Iain Levison: „Hoffnung ist Gift“

Gerechte Strafe?

Iain Levison: „Hoffnung ist Gift“ (Roman)

Das amerikanische Rechtssystem geniesst nicht nur in Europa einen denkbar schlechten Ruf. Zu oft hört man von Tätern, die trotz offensichtlicher Schuld laufen gelassen werden, oder von Unschuldigen, die gar in der Todeszelle landen. Inwieweit dies der Realität entspricht, ist nur eine Frage, der Iain Levison in seinem Roman nachgeht.

Von Stefanie Feineis.

hoffnungistgiftFür Taxifahrer Jeff Sutton ist es ein ganz normaler Auftrag, als er eine Frau vom Flughafen Dallas in eine noble Villengegend chauffiert. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass der kurze Aufenthalt im Haus der Kundin sein ganzes Leben für immer verändern wird.

Verhaftet

Schon am nächsten Tag wird Jeff in seiner Wohnung von zwei Polizisten verhaftet. Erst auf der Wache erfährt er schliesslich, dass ihm vorgeworfen wird, in der vergangenen Nacht die Tochter seiner Kundin entführt zu haben. Angeblich hatte Jeff das Kinderzimmer bemerkt, als er die Frau bat, kurz ihre Toilette benutzen zu dürfen, und dann heimlich das Fenster entriegelt, während sie das Geld holte, um ihn zu bezahlen. Nach Ansicht der Ermittlungsbeamten kommt nur Jeff als Täter in Frage, schliesslich war das Fenster nach Aussage der Hausbesitzerin und deren Haushälterin sonst stets verriegelt, und am Fensterrahmen wurden Jeffs Fingerabdrücke gefunden. Jeff gibt zu, das Fenster berührt zu haben, bestreitet aber die Entführung des Kindes. Auch dafür, dass er gerade in der vergangenen Nacht sein Auto gewaschen hat, gibt es eine harmlose Erklärung: eine betrunkene Collegestudentin, die er aus Mitleid gratis gefahren hat, hatte sich auf dem Rücksitz übergeben. Die Polizisten glauben ihm jedoch kein Wort, und Jeff landet in Untersuchungshaft.

Verurteilt

Da Kinderschänder von anderen Gefangenen nicht nur verachtet, sondern auch häufig misshandelt werden, wird Jeff bis zu seinem Prozess zu seiner eigenen Sicherheit in einer Einzelzelle im Todestrakt untergebracht. Er ist verunsichert und schockiert, glaubt aber fest daran, dass sich alles bald aufklären wird. Doch statt der ersehnten Besserung wird alles nur noch schlimmer: da die Polizei unter grossem öffentlichem Druck steht, schrecken Beamte nicht davor zurück, Beweismittel und Zeugen zu manipulieren. Sämtliche Alternativen und Ermittlungsansätze, die Jeff entlasten könnten, werden ignoriert; und Jeffs Pflichtverteidiger sorgt sich mehr um seinen verpassten Urlaub als um seinen Mandanten. Der einzige, der von Jeffs Unschuld überzeugt ist und ihn davor bewahrt, im Gefängnis verrückt zu werden, ist ausgerechnet Robert, ein gewissenloser Serienmörder, der auf seine Hinrichtung wartet.

Vergessen

Jeff hat schon aufgegeben, als sein Fall am Tag der Urteilsverkündung eine überraschende Wendung nimmt. Von einer Minute auf die andere scheint es, als könne er endlich in sein normales Leben zurückkehren und würde für die zu Unrecht im Gefängnis verbrachte Zeit sogar noch entschädigt. Doch nach ein paar Tagen wird bereits klar, dass nichts mehr so ist wie vorher. Freunde und Arbeitskollegen haben sich von ihm abgewendet und halten ihn zum Teil immer noch für schuldig, seine Taxilizenz wurde eingezogen, seine Wohnung gekündigt. Zudem hat die Zeit im Gefängnis Jeff geprägt und seine Denkweise radikal verändert. Wird er je wieder in der Lage sein, sich im Alltag zurechtzufinden?

Verändert

Levison bringt den Leser dazu, seine Perspektive von Recht und Gerechtigkeit grundlegend zu hinterfragen. Wer ist skrupelloser: ein zum Tode verurteilter Verbrecher, der offensichtlich auf Grund eines Defekts kein Mitleid und keine Reue empfinden kann, oder ein Staranwalt, der seinen Mandanten zunächst durch die Hölle gehen lässt, nur um mehr Geld herauszuholen? Wie ironisch ist es, ausgerechnet im Todestrakt wahre Freundschaft und Respekt zu finden, während man von früheren Freunden verleugnet und vergessen wird? Durch die Ich-Perspektive und den teils ironisch-distanzierten, teils verzweifelt-emotionalen Tonfall fühlt man sich der Hauptfigur nahe, hofft und bangt mit ihm, erfährt Verzweiflung und Verwirrung hautnah. Und genauso wie Jeff ist auch der Leser am Ende des Buches nicht mehr derselbe wie vorher.

Ein unbedingt lesenswertes Buch, das emotional fordert und auch nach der Lektüre noch lange beschäftigen wird.


Titel: Hoffnung ist Gift
Autor: Iain Levison
Verlag: Deuticke
Seiten: 254
Richtpreis: 25.90

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