„Skyfall“ von Sam Mendez

Auch mit Fünfzig noch Herzen verschenken

skyfall

In einer Fassung aus „flottem Dreier“ mit Daniel Craigs dritter Darstellung von James Bond 007 stellt man die Frage nach dem ewig Letzten und die Antwort ist: get down. Zum Jubiläum das Gegenteil eines Überfliegers.

Von Jonas Widmer.

Es ist dem Oskarpreisträger Mendes („American Beauty“, USA 1999) nicht übelzunehmen, dass er sich gewagt hat, die Gretchenfrage in einen Bondstreifen einzustreuen, trotzdem hat er der  Geschichte damit geschadet. Der erfolgreichste Romanheld des zwanzigsten Jahrhunderts verliert durch das missratene Ende von „Skyfall 007“ seine religionsphilosophische Relevanz, indem sich der Erzählstoff wegen wiederholter Tabuverletzungen als Märchen entpuppt und – ebenso wichtig –  indem sich das globale Kinoereignis an einer mehrheitlich christlich theologisch geprägten Symbolwelt abarbeitet. Bond jedoch – keine Ziege leckt das weg –  hat auch nach fünfzig Jahren Leinwandpräsenz kaum an Schirm und Charme verloren und so empfiehlt sich der Streifen allen Action- und Hemingwayfans.

Spiele verlieren

Die Story ist recht einfach nachzuerzählen: James Bond 007, britischer Geheimagent der Luxusklasse, wird von seiner Chefin aufs Spiel gesetzt und … verloren. Nach einem Abstecher in die Wogen des Rausche(n)s hört Bond über UKW, dass die Majestät auf eigenem Grund und Boden angegriffen worden sei. Die britsche Personalunion aus Walterli und Papa kehrt unverzüglich nach Hause zurück, checkt dort bei Mama ein, gibt dem verstorbenen Will Turner eine unerwartete Ehre (beide teilen ein und dasselbe Hobby: Rückkehr aus dem Hades), beklagt sich über das Grün hinter den Ohren eines jungen Kameraden, der uns an den „invincible“ Boris Grishenko aus „Goldeneye 007“ (BG 1995) erinnert, und kriegt schliesslich – Papa Afred war im Vorstand der NRA –  sein anorganisches Lieblingsteil in die Finger.

Bumsen und Prügeln

Nach einer filmischen Referenz an die Siebzigerjahre der Film- und Neunzigerjahre der Bondgeschichte wird der Vorgegner stilgerecht eliminiert. James trifft in der darauf folgenden Entschleunigung auf zwei ungleiche Evas und verprügelt – nur mit einem Metallkoffer bewaffnet! – die bösen Buben. Schliesslich folgt die Versöhnung mit Göttin Ischtar, und zwar in einem zärtlichen Mitduschen. Trotz allen Prüderien auf der Quantenwaage lebt diese Bondepisode weder von Liebesgeschichte, noch von überragenden Frauenfiguren oder süssem Bettgeflüster. Dieser Film ist, was der Stoff bietet: ein gelungener Männerfilm.

Ein Messi unter den Schauspielern

Nach einer idyllischen Bootsfahrt wähnen wir uns plötzlich in K. Reynolds „Waterworld“ (USA 1995) mit dem Superschurken Diacon (gespielt vom Easyrider Dennis Hopper). Da Javier Bardem einmal mehr wie Lionel Messi unter den Schauspielern seiner Generation abdrückt, wird es jetzt erst wirklich unterhaltsam. Eine Reminiszenz an „True Romance“ (USA 1993) von T. Scott (Buch von Q. Tarantino) rüttelt uns derart wach, dass wir den „Tassenzaubertrick“ unter leichtem Kopfschütteln durchschauen (meine eigene Vermutung: die Google-Chefetage hat sich einen Scherz geleistet). Auch die einzig ernst genommene Nation, die innerhalb Festlandeuropa bekanntlich die wenigsten Steuern abzwackt (und deshalb zu einem wichtigen Standort von Google GmbH wurde) kommt zum Zug. Bevor aber effektiv gezogen wird, steht Helvetia blutverschmiert bereit, was nach Fosters unangenehm cutfreudigen Peergroupdrama „A Quantum of Solace 007“ (GB 2008) durchaus eine lustige Provokation ist.

Und lustig geht es nach dem Spass gleich weiter, als sich zwei harte Ladies in einer parlamentarischen Versammlung fetzen. Ein Zufall im Sinne der Rezension:  Die Zuständigen für die Untertitelung ins Deutsche hätten das englische Fluchwort „Bitch“ (Hündin) besser nicht mit Ziege übersetzt, hingegen trifft man in der Abgeordnetenszene tatsächlich auf einen Zickenstreit. Übrigens: „Last woman standing“ ist die EX3 von Sony und nicht etwa M, deren eigene Kinder nun auch zu Waisen geworden sind.

Am Alten orientiert und Neues aufgepfropft

Wenn Sie die ganze Story sowie den ganzen Plot von „Skyfall 007“ nachvollziehen wollen, so gehen Sie – es liegt auf der Hand – ins Kino. Der Film lohnt sich nämlich auf Gross- und Grösstleinwänden zu gucken. Er ist im Übrigen nicht zu brutal und kein S(c)hnittchen zu erotisch, weder der Beste aus der Serie noch der Mieseste; irgendwie erinnert er fragmentarisch an eine gelungene Oper vom schrecklich rassistischen Wagner. In einem Anflug von Geistesgegenwärtigkeit hat entweder Sam Mendes, Barbara Broccoli, ihr Halbbruder Michael G. Wilson oder alle drei zusammen entschieden, dass Mamatum und Bond nicht zusammenpassen: Bravo! Ansonsten hat man sich am Alten orientiert und Neues aufgepfopft – die Kunst der Regie seit Bonds Debut im Filmgeschäft. Ich frage mich, ob diese Filmemacher hinter verschlossenen Türen neben Hemingway den „Homo Faber“ (De  1957) auf dem Tisch liegen haben, wenn sie sich zum Thema der adäquat stilisierten Männlichkeit mit heterosexueller Neigung (alles andere ist im Bond sowieso deplatziert) Serienplötchen zu den Fingern heraussaugen. Untermauern lässt sich, dass diese FilmerInnen überhaupt etwas gelesen haben, denn die Get-down-Geschichte finden wir, ausser im Werk des Musikers Everlast, auch bei Ian Flemings (1966 erstmals in Deutsch, dann etliche Male unter verschiedenen Namen) veröffentlichtem Roman „007 James Bond und der Mann mit dem goldenen Colt“: „Drei Uhr dreißig. Nur noch zwei Stunden bis zum nächsten Whisky …“.

Was bleibt sind Höhepunkte und Patzer

Der Film ist aus erzähltheoretischer Perspektive spannend, da er viele interne Bezüge herstellt. Zu viel Symbolik machen diese Episode hingegen eher langweilig und lächerlich (insbesondere die vulgäre Zahlensymbolik in den Metrowagenabteils). Adele hat trotz ihrer wundervollen Stimme einen schlechten Song geschrieben, während ein Musikerkollege mit der Panflöte zu einem Geniestreich abgedrückt hat. Mich dünkts, dass wenn sich jemand im grossen Mainstream-Filmgeschäft, angesichts der Tatsache eines weltweit vorherrschenden religiösen Pluralismus, in ökumenische Fragen verheddert, sieht dieser jemand vor lauter Bäumen den Wald nicht. Die Stunteinlagen sind ausnahmslos EinsA. Der Fiat Iveco wie auch die Londoner Taxis sind doch wirklich niedliche Autöchen und anders als Hyunday, Aurora, Caterpiller, Youtube und Samsung gut platzierte Brands. Und last but not least: In heiligen, geschlossenen Räumen wird nicht gemordet, geboxt oder geschossen! … Nicht einmal Liebe sollte gemacht werden …

Ab dem 1. November 2012 im Kino.

Originaltitel:  Skyfall 007 (GB 2012)
Regie: Sam Mendes
Darsteller: Judi Dench, Daniel Craig, Javier Bardem, Naomi Harris, Ola Rapace, Ralph Fiennes, Bérénice Marlohe und Albert Finney
Genre: Action- / Spionagefilm

Dauer: 143 Minuten
Verleih: Sony Pictures

Trailer

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