Dead Space 3 (Visceral Games)

Vom Horror toter Räume

Dead Space 3 (Visceral Games)

Ein Blick in die zahlreichen Besprechungen des Spiels Dead Space 3 reichen aus, um zu erkennen, dass die Reihe sich in den Augen von Spielejournalisten von ihren Survival-Horror-Wurzeln entfernt hat. Doch sei ketzerisch an dieser Stelle die Frage erlaubt, ob „Horror“-Spiele überhaupt jemals die Qualität eines „toten Raumes“ erreichen können.

EA und Visceral wollen Grusel-Stimmung verbreiten
EA und Visceral wollen Grusel-Stimmung verbreiten

In seiner dritten Manifestation erzählt uns der Third-Person-Shooter folgende Geschichte: Dead Space 3 schickt Isaac Clarke und den Soldaten John Carver auf eine Reise durch das All, um nach der Quelle des Nekromorph-Ausbruchs zu suchen. Nach der Bruchlandung auf dem gefrorenen Planeten Tau Volantis muss das Team die raue Umgebung nach Rohstoffen und Schrott durchkämmen und Isaac stellt sein Geschick unter Beweis, indem er Waffen und Werkzeuge anfertigt und anpasst. Der Eisplanet birgt den Schlüssel, die Nekromorph-Plage ein für alle Mal zu beenden, aber zuerst müssen die beiden Lawinen überwinden, im Eis klettern und die gefährliche Wildnis überleben. Im Kampf gegen tödliche Feinde und die brutalen Elemente muss das ungleiche Team zusammenarbeiten, um die Menschheit vor der drohenden Apokalypse zu retten.

Es fehlen die Stimmen – mich packt die Furcht

Doch um vermeintlich tote Räume geht es in der Serie schon lange nicht mehr. Eigentlich ging es auch noch nie um diese. Denn „tote Räume“, wie ich sie mir vorstelle, finden sich nicht in digitalen Spielen wieder. Was verstehe ich unter toten Räumen? Als Hinleitung zu einem absolut toten (wenn es „100 % Uncut“ gibt, gibt es auch „absolut tot“! So.) Raum möchte ich den so genannten reflexionsarmen Raum vorstellen. In einem solchen sind „alle Begrenzungsflächen mit einem den Schall möglichst gut absorbierenden Material ausgestattet, das die Schallwellen schluckt und auf diese Weise möglichst jede Reflexion von Schallwellen verhindert.“ (Quelle) Geläufig sind auch die Bezeichnungen „unechoic chamber“ oder „camera silens“. Denkt man diesen Gedanken konsequent zu Ende, bedeutet das in der Praxis, dass das eigene gesprochene Wort nicht mehr zu vernehmen ist. Man hört es und sich nicht mehr und nach einer gewissen Zeit, so meine Vorstellung, packt einen die Furcht. Denn: Die Selbstverortung im Raum nimmt ab. Man ist mit sich selbst ganz allein. Egal, wie laut man zu schreien vermag, nichts dringt als hörbarer Laut nach außen. Der total schalltote Raum raubt Dir eine fundamentale Ausdrucksmöglichkeit. Oder wie es an einem anderen Ort zu schön heißt: „In space, no one can hear you scream.“

Mittels Ko-op jetzt auch zu zweit fürchten
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Sich von den Sinnen verabschieden

Doch was, wenn der Verlust hier nicht aufhört? Schließlich hatte unsere fiktive Testperson bisher noch Glück: Sie konnte den Raum um sich wahrnehmen. Jetzt nimmt mein theoretisch absolut toter Raum ihr auch das. Es ist denkbar, dass man jegliche erkennbare Begrenzung des Raumes unkenntlich macht. Eine nie enden wollende weiße Fläche vielleicht? Oder ist das Gegenteil gruseliger? Das ewige Dunkel der Nacht. Eure Augen liefern kein Feedback mehr, der Sehnsinn schafft es nicht, das allumfassende Schwarz zu durchdringen. Einen Millimeter weiter könnte das Grauen lauern. Doch…Ihr könnt es weder hören noch sehen. Der absolut tote Raum macht Euch zum Gefangenen Eurer Erinnerung an die Sinne, die Ihr einst hattet. Der Wahnsinn. Er ist schon sehr nahe. Doch der absolut tote Raum nimmt Dir noch mehr. Er nimmt Dir das Einfühlungsvermögen. Er raubt Dir die Fähigkeit, Dich auf andere soziale Entitäten einzulassen, ihre Gefühle nachvollziehen und teilen zu können. Er macht Dich zu (s)einem asozialen Geschöpf. Du bist nicht tot…aber Du lebst auch nicht mehr. Das ist meine Vorstellung eines dead space. Eine schaurige Vorstellung. Lieber greife ich zum Pad.


Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen

Originaltitel: Dead Space 3
Plattformen: Xbox 360, Playstation 3, PC
Genre: Third Person Shooter
Entwickler: Visceral Games
Veröffentlicht von: EA

Im Netz

Rainer Sigl malt sich aus, wie Dead Space 3 ausgesehen hätte, wenn sein Protagonist verletzlicher wäre.

Rudolf Inderst

*1978 in München. Lebte in Kopenhagen und verliebte sich. Doppelt promoviert, übernimmt er Verantwortung als Ressortleiter für digitale Spiele hier bei nahaufnahmen.ch. Liebt Stanislaw Lem, Hörspiele und Podcasts. Spielt Videospiele seit etwa 40 Jahren. Lehrt als Professor für Game Design mit dem Schwerpunkt Game Studies / Spielanalyse / Game Business an der IU und krault sich gerne seinen Bart.

2 thoughts on “Dead Space 3 (Visceral Games)

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