Wulf Dorn: „Mein böses Herz“

Kann ich mir selbst noch trauen?

Wulf Dorn: „Mein böses Herz“ (Roman)

Nach drei überaus erfolgreichen Thrillern für Erwachsene legt Wulf Dorn nun seinen ersten Jugendroman vor. Wie lassen sich wohl die düsteren und sehr psychologischen Themen, für die der Autor so bekannt ist, in einem Jugendbuch umsetzen?

Von Stefanie Feineis.

meinbösesherzDie 17jährige Doro hat bereits eine Menge hinter sich: den Tod ihres kleinen Bruders, einen Aufenthalt in der Psychiatrie wegen Halluzinationen und die Scheidung ihrer Eltern. Gemeinsam mit ihrer Mutter möchte sie nun durch den Umzug in die ländliche Kleinstadt Fahlenberg die Vergangenheit hinter sich lassen. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Neuanfang

Zunächst sieht alles gut aus. Obwohl Doro anfangs nicht begeistert ist, dass ihr neuer Therapeut auch gleichzeitig ihr neuer Nachbar ist, stellt sich dieser doch als freundlich und verständnisvoll heraus. Im Gegensatz zu Doros früheren Therapeuten scheint er ihr wirklich helfen zu wollen und sich für ihre Situation zu interessieren. Und auch sein Sohn Julian zieht sie vom ersten Treffen an in seinen Bann. Die beiden scheint etwas zu verbinden, auch wenn Doro sich zunächst nicht sicher ist, was genau. Zu Schade, dass Julian bereits eine Freundin hat. Doch Doro ist momentan sowieso nicht an einer Beziehung interessiert. Durch einen Aushilfsjob im örtlichen Schwimmbad lernt sie zudem David kennen, mit dem sie sich schnell anfreundet und viel Zeit verbringt. Alles könnte perfekt sein, wenn da nicht diese bruchstückhaften Erinnerungen an die Nacht wären, in der ihr kleiner Bruder Kai starb, und die bange Frage, was damals eigentlich wirklich geschah.

Rückfall

Und dann ändert sich alles schlagartig. Plötzlich scheinen Doros Symptome zurückzukommen; überraschend reale, unheimlich Träume und die Unfähigkeit, sich an Kleinigkeiten wie einen eingesteckten Geldschein zu erinnern sind erst der Anfang. Als Doro eines Nachts aufwacht und in der Gartenlaube einen verletzten Jungen findet, der sie um Hilfe bittet, aber bei Eintreffen der Polizei spurlos verschwunden ist, glauben alle an einen offensichtlichen Rückfall, zumal der Junge, den sie gesehen zu haben glaubt, vor kurzem Selbstmord begangen hat. Und obwohl sich Doro zunächst gegen diese Erklärung wehrt, lässt sie sich schliesslich überzeugen, sich alles nur eigebildet zu haben. Doch dann finden sie und Julian einen verletzten Hund am See, und nach und nach kommen immer mehr verwirrende Details ans Licht. Was, wenn das alles keine Einbildung war, sondern ein wirkliches Verbrechen?

Achterbahnfahrt

Dorns grosse Stärken, die seine vorherigen Bücher so erfolgreich machten, zeigen sich auch in diesem Roman: zum einen sein tiefer Einblick in die menschliche Psyche, den er durch seine langjährige Arbeit in der Psychiatrie erworben hat, zum anderen die realistische und individuelle Gestaltung seiner Figuren und die spannende Erzählweise. So folgt der Leser der 17jährigen Hauptfigur auf einer Achterbahnfahrt der Gefühle, einer Gratwanderung zwischen Realität und Wahnsinn, hofft und bangt für sie, obwohl er sich letztlich nie sicher sein kann, ob er Doro überhaupt trauen kann. Für ein Jugendbuch ist der Roman ungewöhnlich düster und komplex, was sich aber letztlich als grosser Vorteil herausstellt, da er sich genau dadurch von der Masse der Jugendliteratur abhebt. Und auch wenn die letzten Wendungen zum Schluss hin etwas vorhersehbar werden – vor allem für erwachsene Leser – bleibt das Buch doch spannend bis zur letzten Seite.

Ein Buch wie eine Achterbahnfahrt – überraschend, atemberaubend und mitreissend – gespickt mit tiefen Einblicken in die menschliche Psyche und die Sichtweise Jugendlicher. Wie immer bei Wulf besteht hier absolute Suchtgefahr – und das nicht nur für jugendliche Leser.


Titel: Mein böses Herz
Autor: Wulf Dorn
Verlag: ctb Jugendbücher
Seiten: 416
Richtpreis: CHF 16.90


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