Digitale Spiele: Jahresrückblick 2012

Digitale Spiele: Jahresrückblick 2012

Das Bemerkenswerteste im Bereich Digitale Spiele

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Die Redaktion blickt zurück auf ein turbulentes Jahr für das Medium Videospiel. Nicht nur persönliche Höhe- und Tiefpunkte der 2012er-Spieleerfahrung werden erwähnt, sondern auch die wichtigsten Diskussionen, Debatten und Entwicklungen im Feld.

RUDOLF INDERST
PETER KLEMENT
NORMAN VOLKMANN
DANIEL APPEL
JAN FISCHER
CHRISTOF ZURSCHMITTEN
VOLKER BONACKER


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RUDOLF INDERST

Innigster Spielmoment:

Mass Effect 3: Der Abschluss der besten Trilogie der aktuellen Hardware-Generation. Es ist in meinen Augen äußerst beschämend, dass man seitens der Entwickler ernsthaft einknickte und ein “verbessertes” Ende anklebte. Mein Tipp: Besser auf die Silent Majority hören – nicht dem Ludo-Wutbürger folgen!

Halo 4: Ja, es hat funktioniert. Wie groß war die Sorge! Wird es das neue Studio schaffen? Wiegt das Bungie-Erbe zu schwer? Im Gegenteil. Halo 4 ist nicht nur das schönste Halo aller Zeiten, sondern eines, das sogar Herz für eine Einsen-und-Nullen-Romanze aufblitzen lässt.

Spec Ops: The Line: Abgesehen davon, dass die Spielinhalte des konventionellen Shooterbetriebs die sorgsam aufgebaute, an manchen Stellen nicht sonderlich subtile Antikriegsstimmung zertrümmern, ist Spec Ops: The Line vielleicht der entscheidende door opener für ein Hurra-Bleigewitter-Genre. Ich jedenfalls werde den Phosphor-Angriff nicht so schnell vergessen.

Mehrspieler-Gewinner:

Borderlands 2: Kein anderer Titel hat mir dieses Jahr im Multiplayer so viel Spaß gemacht wie Borderlands 2. Es ist fantastisch, zusammen die unterschiedlichen Schauplätze zu bereisen und die diversen Aufgaben und Abenteuer zu erleben. Durch die unterschiedlichen Spezialfähigkeiten kann sich jedes Gruppenmitglied individuell einbringen – oder einfach nur die Schatzkisten öffnen, während die restlichen Mitglieder unter Beschuss stehen.

Call of Duty: Black Ops 2: Keine innige Liebe, aber die meisten Spielstunden fanden eben doch hier beim Action-Routinier statt.

Schönste Überraschung:

Asura’s Wrath: Ja, alle “Das-ist-ja-gar-kein-Spiel-”Jammerer können sich gerne und öfter die Fäuste in die Augen stopfen vor Zorn. Nicht mein Problem.

Beste Marketingkampagne:

Borderlands 2: Sehr gute Trailer, eine unheimliche gute Pressebetreuung und der Auftritt auf der Gamescom 2012 samt Maler-Action sichern Borderlands 2 zurecht diesen Titel. Wub! Wub!

Bester Soundtrack:

Forza Horizon: Eine Playlist, die man blind auch so im Club laufen lassen könnte, ohne dass sich jemand 90 min langweilt. Alles richtig gemacht.

Journey: Ein leises Meisterwerk, das kaum einen Zuhörer kalt lassen dürfte. Die Grammy-Jury übrigens auch nicht.

Bester Trailer:

E3-Trailer von ZombiU: Bitte was? DAS soll auf der neuen Nintendo-Konsole als Starttitel laufen? Und ob! Wenn es schon Capcom verlernt hat, so zeigt Ubisoft de Konkurrenz, wie zeitgemäßer Survival Horror aussehen kann. Und der Trailer dazu hat die Münder offen stehen lassen.

Bestes HD-Remake:

Tony Hawk’s Pro Skater HD: Wenn auch etwas an den Schwerkraft-Reglern herumgespielt und der Soundtrack verändert wurde, geht doch nichts über “nur noch eine kleine Runde” im Warehouse. Schlimmer als Crack.

Bestes Voice-Acting:

Max Payne 3: “There are two kinds of people: ones that are trying to build their future and ones that are trying to rebuild their past.” James McCaffrey ist die Bombe. Once again. Ich brauche ihn dringend für meine Mailbox-Ansage.

Bestes Artwork:

Sleeping Dogs: Alles, was sich weiße Mittelstandsbubis wünschen, die mit John-Woo-Filmen aufwuchsen, setzte das Artwork von Sleeping Dogs um. Bravo.

Bestes Xbox-Live-Spielerlebnis:

The Walking Dead: Keine lausige Versoftung vom Planeten C, sondern ein mehrteiliges, emotional-packendes und spannendes Untoten-Drama. Vorbildliche Adaption des Urstoffes.

Größte Enttäuschung:

Call of Duty: Black Ops Declassified: Das Spiel war für mich der Kaufgrund der Konsole. Und nun stehe ich da. Mit der Konsole. Und diesem Spiel. Was habt Ihr nur getan, Ihr Narren!

007 Legends: 50 Jahre Bond – und das soll das Spiel dazu sein? Wie kann man sich dafür nicht schämen?

Schade:

Call of Duty: Black Ops 2: Ich kann meine KIAs nicht mehr addieren. Und wieder kein Commando-Perk. Boring!

2012er-Videospiele, die ich mir als Film wünsche:

Yakuza: Dead Souls, I Am Alive, Lollipop Chainsaw, Tokyo Jungle, Binary Domain.

Bester Film zum Spiel:

Ace Attorney (Kein Einspruch!)

Spielethema 2012:

Bleiben jetzt die Blogger vor den Türen der gamescom oder nicht? Und was machen sie dann davor? Außerdem: Die Hasskampagne gegen die kommende, Kickstarter-gefundete Tropes-VS.- Women-in-Video-Games-Doku (von Anita Sarkeesian). Christian Schiffer nimmt Geld in die Hand und stampft das Game- Culture-Bookzine WASD aus dem Boden. Spielepresse-Verlage kaufen wie verrückt kleine Onliner ein – egal, ob IDG oder Computec: Wahrscheinlich werden am Ende die beiden wiederum von Springer gekauft. Alle Trailer ballern mit Dubstep um sich, wird es 2013 so weiter gehen? Was nicht bei drei auf den Bäumen ist, probiert sich als Kickstarter-Projekt. Tablet-Vielfalt explodiert, Mobiltelefone werden immer stärker – Spiele finden überall statt. F2P ist nicht aufzuhalten? Ich leiste Widerstand. Noch. Bleibt zwischen AAA und Indie noch Platz? Anscheinend nicht…siehe THQ. Der ungeliebte kleine Bruder Gamification greift weiter und weiter um sich. Geben wir ihm eine Chance. Und natürlich hielt mich der Umzug unseres TITEL-Kulturmagazin-Spieleressorts zu nahaufnahmen.ch in Atem. Ich bin froh, dass dies so gut klappte.

Leider 2012 keine Zeit gehabt für:

Dear Esther, Dishonored, Far Cry 3, Hitman, Hotline Miami, Assassin’s Creed 3, I am Alive.

Und 2013?:

Wenn 2013 tatsächlich das letzte Konsolenjahr für die aktuelle Hardware-Generation sein sollte (ich glaube es nicht), könnte es ein fantastisches Finale werden – alleine schon GTA V, Bioshock: Infinite, Battlefield 4, Injustice: Gods Among Us, Watchdogs und The Last of Us sollten Hände allen Ortes in reibenden Zustand versetzen. Persönlich freue ich mich auf satte Koop-Action in Dead Space 3, Army of Two: The Devil’s Cartel, Gears of War: Judgement, Earth Defense Force 2017 (endlich Neues für die Vita?) und traue mich alleine vielleicht auch an Tomb Raider, Aliens: Colonial Marines, Metal Gear Rising: Revengeance, Metro: Last Night und Grid 2 ran…und kommt Diablo 3 auf Konsole oder nicht? Ach, und fast hätte ich Dust 514 vergessen.

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PETER KLEMENT

Innigster Spielmoment:

»You know what, I have more tanks than they have bullets, WAHAHAHAHA« war der Satz, der am Ende einer Partie in Wargames: European Escalation fiel, kurz darauf fuhren hunderte Schützenpanzer mitten ins Kreuzfeuer und brachen trotz horrender Verluste durch die Verteidigungslinie. Ich erinnere mich, wie ich mit offenem Mund dasaß und den Ausführungen meines polnischen Mitspielers lauschte, der mir erklärte, dass das nunmal der Plan gewesen wäre, falls der kalte Krieg heiß geworden wäre. Mir als technologiegläubigem Deutschen jagte das einen kalten Schauder über den Rücken. Doch interkulturelles Lernen ist eben auch eine Ebene des digitalen Spiels.

Mehrspieler-Gewinner:

Auch 2012 bleibt Battlefield 3 eines der atmosphärisch beeindruckendsten Multiplayererlebnisse: Die überragende Soundkulisse und der clevere Einsatz von automatischen Statusmeldungen jeder Spielfigur sorgen für ein Spielerlebnis irgendwo zwischen Michael Bay und Saving Private Ryan. Die zahlreichen Fahrzeuge geben SpielerInnen eine Herausforderung, die es zu meistern gilt, denn Helikopter oder Jets zu fliegen wurde von einigen schon zu einer regelrechten Kunst erhoben.

Beste Soundtracks:

Der Black-Mesa-Soundtrack von Joel Nielsen: Eine verboten gute Mischung von elektronischer Musik, die einem die Gänsehaut über die Haut jagt, während man als Doktor Freeman durch den Aliens überrannten Forschungskomplex in der amerikanischen Wüste schleicht.

Der Soundtrack von Hotline Miami ist das, was die SpielerInnen dazu motiviert immer und immer wieder mit Vergnügen in den sicheren Tod zu rennen. Schleichend fressen sich die schrägen Klänge ins Hirn und bringen einem ein Flowerlebnis, das ohne heftiges Gestikulieren nur schwer zu beschreiben ist.

Bester Trailer:

Kurz, knackig, Battlefield 3: Zweiminütige Explosionen aus Action, Schießereien und…MEHR EXPLOSIONEN. Abgeschlossen mit einem knackigen Dadadadandam. Wham! Bam! Thank you ma’am!

Beste Marketingkampagne:

Muss neidlos 2K zugestanden werden. »WUB, WUB« verbreitete sich durch das Internet wie eine Seuche und hämmerte sich unerbittliche in die Köpfe der SpielerInnen. Der Dubstep wird uns wohl deswegen wohl noch eine ganze Weile begleiten.

Größte Enttäuschung:

Diablo III: Butcher Runs ad infinitum, eine Loot-Wüste ohne Aussicht auf Erlösung, eine stumpfe und doofbrotige Story, unter dem Fleischklopfer der Massentauglichkeit flachgeprügelt, im Endgame endlose Einzelspielerruns. Fanboi Jesus wept! Es bleiben nur Leere und Hass. Warum hast du uns verlassen Blizzard! WARUM!?

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NORMAN VOLKMANN

Innigster Spielemoment:

The Walking Dead: Nachdem mich die zweite Staffel der Fernsehserie maßlos enttäuschte, orientiert sich die erste Staffel von Telltale genau dort, wo die Stärke der Serie liegt: bei den Comics. Viele gemeine Entscheidungen, die eine ganz neue Spielerfahrung vermitteln. Sprachlosigkeit und ein komisches Bauchgefühl als ständige Begleiter. Und ganz nebenbei etabliert Telltale einen Kindercharakter, der kein Klotz am Bein ist, sondern um den man sich wirklich sorgt.

Far Cry 3: Mein persönliches Skyrim. Nette Story, wenn auch der Realitätsanspruch weiter zurückbleibt, als anfangs vermutet. Jagen, entdecken, fahren, fliegen, kämpfen, tätowiert werden – Rook Island ist ein riesiger Abenteuerspielplatz und scheinbar ein Exil für Durchgeknallte.

NBA 2K13: Jawohl, ein Sportspiel! Und was für eins! Die 2K-Reihe gehört jedes Jahr zu dem Besten, was man an Sportsimulationen finden kann. Und es ist kein Fußball, das gibt einen Multiplikator von 10. Mit verbessertem MyCareer-Modus und Detailverliebtheit von Basketball-Nerd-Entwicklern jedes Jahr aufs Neue ein Muss für mich.

Mehrspieler-Gewinner:

Auch wenn es nicht 2012 erschien, aber Battlefield 3 hat mich seit dem Kauf einer neuen Grafikkarte im Sommer fest im Griff. Wunderschöne Grafik, unheimlich spaßige Spielmodi und einer dieser Titel, die ich mir selbst als Konsolenspieler auf der Konsole nicht vorstellen kann/möchte.

Bestes Comeback:

Max Payne 3 führte mich zurück in die Zeit als PC-Videospiele für mich noch Neuland waren. Und wie! Der relativ monotone Ablauf des Spiels fällt kaum ins Gewicht, wenn der Hauptcharakter so dargestellt wird wie Max Payne. Was für ein erbärmlicher Sack, was für ein cooler Typ. Was man hier an Zitaten rausziehen kann, Wahnsinn!

Bester Soundtrack:

Hotline Miami hat da ganz klar die Nase vorn. 10 Minuten gespielt und ich wusste, dass ich mir die beiden EPs von M|O|O|N direkt kaufen muss. Das empfehle ich auch allen anderen, denen der Soundtrack gefällt. Als klarer Elektro-Nichtkenner für mich ein schöner Einstieg in ein mir zuvor fremdes Genre. Gilt übrigens genauso auch für das Spiel.

Bester Trailer:

Far Cry 3: „Did I ever tell you the definition of insanity?“ Als jemand, der vom Vorgänger maßlos enttäuscht war, weckte der Trailer sofort Interesse an Teil 3. Insgesamt nur ein winziger Ausschnitt aus dem riesigen Abenteuer, das Far Cry 3 ist, aber dennoch beeindruckend.

Spielethema 2012:

Diese unsägliche Reaktion im Hinblick auf das Ende von Mass Effect 3. Ohne es bisher selbst erlebt zu haben, diese Gemeckere von Fans weltweit wirft ein Bild auf SpielerInnen, das man lieber nicht bestätigt wissen möchte. Dass Bioware dann letztendlich nachgab, ist ebenso furchtbar.

Größte Enttäuschung:

Ich schätze mich glücklich, dass ich dieses Jahr jeder Gurke gekonnt aus dem Weg gegangen bin und hier gar keinen Titel listen kann. Puuh.

Ausblick für 2013:

Natürlich will ich neue Hardware. Und Spiele? GTA 5. GTA 5. Ach und GTA 5 kommt ja wohl auch im Frühjahr. Außerdem lässt mich das Inselthema nicht los: So plane ich einen Urlaub mit Zombies bei Dead Island: Riptide und will Lara Croft in Tomb Raider durch ihr erstes Abenteuer steuern (oder sie vor den bösen, starken Männern beschützen?). Und dann kommen ja auch noch South Park: Stick of Truth, Metro: Last Light, DayZ als Retail und ohne nerviges Zusatzprogramgedöns und vielleicht sogar Prey 2. Und wie jedes Jahr: hoffen auf ein Zeichen zu Half Life 3.

Nachsitzen:

Allein in diesem Jahr hat sich still und heimlich viel angesammelt. Mass Effect 3 steht noch immer ungespielt im Regal, Halo 4 wartet zum Weihnachtsfest, Spec Ops: The Line ist schon in der Steambibliothek geparkt und auch Black Mesa sollte noch beendet werden.

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DANIEL APPEL

Innigster Spielmoment:

Dear Esther: Bei Dear Esther tatsächlich von einem “Spielmoment” zu sprechen erscheint mir bis heute äußerst gewagt. Eigentlich habe ich ja im engeren Wortsinne gar nicht gespielt. Trotzdem bin ich im Laufe der vergangenen Monate öfter als zehn mal über die kleine schottische Hebriden-Insel geirrt, habe an die Wände gekritzelte Strukturformeln in meinem alten Chemiebuch nachgeschlagen (“Ah, Ethanol – daher diese Vertrautheit”), gefühlte dreitausendsiebenhundertachtundfünfzig Screenshots von den genial beleuchteten Höhlen gemacht und in jedem Durchgang noch genauer hingesehen, um auch den kleinsten Details auf dem Eiland ihren symbolischen Storybezug zu entlocken. Und das Storytelling (im wahrsten Sinne des Wortes) hatte es faustdick hinter den Ohren: Die Verlesung der zufällig angeordneten Storyversatzstücke, die den Briefen, Erzählungen und Gedanken dreier Personen entnommen sind, lassen zunächst nur die Gemeinsamkeit erkennen, dass sie alle in verschiedenen Epochen über diese Insel wandelten. Wer sie waren, warum sie hier waren, warum ich hier bin und was wir alle mit Paulus auf seinem Weg nach Damaskus gemeinsam haben? Die Antworten ergeben sich aus dem virtuos angelegten Zusammenspiel zwischen dem was ich sehe, dem gerade verlesenen Storyfragment und meiner stets auf Hochtouren arbeitenden Fantasie – und sie sind nie eindeutig und endgültig. Was das kleine Indie-Studio thechineseroom hier geschaffen hat ist weniger Spiel als eine echte narrative Neuerung; ein digitaler Hybrid aus Briefroman und Bilderbuch für Erwachsene – eine virtuelle Erfahrung. Ein Titel der in meinen Augen auch weit über 2012 hinaus nicht nur relevant, sondern wichtig ist.

I am Alive: Möglicherweise ist I am Alive einer dieser Titel, aus denen etwas wirklich Großes hätte werden können, wenn…ja, wenn man dem Projekt nicht damals bei Ubisoft aus kommerziellen Erwägungen den Saft abgedreht hätte. Dieses Spiel hätte all die großartigen Alleinstellungsmerkmale rund um moralische Entscheidungen, Emotionen und Zwischenmenschliches vorwegnehmen können, für die The Walking Dead derzeit zu Recht gelobt wird. Leider kam es nicht so und aus dem vielversprechenden Endzeit-Epos ist eher ein unfertiges Kleinod geworden. Ein ungeschliffener Diamant, wenn man so will. Denn in seinen starken Momenten macht der Rundgang durch die mysteriöse Endzeitkulisse der halb-zerstörten Stadt Haventon vieles richtig: Echte Survival-Stimmung durch meine begrenzte Wehrhaftigkeit, die ständige Bedrohung durch den lebensfeindlichen Erdbebenstaub, der mich auch mal auf abenteuerliche Abwege zwingt und spannende Konfliktsituationen mit anderen Überlebenden. Spaß macht das kleine Download-Abenteuer auch so eine Menge, aber ein weinendes Auge bleibt bei mir zurück, ob all der verschenkten Potenziale.

Mass Effect 3: Die Meinungen über Mass Effect 3 gehen ja bekanntlich meilenweit auseinander. Meine Eigene auch: Als Abschluss einer Trilogie, der ich bis dato viele spannende Stunden zu verdanken hatte, kam ich natürlich nicht umhin mich im dritten Teil mit meinem sorgfältig herangezüchteten Shepard in die letzte Schlacht gegen die Reaper zu stürzen. Und tatsächlich: Wenn man kein RPG erwartet, ist Mass Effect 3 ein nettes Spiel. Das Kampfsystem ist für einen Gears-of-War-Klon nach wie vor in Ordnung, es gibt ein (mehr oder weniger freudiges) Wiedersehen mit vielen alten Bekannten und durchaus anrührende Momente in der konsistenten Storyline, die viele meiner früheren Entscheidungen berücksichtigt. Das Universum mit seinen vielfältigen Rassen, Planeten und Eigenheiten ist immer noch unglaublich interessant, macht Lust auf mehr. Und auch grafisch ist man spürbar am Limit dessen, was auf der XBOX 360 geht…

Die größte Spiele Enttäuschung 2012:

…aber, liebe Jungs und Mädels von Bioware: Wo genau sind eigentlich die versprochenen zusätzlichen RPG-Elemente? Warum gibt es noch weniger Erkundungsmöglichkeiten? Warum kann ich mit so wenigen Charakteren auf der Citadel interagieren? Wo sind denn auch nur ansatzweise anständige Nebenquests? Warum muss die Dramaturgie in jeder Hauptmission Schema F folgen? Warum habe ich nach meinem Start als großer Diplomat fortan nur noch das Gefühl ein Laufbursche zu sein? Warum haben die Romanzen und die emotionale Bindung an meine Crew weniger Stellenwert als in Teil 1 und 2? Warum verkommt das gesamte Spiel nach dem ersten Drittel zu einer großen Kriegsposten-Sammelquest?

Diese Fragerei ließe sich noch lange fortsetzen – aber letzten Ende kulminieren all diese Fragen in einer einzigen großen: Warum habe ich das Gefühl, dass alles mit der heißen Nadel gestrickt wurde? Statt einem epischen Abschluss, werde ich durch ein arcadiges (zugegeben streckenweise sehr unterhaltsames) Vollpreis-Addon gejagt, in dem mir sowohl die RPG-Elemente, als auch die Illusion eines lebendigen Universums fehlen. Ganz zu Schweigen vom emotionalen Abschluss, den eine solch Geschichte verdient hätte – da spielt es auch keine Rolle mehr, ob man das neue oder das alte Ende als Maßstab heranzieht. Und so drängt sich mir persönlich der Eindruck auf, dass letztendlich auch bei Bioware die aktuellen Quartalszahlen über die Idee eines guten, komplexen RPG gesiegt haben. Meine persönliche Enttäuschung 2012!

Das bedeutsamste Ereignis der Industrie 2012:

Auf die Gefahr hin, fortan als Fanboy verschrien zu sein: Habt ihr schon den Phantom Pain-Trailer gesehen? 😉

Überraschung 2012:

Ich hätte ja nie gedacht, dass es in der Kategorie “Portierung eines Desktopspiels auf ein Mobile-Device” jemals etwas löbliches zu berichten geben würde, aber ich wurde eines besseren belehrt. Die iPad-Adaption von The Walking Dead ist mehr als eine stumpfe Portierung. Die Episoden wurden zwar spielmechanisch und grafisch ein klein wenig entschlackt, bieten dafür aber erzählerisch dasselbe großartige Erlebnis wie ihre jeweiligen Konsolen/PC-Brüder. Wer viel unterwegs ist und seine knappe Zocker-Freizeit nicht mit Herumschleudern albernen Vögel verschleudern möche, sollte Telltale von ganzem Herzen für diese einwandfreie Mobilerfahrung danken und voller Vorfreude schon mal die BahnCard für möglichst lange Zugfahrten zücken.

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JAN FISCHER

Best 3 Games Of 2012

Botanicula: So schön. So wunderwunderschön. Und die Musik. Und die Farben. Und die Figuren. Und so schön. Das verdrogteste Spiel des Jahres. Ich könnte die ganze Zeit einfach nur auf den Bildschirm starren und es als Lavalampe benutzen. Und man kann es auch noch spielen.

Tiny and Big: Zugeben, ich bin da ein bisschen voreingenommen: Ich habe die Entwickler für eine Reportage getroffen, und habe mich in das Spiel verliebt, bevor ich es jemals gesehen hatte. Warum? Es wurde im Raum Nummer 1337 irgendeiner Nebenstelle der Universität Kassel entwickelt. In dem Raum kleben David-Hasselhoff-Poster an der Wand. Und auf eine bizarre Weise löst das Spiel genau das ein. Spielphysik-Entdeckung 2012.

Angry Birds Space: Das Spiel, das ich im Jahr 2012 am meisten gespielt habe. Wirklich. Mit den meisten Nahverkehrszügen meiner Region darf ich nicht mehr fahren, weil ich ständig sowas schreie wie: „Ihr Scheißschweine, das kann doch nicht sein!“. Auch wieder: Großartige Spielphysik. Großartiges Sequel.

Die größte Spiele-Enttäuschung 2012

Chaos auf Deponia: Damit stehe ich wahrscheinlich ziemlich alleine da. Aber trotzdem: Nach dem ersten Teil hatte ich Großartiges erwartet. Und was passiert? Nach einer halben Stunde Cutscenes und Rückblenden, in denen größtenteils irgendsoein Hipster-Gitarrist sich selbst viel zu geil findet, darf ich endlich mal das Spiel spielen. Und stelle fest: Es findet seinen eigenen Humor großartig. Ich nicht.

Größtes Ereignis der Spiele-Welt 2012

Das MoMA findet, digitale Spiele seien Kunst, und triggerte damit eine wunderbare Feedback-Schleife.

Spiele, die ich 2012 viel zu spät entdeckte, obwohl sie schon älter sind

Space Pirates and Zombies: Von 2011, es war in irgendeinem Indie-Bundle. Und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört, es zu spielen. Krempel einsammeln. Hunderte von Sternensystem. Schlachten zwischen den Sternen. Zombies. Kopfgeldjäger. Ich bin anfällig für so etwas.

Fable III: Niemand hat mich jemals auf diese Spiel aufmerksam gemacht. Niemand. Ich dachte, es wäre nur so ein Ding, wo man Quests erfüllt, und Waffen durch die Gegend schleppt, und irgendwann hat man dann das Böse besiegt. Aber dass man selber das Böse werden kann? Dass es voller viel zu schwerer moralischer Zwickmühlen steckt, und nicht vorbei ist, wenn man dann endlich mal König ist? Sondern danach in diese Wirtschaftsimulation kippt? Mein Wunsch für 2013: Ich möchte informiert werden, wenn so etwas passiert.

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CHRISTOF ZURSCHMITTEN

Innigster Spielmoment:

Die Intensität der schicksalsschweren Sekunden, in die jedes XCOM: Enemy Unknown-Gefecht zerfällt, habe ich für Titel schon beschrieben; wie  Dragon‘s Dogma dem Rollenspiel Körperlichkeit verpasst und damit zur Wunscherfüllungsmaschine für Fantasy-Fans wird, ebenfalls. Spannender schien mir allerdings, was sich abseits des AA(A)-Sektors tat: Die zuckende Rage-Trance von Hotline Miami, die wohlig unpeinliche Anteilnahme am Schicksal der Anti-Helden in The Walking Dead und das messerscharfe Edelschleichdesign von Mark of The Ninja wurden hier oder in anderen konsensfähigen Listen wie der auf Gamasutra und Rockpapershotgun bereits zur Genüge notiert. Persönlich blieben mir nur drei Spiele zu erwähnen:

Jasper Byrnes Lone Survivor verpasst unheimlich verdichtet dem Survival Horror ein neues Gesicht, das, wie Dennis Kogel so schön beschrieben hat, ein durch und durch persönliches ist.

Das schäbigen Seiten abstruser Sci-Fi-Comics entsprungene Dark Scavenger darf gleich für zwei Dinge stehen: Den mir immer mehr ans Herz wachsenden Trend, das Computerspiel zum Wahlmedium für Anhänger der guten alten Anything Goes- und Seriously WTF?!-Schule zu machen. Und die unverhoffte Renaissance der Visual Novel und des Text-Adventures. (Obwohl: Dark Scavenger ist keines von beidem, sondern ein sehr, sehr eigenes und leise im Ecken gluckerndes Biest.)

Und schließlich war Dikembe Mutombo’s 4 1/2 Weeks to Save the World die größte Hinterrücksüberraschung des Jahres: Ein browserbasiertes Werbe-Spiel, für das mehrere Lichter der Indie-Szene im Wochentakt obskure Anweisungen der Marketingetage umsetzen mussten, wie etwa: „We’re going to be doing a Battletoads-style level where you’re descending down the throat of America through the use of a jetpack throwing election ballots to people dancing ‚Gangnam Style‘ on little ledges in the throat while avoiding disco balls before having a boss fight with the state of Ohio.“ Das Ergebnis ist unberechenbar, unterhaltsam, und das zweitbeste basketball-basierte Weirdo-Spiel aller Zeiten.

Größte Enttäuschung:

Vorab klang alles so furchtbar richtig: Eine Welt, die den im Medium so seltenen Spagat zwischen erkennbarer Gegenwart und modernen und traditionellen Mythen leistet. Ein Spiel, das den magischen Kreis sprengt und irgendwo zwischen Online-Rollenspiel und Alternate Reality Game die Grenzen zwischen Spiel und Lebenswelt pöros werden lässt. Ein Fokus auf starke Charaktere und ungewöhnliche Orte, mit dem Kopf hinter The Longest Journey am Ruder. Doch dann kam The Secret World heraus, und entpuppte sich unter alledem als erschreckend gewöhnliches Spiel, das zu viele Eingeständnisse an das MMO-Gerne machte und zwischen suppigen Kämpfen keine eigene Identität finden konnte. Was bleibt ist ein bitterer Nachgeschmack, schwindende Spielerzahlen und der liebevolle Gedanke an das Single Player-Rollenspiel, das hätte sein können.

Sonst noch bemerkenswert:

2012 war zweifelsohne eines der bewegtesten und spannendsten Jahre für die Spiel-Welt seit Menschengedenken. Nicht nur (aber durchaus auch) dank einer Fülle großartiger Spiele. Die vermutlich entscheidenderen, größeren Entwicklungen im Feld hielt Alec Meer dankenswerter Weise bereits im Oktober fest. Mein persönliches Highlight des Jahres aber waren die vielen neuen, klugen, gewitzten, engagierten, brillanten und gelegentlich obszönen Stimmen, die in 2012 erstmals (oder zumindest lauter denn je) vernommen werden konnten und an Orten wie Nightmare Mode zueinander fanden. Darüber dass dank u.a. Tracy Lien, Patricia Hernandez oder Cara Ellison einige der hörenswertesten dieser Stimmen weiblich sind, darf man sich doppelt freuen in einem Jahr, in dem das Ausmaß des Sexismus in der Game-Industrie und -Kultur deutlicher wurde denn je.

In 2012 nachgeholt:

Der ungebrochene Siegeszug der digitalen Vertriebswege macht das Füllen der Wissenslücken in der Spielhistorie einfacher denn je. 2012 war ein Jahr der Neuentdeckung älterer Spiele, die sich vor den Jungspunden nicht zu verstecken brauchen: Die in The Secret World vergeblich gesuchte  geheimsnisumwobene Gegenwart bot mir Vampire The Masquerade: Bloodlines, während die zähflüßige Schwerelosigkeit der MMO-Kämpfe in mir das unheimliche Bedürfnis weckten, die markige und überdimensiorte Reibung der Wuchtbrummen-Prügeleien in Bayonetta zu erfahren. Als die Welt den Abschluss der Twilight-Mär schaute, entdeckte ich das architektonische Wunder von Castlevania: Symphony of The Night. Die BMX-Jagden in Attack The Block ließen mich den Drahtesel in Bully freispielen, und über den Bankrott der Stalker-Macher GSC Gameworlds trösteten mich die Verzweiflung atmenden Tunnel in Metro 2033 hinweg. Die kostenlose PC-Version von Spelunky sollte, pünktlich zum Launch der weniger kostenlosen XBOX-Version, nur kurz angetestet werden, verschlang dann aber meine Zeit mit (endlos in Speerfallen perforierter) Haut und (an zahllosen Tiki-Flammen) versengten Haaren. Und schließlich durfte ich anlässlich des Launchs der Kickstarter-Kampagne für einen Nachfolger erstmals Barkley Shut Up And Jam: Gaiden spielen und feststellen, dass es tatsächlich das beste basketball-basierte Weirdo-Spiel aller Zeiten ist.

Wie wird 2013?

Spannend, dank der Kickstarter-Welle. 2013 wird zeigen, wie mitreißend diese wirklich ist. Ich selbst habe jedenfalls schon zahlreiche Wetten auf die Zukunft abgeschlossen und harre zuversichtlich der Dinge, die da kommen werden.

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VOLKER BONACKER

Das Spielejahr 2012 wird mir als ein Jahr des Überflusses und mangelnder Kritik verschiedener Entwicklungen innerhalb der Spieleindustrie in Erinnerung bleiben. Von More of the Same über DLC-Politik bis Sexismus-Debatten hat sich aus meiner Sicht 2012 mehr denn je gezeigt, dass sowohl spielende Menschen als auch über Spiele berichtende Medien unterschiedliche Wissensstände haben, die teils dringend nötige Diskussionen erschwert bis unmöglich gemacht haben. Beginnen wir aber zunächst mit den erfreulichen Dingen.

Es hat im aktuellen Jahr eigentlich kaum ein schlechtes Spiel gegeben. Zu hoch sind Produktqualität und deren Sicherstellung mittlerweile, als dass noch wirkliche Totalausfälle veröffentlicht würden. Wenn ich die Liste der von mir im Jahr 2012 gespielten Games durchscrolle, fällt mir kein Titel ins Auge, der mir absolut negativ in Erinnerung geblieben ist. Sicher, in vielen wäre etwas mehr drin gewesen („I am Alive“), während andere soliden Durchschnitt – aber eben auch nicht mehr oder weniger – boten („The Amazing Spider-Man“) und echte Innovationen zumindest in meinem Spiele-Universum eher eine Rarität geblieben sind („Fez“). Wirklich „schlechte“ Titel sind dafür ebenso ausgeblieben, ich erinnere mich nicht an ein Spiel, das ich begonnen und aufgrund seines miserablen Designs, unüberwindbarer Bugs oder grausamer Mechanik nicht weiter verfolgt hätte. Halt, stimmt nicht: „Inversion“ war so ein Fall. Na also, immerhin eines.

Abseits davon galt: Im Mainstream-Westen nichts Neues. Spiele, die 2012 zu Millionensellern avancieren wollten, mussten dafür vor allem auf Altbekanntes setzen. Sicher, „Borderlands 2“ ist ein großartiger Spaß, „Max Payne 3“ ebenfalls, auch „Darksiders 2“ und „Trials Evolution“ haben sich eine Nennung redlich verdient, „New Super Mario Bros. 2“ ebennfalls. Doch was war hier wirklich „neu“? Eigentlich kaum etwas. Und SpielerInnen haben’s hingenommen, geradezu erwartet. Mainstream-Games 2012, das heißt aus meiner Sicht: More of the same. Und bitte nichts wagen. So sehr man die Innovationsarmut angesichts des Umstandes, dass Spiele für viele Firmen als Investition (und weniger als Kunst) gelten, verstehen mag, so traurig stimmt es einen doch, wenn auf die Frage, was denn gegenüber dem Vorgänger am Sequel Neues sei, kaum etwas einfallen mag.

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Was Innovation betrifft, hat der Kommerz dem Underground quasi das Feld überlassen: Indie ist damit einerseits ein Qualitätsversprechen geworden, andererseits auf dem besten Wege, der neueste, heiße Scheiß zu werden – die Verkaufszahlen einzelner Games belegen das eindrucksvoll. Auch der Umstand, dass Games wie „Journey“ als Indie gelten, obschon ein Millionen-Budget dahintersteckt, zeigt: Die Grenze zwischen dem, was noch Independent ist und was im Mainstream treibt, verwischt immer weiter. Trotz allem: Die erwähnten „Fez“, „Journey“, außerdem „Papo & Yo“, „Aero Porter“ (3DS), „Deadlight“ und „The Walking Dead“ (Streitfall, meinetwegen kann man die Macher Telltale Games gerne als Nicht-Indie betrachten), „Slender“ und „Tiny & Big: Grandpa’s Leftovers“ sollten 2012 gespielt worden sein. Gänzlich innovationslos ist der Mainstream übrigens nicht geblieben: „Dishonored“ zeigt, dass da noch Raum ist, „Catherine“ ebenfalls.

Kritikwürdig bleibt aus meiner Sicht der Umstand, dass quasi kaum ein Spiel mehr ohne zusätzliche Download-Inhalte auskommt. Season Pass und DLC sind schon zum Start verfügbar, zusätzliche Maps, Autos, Missionen oder Items gehören zum guten Ton. Warum eigentlich? Weshalb finden sich diese Inhalte nicht schon zum Start auf den Discs (Capcom ausgenommen)? Welche Auswirkungen hat diese Politik auf den von Publisherseite verhassten Gebrauchtspiele- Markt? Warum nehmen SpielerInnen kritiklos hin, dass sie für „Forza Horizon“ nahezu den gesamten Kaufpreis nochmals bezahlen müssen, um einen Season Pass zu erwerben, der Inhalte nachliefert, die doch auch schon im Hauptspiel hätten sein können? Dass der Spielepreis damit still und leise in neue Höhen geklettert ist, scheint nicht zu stören. Nochmals die Frage: Warum eigentlich?

Antworten darauf hat zumindest die etablierte Spielepresse hierzulande nicht geliefert, womit ich zum letzten Kritikpunkt meines Spielejahres 2012 kommen möchte. Denn während im Netz (vorrangig auf Facebook und Twitter) zahlreiche Debatten über Spielinhalte stattfanden, die von Teilen der Spielenden als sexistisch wahrgenommen werden, bleiben Meta-Themen im Spielejournalismus Mangelware. Die für mich relevanten Diskussionen haben 2012 in Blogs stattgefunden, via Facebook-Postings oder per ellenlanges hin-und-her-tweeten. Im deutschsprachigen Fachjournalismus mag mir kaum ein Beitrag einfallen, der sich um Dinge abseits der eingelebten, eingefahrenen Vorstellung von dem, was Spiele zu sein haben, beschäftigt hat. Und wenn’s dann doch mal passiert ist, war schon das Cover ein Griff ins Klo (über Sexismus berichten mit zwei heterosexuell stereotypisierten Lesben auf dem Titelbild – alles klar).

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Zwei positive Gegenbeispiele gibt’s dennoch zu vermelden: Die „WASD“ ist im kleinen Rahmen nicht nur erfolgreich gestartet, sondern vor kurzem auch zum zweiten Mal erschienen – womit der Beweis angetreten wäre, dass eine andere Form des Spielejournalismus möglich und gefragt ist. Was der „Mainstream“ der Magazine nicht zu leisten vermag, ist im Kleinen sehr wohl zu finden. Schön so.

Beispiel Nummer zwei sind (und bleiben) Carsten Görigs Beiträge für „Spiegel Online“, in denen er sich in schöner Regelmäßigkeit eine Stunde lang einem Spiel widmet und anschließend darüber berichtet. Allein der Umstand der kurzen Spieldauer vermag die Gemüter zu erhitzen, die Kommentare unterhalb der Beiträge sowie Reaktionen über Facebook (hier oft auch aus „professioneller“ Fachjournalisten-Ecke) sind boshaft bis vernichtend. Kurz: Görig versteht es, zu provozieren. Prima! Bukowski hat einmal etwas gesagt wie „Wenn sie dich hassen, hast du die halbe Miete schon verdient.“ Auf Görig und die Menge an offener Ablehnung, die ihm und seinen Beiträgen entgegenschlägt übertragen, hieße das ein Leben lang Mietfreiheit – mindestens. Vielfach will man den Eindruck nicht loswerden, die Fachpresse urteile vernichtend, weil sich da ein General Interester wie Spiegel Online anmaßt, in einem Revier zu wildern, dass man für das eigene erachtet – hatte man in den vergangenen 20 Jahren doch die Berichterstattungshoheit. Nur sind Spiele mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und die Fachpresse mehr denn je an deren Rand verortet. Görig derweil versteht es, lesenswerte, unterhaltsame Beiträge über Spiele zu bringen für Menschen, die mit Spielen nicht so viel zu tun haben – und aus genau jener Perspektive sollte er gelesen werden. Während das Medium facettenreicher denn je daherkommt, schafft es ironischerweise nicht die Fachpresse, sondern ein General Interest Medium, dem Bedarf nach entsprechender Berichterstattung gerecht zu werden. Eigentlich schade! Andererseits und wie aus den hasserfüllten Kommentaren unterhalb jedes Görig-Artikels zu entnehmen ist, wird es vermutlich auch 2013 noch Bedarf nach Waschmaschinenbesprechungen geben. Insofern: Es ist genug Platz für alle da. Vielleicht sollte anstatt vernichtender Reaktionen einfach mal „Leben und leben lassen“ Schule machen. Schließlich will hier niemand dem anderen etwas wegnehmen, im Gegenteil: Jeder neue Ton bereichert das Medium, seine Rezeption und Stellung innerhalb der Gesellschaft letztlich. So lautet die große Hoffnung für 2013 dann konsequenterweise auch, dass es viele neue Töne geben möge – in journalistischer wie spielerischer Hinsicht.

6 thoughts on “Digitale Spiele: Jahresrückblick 2012

  • 02.01.2013 um 13:59
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    Hoch die Tassen und auf ein Neues!

    Wenn ich hier (nicht nur um DER PROVOKATION Willen) aber auch noch einen Wunsch für 2013 anbringen darf: Ich wünsche mir, dass in 2013 das Argument „Es hat im aktuellen Jahr eigentlich kaum ein schlechtes Spiel gegeben“ endgültig beerdigt wird.

    Weil, so behaupte ich mal: Das klingt absolut wie ein Überbleibsel der verpönten Waschmaschinen-Test-Logik, in der ein gutes Spiel sich dadurch auszeichnet, dass es auf meiner Grafikkarte stabil läuft und irgendwie „funktional“ ist. Das sollte aber bei Gott nicht der einzige, sondern allenfalls der geringste Massstab sein, den man anlegt an ein Spiel. (Und selbst dann möchte ich bezweifeln, dass er absolut gültig ist — ich halte „Alan Wake“, das ich dieses Jahr gespielt habe, für ein furchtbar missratenes Spiel, das nicht weiss, was es sein will, und mich als Spieler ständig für dumm verkäuft. Dass es um Längen besser aussieht, stabiler läuft und ein My besser austariert ist als sein hakeliges Pendant „Deadly Premonition“ fällt dabei absolut nicht ins Gewicht.)

    YMMV, natürlich. Aber wünsche ich mir, dass „kompetent“ künftig nicht mehr als Freikarte für Gedöhns gelten darf, der 70-90%-Metacritic-Bann gebrochen wird und endlich mehr Leute auch mal hinschreiben: „Alles nach Lehrbuch und wie immer gemacht — braucht genau darum auch keine Sau.“

    Und wie geht es euch so?

  • 02.01.2013 um 14:38
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    da ich’s geäußert habe, dann mal die my 2 cent replik: vielleicht habe ich um die schlechten auch einfach einen bogen gemacht 😉 mir fiel nun in der tat keines ein, dass ich wirklich nicht gemocht und aus inhaltlichen (nicht technischen! nicht laufende spiele gibt’s bei mir als konsolenzocker quasi nicht mehr) gründen weggelegt hätte. und nein, ich will auch nicht jedes spiel gut finden oder an jedem spiel etwas gutes. sicher, manche waren eher durchschnittlich, aber wirklich grauselige totalausfälle waren in meinem insgesamt doch eher überschaubaren universum an 2012 gespielten games eben einfach nicht drin. eben wie erwähnt auch, weil ich dank des „goldeneye“-remakes weiß, wie bescheiden viele eurocom-games sind und mir einen totalausfall wie „007 legends“ deshalb gar nicht erst angetan habe. aber gut, vielleicht wird’s 2013 was!

  • 02.01.2013 um 21:42
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    Also ich könnte da Arielle die Meerhungfrau auf dem Gameboy Advanced empfehlen…

  • 03.01.2013 um 16:02
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    Ihr seid NICHTS, wenn Ihr Euch nicht durch „Mortal Kombat“ auf dem Gameboy geprügelt habt. Und 2013 nehme ich den madigen Software-Plunder sowieso wieder auf meinen Schreibtisch.

  • 04.01.2013 um 10:19
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    „Arielle die Meerhungfrau“? Ich versuch ja schon seit Tagen, irgendein pubertäres Wortspiel zu machen, von wegen „hung like a fish“ oder so, aber irgendwie will es nicht ganz klappen. Trotzdem danke für die Inspiration.

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