Anna Koch, Axel Lilienblum (Hg.): „Ich guck mal, ob du in der Küche liegst“
160 Zeichen Spass – und noch lange kein Ende
Anna Koch und Axel Lilienblum (Hg.): „Ich guck mal, ob du in der Küche liegst“
Seit 20 Jahren ist sie bekannt und beliebt – die SMS. Um diesen runden Geburtstag gebührend zu feiern, veröffentlichen die beiden Berliner Anna Koch und Axel Lilienblum ihre bereits dritte „Ode an die rechtschreibungsresistenteste und schönste Textform der Welt“.
Von Stefanie Feineis.
Wie man vor einiger Zeit in der Presse lesen konnte, wurde der SMS der baldige Tod prophezeit. Die neuen Messenger, die auch auf Smartphones funktionieren, machen angeblich dem einstiegen Zugpferd der Mobilfunkindustrie das Leben schwer. Trotzdem wurden letztes Jahr allein in Deutschland immer noch 55 Milliarden Mitteilungen versendet – ein Drittel mehr als im Vorjahr. Von Aussterben kann also nicht die Rede sein.
Ich weiss, was du letzte Nacht getan hast
Bei so vielen versendeten SMS ist es kein Wunder, dass auch die eine oder andere kuriose, witzige oder bizarre Mitteilung von einem Telefon zum anderen wandert. Da ist es nur naheliegend, dass man solche „Schätze“ mit der Welt teilen möchte, und wo geht das einfacher als im anderen grossen Mitteilungsmedium, dem Internet? Zahlreiche Seiten befassen sich mit der Sammlung von interessanten und amüsanten Textnachrichten, darunter auch www.SMSvonGesternNacht.de. So erfolgreich, dass es mittlerweile bereits für den Inhalt von drei ‚best of‘ Büchern gereicht hat.
Kryptisches, Romantisches und Skurriles
Anstatt nach Themen ist auch das dritte Buch nach Uhrzeiten unterteilt – ab 19.01 lassen sich hier chronologisch geordnet die Höhen und Tiefen von 24 Stunden Kommunikation mitverfolgen – inklusive des steigenden Alkoholpegels, selbstverständlich. Es geht um Beziehungen, Freundschaft, Ausgang, Liebe und Streit – der ganz normale Wahnsinn eben, zusammengefasst in 160 Zeichen, oft sogar mit der entsprechenden Antwort oder Reaktion des Empfängers. Hier findet sich alles, angefangen von Banalitäten („Ich hab mein Puzzle fertig“ – 4.36 Uhr) über tiefe Erkenntnisse („so ’ne Ausnüchterungszelle ist eigentlich gar nicht so schlecht“ – 6.34 Uhr), fast unverständliche Mitteilungen („Hase?! Jetzt hacke. Leben i u voll“ – 4.21 Uhr) bis zu grosser Verwirrung („Sorry wegen dem, was gestern passiert ist. Was ist eigentlich gestern passiert? – 8.34 Uhr) und ehrlichen Gefühlen („Fuck, ich wollte eigentlich nur ins Kino und jetzt hab ich mich verliebt!“ – 6.06 Uhr).
Überaus unterhaltsam
Man könnte ja annehmen, dass beim nun schon dritten Band und der unvermeidbaren Welle von „Nachahmerbüchern“ so langsam der Unterhaltungswert auf der Strecke bleibt. Doch mit dieser Serie scheint es wie mit der SMS selbst – nahezu unsterblich. Das liegt vor allem an der ausgezeichneten Auswahl und an der Authentizität der Beiträge. Man kann sich nur zu gut in die Lage des Senders versetzen, denn schliesslich hat jeder von uns schon mal ein SMS verschickt, das man im Nachhinein – oder bei nüchterner Betrachtung – so lieber nicht gesendet hätte. Doch Selbsterkenntnis hält ja bekanntermassen nicht davon ab, sich über die Missgeschicke anderer köstlich zu amüsieren.
Kreativ, chaotisch, und unglaublich unterhaltsam – bei diesem Buch wünscht man sich, dass der SMS noch ein langes Leben bevorsteht. Und dass es schon bald für einen vierten Band reicht.
Titel: Ich guck mal, ob du in der Küche liegst
Autoren: Anna Koch und Axel Lilienblum (Hg.)
Verlag: Rowohlt
Seiten: 288
Richtpreis: 14.90 CHF