Andrea Jolander: „Da gehen doch nur Bekloppte hin“

Ein etwas anderer Psychoratgeber

Andrea Jolander: „Da gehen doch nur Bekloppte hin. Aus dem Alltag einer Psychotherapeutin“ (Ratgeber / Erfahrungsbericht)

Laut eines Artikels im Tagesanzeiger vom Februar dieses Jahres nehmen jährlich nur etwa 5% aller Schweizer psychotherapeutische Hilfe in Anspruch, obwohl rund 10% dies nötig hätten. Ebenso wie der Bund will auch eine deutsche Psychotherapeutin hier Abhilfe schaffen. Auf unterhaltsame Art.

Von Stefanie Feineis.

dagehendochnurbeklopptehinIm Gegensatz zu Amerika, wo der Besuch beim Psychotherapeuten zumindest in der Oberschicht fast schon zum guten Ton gehört, schämen sich in Europa Betroffene für ihre Probleme und haben das Gefühl, sie müssten ihre Krisen alleine in den Griff bekommen. Für die Autorin – selbst seit 30 Jahren als Psychotherapeutin tätig – ist das, als ob ein Patient sich selbst zu operieren versucht, anstatt sich in die Hände eines kompetenten Arztes zu begeben.

Was ist eigentlich ’normal‘?

Wann jedoch ist es nötig, sich Hilfe zu suchen? Gleich zu Beginn macht Andrea Jolander eins deutlich: „Normal“ gibt es gar nicht. Und nicht jede Person, die durch seltsames Verhalten auffällt, ist automatisch auch ein Fall für den Psychologen. Zuerst müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein, darunter auch die Bereitschaft des zukünftigen Klienten, sich wirklich helfen zu lassen. Hierzu ist es unabdingbar, dass der Betroffene selbst unter seinem Zustand leidet. Leiden muss jedoch bei der Lektüre dieses Buches niemand; ganz im Gegenteil: statt deprimierender Atmosphäre, trockener Theorie und allgemeinen Ratschlägen erwartet den Leser ein unterhaltsamer und kurzweiliger Ausflug in die mitunter recht merkwürdige Welt der Psychotherapie, geleitet von einer Führerin, der es keinesfalls an Humor und Selbstironie mangelt. Jolander ist nicht nur seriöse Fachfrau, sondern auch gute Freundin und blendende Unterhalterin.

Kein Ratgeber

Aller Information zum Trotz: dieses Buch möchte kein Ratgeber sein. Dass umfassende Informationen oder gar Diagnosen auf 220 Seiten kaum möglich sind, versteht sich von selbst. Es geht der Autorin auch gar nicht darum, den Besuch bei einem Therapeuten zu ersetzen, sondern vielmehr will sie einem Mut zu einem solchen Schritt machen, wenn er denn nötig sein sollte. Genauso gut eignet sich die Lektüre aber auch für Laien, die einfach schon immer mal wissen wollten, was hinter der Türe einer psychotherapeutischen Praxis so passiert. Fast nebenbei lernt man dabei noch einige wichtige Grundlagen über Freud und das Unterbewusste, bekommt die wichtigsten Unterschiede zwischen verschiedenen Therapieformen und Therapeuten erklärt und erhält eine Einführung in die Traumanalyse. Zusätzlich beantwortet Jolander mit einem Augenzwinkern beliebte Fragen wie: „Ist es wahr, dass sich Patient dauernd in ihre Therapeuten verlieben?“ und „Sind eigene Probleme schuld, dass man Psychologie studiert?“

Definitiv mehr als nur ein weiterer Psychoratgeber und absolut empfehlenswert für alle, die selbst über eine Therapie nachdenken oder sich einfach nur für einen unterhaltsamen Blick hinter die Kulissen der Psychotherapie interessieren.


Titel: Da gehen doch nur Bekloppte hin. Aus dem Alltag einer Psychotherapeutin
Autorin: Andrea Jolander
Verlag: Heyne
Seiten: 221
Richtpreis: CHF 24.90

One thought on “Andrea Jolander: „Da gehen doch nur Bekloppte hin“

  • 24.02.2014 um 13:32 Uhr
    Permalink

    Ein wunderbares Buch, ich habe es in einem Zug ausgelesen. AO

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