Martin Bettinger: „Wo der Tag beginnt“
Neuseeland – einmal hin und nie mehr zurück
Martin Bettinger: „Wo der Tag beginnt. Storys aus Neuseeland“ (Kurzgeschichten)
Auf der Südinsel Neuseelands leben Auswanderer aus verschiedenen Ländern. Auch Martin Bettinger kehrt immer wieder an die Golden Bay zurück. Ein Ort, zu welchem er am Anfang ein gespaltenes Verhältnis hatte. Doch die Begegnungen mit den Einheimischen haben ihn davon überzeugt.
Von Luzia Zollinger.
Neuseeland – ein Land, in dem die Welt noch in Ordnung scheint. Zumindest, wenn man der poetischen Legende zur Entstehung glaubt: „Als Gott mit der Erde fertig war, hatte er von jedem Land ein kleines Stück übrig. Einen Berg aus der Schweiz, einen Fluss aus Schweden, eine Wiese aus Irland. Daraus schuf er Neuseeland.“ In breiten Kreisen der Bevölkerung ist Neuseeland wegen der Verfilmung von „Herr der Ringe“ bekannt. Doch so wohlklingend, ja fast schon zauberhaft anmutend sich die Legende liest, so hart wird wohl mancher auf die Welt kommen, wenn er sich in Neuseeland mit Kultur und Leuten auseinander setzt. Genauso wie der Autor Martin Bettinger.
Im Bann der Golden Bay
Der Germanist und Philosoph Bettinger hat mehrere Jahre in Neuseeland verbracht. Als er zum ersten Mal dort war, wollte Bettinger sofort wieder weg. Eine Herberge mit dem Schriftzug „Welcome to Paradise“ in Golden Bay hatte ihn willkommen geheissen. Den Namen fand der Deutsche übertrieben und womit sich die Bewohner beschäftigten, hatte er bereits im wöchentlichen Anzeigenblatt gelesen: „Togetherness, Hypnose, Karma, Tantra der Liebe.“ Diese Wörter waren definitiv genug für ihn. Doch es gab ein Problem: Aus Golden Bay kommt niemand so schnell wieder weg. „Um in die Bucht zu gelangen, muss man mit dem Auto einen achthundert Meter hohen Pass überwinden, und um rauszukommen muss man die gleichen Serpentinen zurück.“ Es gibt weder einen Bahnhof noch Fähren. Bettinger blieb und reist seit jenem Aufenthalt immer wieder an diesen Ort zurück.
In mal längeren, mal kürzeren Geschichten bringt uns Bettinger die Bevölkerung von Neuseeland näher. Die Begegnungen mit den Menschen – viele sind aus Europa eingewandert – sind skurril, humorvoll, verwirrend und oft sehr wortkarg. Manche Kurzgeschichten lesen sich wie Gedichte, andere wie wirkliche Geschichten.
Das Fernweh stillen
Dem Deutschen gelingt es, dem Leser Neuseeland näher zu bringen. Aber manche Begegnungen sind so skurril, dass sie der Leser in den wenigen von Bettinger beschriebenen Wortfetzen schlichtweg nicht versteht. Wer Neuseeland und dessen Kultur noch nicht kennt, wünscht sich zwischendurch deshalb einige zusätzliche Erklärungen. Und trotzdem kommt am Ende der Wunsch auf, nach Neuseeland zu reisen und die Sehnsucht und das Fernweh zu stillen: „Ich möchte dir gerne eine Postkarte schreiben von einer Landschaft, zu der ich gehe, um mir Stille zu holen. Wenn ich könnte, würde ich dir diese Postkarte schreiben in der Sprache, in der dieses Land mir erzählt. Ohne ein einziges Wort.“
Titel: Wo der Tag beginnt. Storys aus Neuseeland.
Autor: Martin Bettinger
Verlag: Conte Verlag
Seiten: 192
Richtpreis: CHF 22.90