„Mientras duermes“ von Jaume Balagueró
Am Ende ist es immer der … Portier!
„Mientras duermes“ von Jaume Balagueró
Glücklich sein, das ist Césars Problem: Diese Fähigkeit besitzt der düstere Portier (Luis Tosar) nicht. Um so mehr strengt er sich an, anderen ihr Glück auszutreiben. Ganz besonders ein Dorn im Auge ist ihm die junge Señorita Clara (Marta Etura), die ihn jeden morgen gut gelaunt begrüsst. César schwört sich, diesem Lächeln den Garaus zumachen. Kein leichtes Unterfangen und der grimmige Portier mit markanten Frida-Kahlo-Augenbrauen droht selber in den Schlund seiner Albträume zu geraten. Eine packende Geschichte, die uns nichts Neues erzählt, aber einem klassischen Genre huldigt: Dem Psychothriller.
Von Marianne Wirth
Schauplatz ist ein Appartementkomplex in Barcelona, in dem etwas vornehmere Herrschaften hausen. Alt und Jung leben herzlich distanziert in ruhiger Nachbarschaft. Dreh- und Angelpunkt dieses Schauplatzes ist der alte Aufzug, dessen Gitter an eine Gefängniszelle erinnern. Der Aufzug verbindet die verschiedenen Welten; er fährt von der Kellerwohnung des Portiers bis zur Dachterrasse, dem Tor zur Welt.
Montag bis Sonntag
Das Tor zur Welt, also in diesem Fall die Dachterrasse, ist gleichzeitig auch das Ende der Welt. César träumt, sich in den Tod zu stürzen, weil er dem Glück der Welt nicht mehr standhalten kann. Schweissgebadet wacht er auf und geht seinen Verrichtungen als Portier nach. Die gute Laune der schönen Clara setzt ihm zu. César besucht wöchentlich seine kranke Mutter, die in einer Art Wachkomma ist, seinen Erzählungen jedoch folgen kann. So erfährt der Zuschauer Césars Vorhaben: Er erzählt seiner Mutter, die in ihrem Zustand zum Schweigen verdammt ist, dass es nun an der Zeit sei, Clara das Lachen auszutreiben.

Spätestens in dieser Sequenz wird dem Zuschauer vor Augen geführt, wie krank und gebrochen Césars Psyche ist. Er belästigt seine Mutter mit Mordgedanken, im Wissen, dass diese nichts unternehmen kann und markiert gleichzeitig den braven Sohn, der seine kranke Mutter umsorgt. Ganz im Dienste des Genres befindet sich der Zuschauer in einem Zeitraster, in dem er nicht weiss, wann als nächstes zugeschlagen wird. Lunes, Martes, Miércoles. Der Zuschauer wird durch die Wochentage geführt. Durch Regelmässigkeiten wird scheinbar Vertrautes vermittelt: Die Nacht weicht dem Tag, der Wecker rasselt, das Radio geht an, Clara steht auf, Duschwasser ist zu hören. Dem gegenüber steht der Tagesablauf oder viel eher der Nachtablauf Césars. So freundlich und hilfsbereit er sich tagsüber Clara gegenüber verhält, so gruselig und angsteinflössend verhält er sich in der Nacht. Als Portier kann er sich Zugang zu allen Wohnungen verschaffen. Er versteckt sich in Claras Wohnung und versetzt ihre Kosmetikartikel mit Giftstoffen, eine von vielen perfiden Massnahmen. Als sich die lebensfrohe junge Frau davon (Hautausschlag) nicht unterkriegen lässt und nach ein paar Tagen auf Césars Nachfrage immer noch alles genial ist, reicht es dem Portier. Er muss ihre Heiterkeit ein für alle mal besiegeln, sonst findet er keine Ruhe.
Verkehrte Welt
Ein Mädchen aus der oberen Etage beobachtet den Portier bei seinen nächtlichen Aktivitäten und erpresst ihn. Blosses Schweigegeld reicht der Kleinen nicht mehr, sie verlangt einen Porno. „Richtig gehört“, sagt sie zu César, er habe sie schon verstanden. Was will uns der Film an dieser Stelle sagen? Wie verkommen unsere übersexualisierte Gesellschaft doch sei? Wohl kaum. Überhaupt sind keine tiefliegenden Botschaften im Film zu suchen. Wie oft in einem klassischen Thriller, geschieht vieles unmotiviert und der Zuschauer findet eine verkehrte Welt vor. Kinder sind nicht unschuldig, sondern agieren böse und üben Macht aus. Wie das kleine Mädchen in „Mientras duermes“, das den Portier beobachtet, erpresst, bespuckt und beleidigt.
100 Minuten schaudernde Anspannung, in denen der Zuschauer sich fragt: Was geschieht als nächstes? Er kann sich dem gruseligen Spiel nicht entziehen, zu nah ist die Kamera am Geschehen. Die Kamera verlässt das Innere des Hauses und somit Césars Innenleben kaum. Stets aus einer versteckten Perspektive, aus einer Ecke heraus, in der Angst selber aufgescheucht zu werden, wie ein wildes Tier, folgen wir den Schritten Césars, dem nicht vorhersehbaren Ende entgegen. Jaume Balagueró gelingt es, unaufgeregt eine spannungsgeladene Geschichte zu erzählen, in der wir tief in den Abgrund der menschlichen Psyche blicken.
Ab dem 26. Juli 2012 im Kino.
Originaltitel: Mientras duermes (Spanien 2011)
Regie: Jaume Balagueró
Darsteller: Luis Tosar, Marta Etura, Alberto San Juan
Genre:
Horror/Thriller
Dauer: 100 Minuten
CH-Verleih: Frenetic
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