Laura Kalauz – “Wild Thing“ | Gessnerallee Zürich

Werkstatt der naiven Utopie

Laura Kalauz – “Wild Thing“ | Gessnerallee Zürich

Bild|Copyright: Laura Kalauz
Bild|Copyright: Laura Kalauz

In der Performance-Szene ist die Wahlzürcherin Laura Kalauz eine feste Grösse. Auch in ihrem neusten Projekt “Wild Thing“ hinterfragt sie das menschliche Denken und entlarvt Begriffspaare wie Natur – Kultur oder tierisch – menschlich als soziale Konstruktionen. Nur, dass es diesmal leider nicht wirklich viel zu entlarven gab.

Von Lisa Letnansky.

Laura Kalauz, 1975 in Buenos Aires geboren, wuchs in Argentinien auf und lebt seit neun Jahren in Zürich, wo sie als freie Choreografin arbeitet. Vor allem ihre Zusammenarbeit mit Martin Schick war von Erfolg gekrönt. Für “Title“ erhielten sie am Zürcher Theaterspektakel 2009 den ZKB-Förderpreis und mit „CMMN SNS PRJCT“ tourten sie um die ganze Welt. Darin untersuchten die beiden Performancekünstler die menschlichen Auffassungen von Ökonomie, Handel und Geld, und entlarvten sie als gesellschaftliche Konventionen, die man durchaus hinterfragen kann und in Anbetracht der heutigen Finanzlage vielleicht sogar muss. In ihrem neuen Stück “Wild Thing“ nimmt Laura Kalauz nun wieder eine ähnliche Haltung ein, lässt aber den Blick weg von der Ökonomie und hin zum Animalischen schweifen.

Wenn ich eine Zecke wäre
Wenn man den Raum betritt, hat die Performance bereits begonnen. Nic Lloyd, Cornelia Lüthi und Nele Jahnke bewegen sich affen-, vogel oder katzengleich über die Bühne und geben tierische Laute und Gedanken von sich: “I can feel the wind. It’s nice! I like it!“ Auch wenn Spielereien à la “If I were a tick, I would…“ etwas arg an Isabella Rossellinis “Green Porno“ erinnern, ist damit ist der Grundgedanke, der in der nächsten Stunde von allen möglichen Seiten beleuchtet werden soll, bereits gegeben: Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Was ist natürlich? Was hat es mit diskursiven Konstruktionen wie Kultur, Markt oder Rationalität auf sich? Kann man diese Konventionen hinterfragen, und wenn ja, was geschieht dann? Die drei Performer nutzen beinahe jeden Winkel der Bühne, stellen absurde Berechnungen auf, verschwinden mal im Dunkeln und zerstören in dadaistischer, also sinnferner Manier Unmengen an Plastikbechern. Das Publikum wird mit bedeutungsgeladenen Fragen traktiert: “Am I patriotic, if I pay taxes?“ “Could a monkey be a snob?“ Und immer wieder: “What’s natural?“

Natürlich nicht natürlich
Von diesen Gedankenspielen kann man sich eine Weile mitreissen lassen, fühlt man sich zu Beginn ein wenig in der Konventionsmaschinerie ertappt, zumal der scheinbare Ernst immer wieder mal mit witzigen Scherzen durchbrochen wird. Doch braucht man leider nicht lange, um die Banalität dahinter zu erkennen. “All solutions can be applied to new problems“, wird einmal gesagt, und das ist wohl auch hier der Fall. Unsere Konzeption von Menschlichkeit, das menschliche Gesellschaftssystem, auch unsere Ängste, Wünsche und Vorstellungen sind alle vom Menschen formulierte Gedankenkonstrukte und haben mit dem, was wir uns unter “Natürlichkeit“ vorstellen, nicht mehr viel zu tun. Das ist so, aber das will ja auch niemand bestreiten, und dahinter kommt man im Normalfall bereits im Teenageralter. Daher fragt man sich bald, worauf die Performance wohl hinauslaufen wird, und erinnert sich an das grossartige Stück “Good Cop Bad Cop“, das die niederländische Theaterformation Kassys vor ein paar Jahren am Theaterspektakel aufführte, und in welchem ähnliche Fragen angegangen wurden, indem Haustiere im Reality-Show-Format ihr Tun und Lassen reflektierten. Bei “Wild Thing“ beobachtet man ein wenig irritiert, wie die Performer schliesslich langsam von der Konventionsdekonstruktion ablassen und sich in eine Mischung aus modernen Hippies und Tierschutzaktivisten verwandeln.

Picknick am Pinguin-Pool
Im Storch-, Gorilla-  und Pferdekostüm und mit Megaphonen bewaffnet rufen sie zum Handeln auf: “We open all the cages! We let everything free!“ Gemeint sind damit nicht nur die Gedanken, sondern auch die Tiere in den Zoos. Dann ist es halt in den Parks ein wenig gefährlicher, weil Löwen darin hausen; stattdessen können wir unsere Picknicks dann ja am Pinguin-Pool im verlassenen Zoo abhalten. Hier hinterfragt “Wild Thing“ nicht mehr, sondern proklamiert die ein wenig kindlich und naiv anmutende Utopie von der Gleichheit aller Lebewesen. Daran ist sicher nichts schlecht, aber es ist auch nicht neu und schon gar nicht realistisch. Daher bleibt es leider auch hier bei etwas oberflächlichen Gedankenspielen, und man wünscht sich, dass das Konzept in einer ein wenig elaborierteren Form auf die Bühne gekommen wäre.

Besprechung der Premiere am 14. November 2012.
Weitere Vorstellungen bis am 18. November 2012.

Dauer: etwa 1 Stunde

In Englischer Sprache


Performance
Nic Lloyd, Cornelia Lüthi, Nele Jahnke

Konzept, Regie: Laura Kalauz
Theoretische Beratung, Dramaturgische Mitarbeit: Tomás Bartoletti
Dramaturgische Beratung: Mariana Eva Perez
Produktionsleitung, Assistenz: Mona De Weerdt
Projektmanagement: Gunda Zeeb
Produktion: Nada Especial Tanz


Im Netz
www.gessnerallee.ch
www.laurakalauz.net

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