther: Heroen, Götter, Scharlatanen – Heilserwartungen und Heilsbringer der Antike, Verlag Philipp von Zabern, Darmstadt 2008.

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