Wibke Bruhns: „Nachrichtenzeit“
Die erste Nachrichtensprecherin Deutschlands
Wibke Bruhns: „Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen“ (Biografie)
Wibke Bruhns lässt die Leser an ihren Erinnerungen teilhaben. Unterhaltsam beschreibt sie Beobachtungen und Fakten sowie persönliche Gefühle an den verschiedenen Arbeitsplätzen, die sie in ihrer journalistischen Karriere erlebt hat.
Von Luzia Zollinger.
Wibke Bruhns war die erste Nachrichtensprecherin Deutschlands. Eine Sensation, damals, im Jahre 1971. Empörte Zuschauer meldeten sich, sie solle sich gefälligst um Mann und Kinder kümmern. Doch Bruhns liess sich nicht aus der Ruhe bringen. Denn bis dorthin war es bereits ein langer, steiniger Weg. Vor ihrer journalistischen Karriere hatte sie gejobbt, um Geld zu verdienen. Sie hatte Elbchausee-Villen geputzt, weil sie wissen wollte, „wie die von innen aussehen“. „In einer Fabrik wusch ich Därme für Wurstpellen – nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Bei Springer lud ich nachts BILD-Zeitungspakete auf den Lastwagen.“ Dies brachte ihr Geld ein. Aber vor allem wurde Bruhns immer neugieriger und wusste: Sie gehörte in den Journalismus.
Von der Pike auf
Das journalistische Handwerk lernte Bruhns bei der Bildzeitung, ehe sie später als Redakteurin beim ZDF begann. Dass Bruhns leidenschaftliche Journalistin ist, kommt durch das ganze Buch hindurch zum Tragen. Sie erzählt von ihren Begegnungen in Deutschland, Amerika und Israel und ist sich immer wieder bewusst, dass sie als Journalistin unterwegs ist. Einzelschicksale sollten sie also nicht zu sehr berühren, tun es aber trotzdem. Dies steht Bruhns jedoch nicht im Weg ihrer Karriere. Die Journalistin war nah an den politischen Geschehnissen und einzelnen Persönlichkeiten dran, die die Welt prägten.
Wie es der Titel bereits sagt, hält Bruhns in diesem Buch ihre unfertigen Erinnerungen fest. Beim Lesen hat man den Eindruck, als seien es Notizen ihres Tagebuches. Die Notizen sind aber nicht nur einzelne Stichwörter, sondern abgeschlossene Handlungen. Ein Stück Zeitgeschichte von verschiedenen Orten dieser Welt, an denen Wibke Bruhns als Nachrichtenjournalistin tätig war. Sie traf Günter Grass und Yassir Arafat, den Attentäter von Hebron Adnan Jabar, der ihr jedes kleinste Detail des Attentats verriet, und sie war im Wahlkampf-Komitee von Willy Brandt. In Israel war Bruhns Auslandkorrespondentin für den Stern und erinnert sich insbesondere an den ersten Libanon-Feldzug 1982 sowie an das Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila.
Hitler – Einfluss im Privaten, Thema im Beruf
Hautnah erlebte Bruhns auch den Skandal um die vermeintlichen Hitler-Tagebücher. „Es ging ums Geld, um Gewinn und Verlust für die Unternehmen. Moral war nicht gefragt. Hitler sells.“ Bruhns befand sich in Jerusalem, als ein Kollege der Zeitung Haaretz wissen wollte, was es mit den Hitler-Tagebüchern auf sich habe. „Die Korrespondentin des ‚Stern‘ schien die Einzige zu sein, die keine Ahnung hatte“, hält Bruhns die suspekte Situation fest.
Doch Bruhns erwähnt nicht nur ihre Erfahrungen und Erlebnisse, die sie während des Berufsalltages erlebt hat. Sie blickt ebenfalls auf eine nicht einfache Kindheit zurück. Ihr Vater wurde 1944 nach dem gescheiterten Hitler-Attentat als Verräter hingerichtet und hinterliess eine Frau und fünf Kinder. Die Familie hatte kaum noch Geld, da die Nazis ihr ganzes Vermögen weggenommen hatten.
Wibke Bruhns versteht es, Geschichtliches und Erlebtes miteinander zu verbinden, sodass sich nie Langeweile einschleicht. Der Leser leidet, lacht, staunt und fühlt Bruhns abwechslungsreiches Leben.
Titel: Nachrichtenzeit. Meine unfertigen Erinnerungen
Autorin: Wibke Bruhns
Verlag: Droemer
Seiten: 424
Richtpreis: CHF 34.90