DmC – Devil May Cry (Ninja Theory)

Des Teufels neue Kleider

DmC – Devil May Cry (Ninja Theory)

Neues Spiel, neuer Look

Die Leiden des jungen Neugeborenen: Capcom gibt für die Revitalisierung der campigen Klopper-Reihe Devil May Cry das Heft in die Hand eines englischen Studios. Diese verpassen dem Helden eine Verjüngungskur – mit gemischten Resultaten, findet DANIEL APPEL.

Sequels, Prequels, Remakes und Reboots sind in Zeiten maximaler kommerzieller Markenausschlachtung sowohl in der Film-, als auch in der Computerspiel-Branche längst gang und gäbe. Das Markenverwertungsexperte Capcom da selbstverständlich auch bei seiner 2001 aus der Taufe gehobenen Devil May Cry-Serie keine Ausnahme macht, haben die Japaner im letzten Jahrzehnt mit zwei Nachfolgern und einem Rückblick auf die Vorgeschichte des Erstlings eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nachdem es in den letzten fünf Jahren allerdings erstaunlich still um Dämonenjäger Dante und Konsorten geworden ist, meldet dieser sich jetzt unter der Federführung des britischen Entwicklers Ninja Theory zurück – und zwar in einer etwas obskuren Mischung aus Prequel und Reboot. Ob der erzählerische Neustart und die europäische Frischzellenkur ausreichen, um den eingerosteten Haudegen wieder auf Touren zu bringen? Schließlich haben Prügelhexe Bayonetta, Vorzeige-Halbgott Kratos und der peitschenschwingende Gabriel Belmont in den letzten Jahren ordentlich vorgelegt und ihr Revier nachhaltig markiert. Da wird die Luft dünn für jemanden, der ein paar Jahre im Exil verbracht hat und nun ein Comeback wagen will…

Postpubertäre Belastungsstörung

Der junge Dante, dem wir zum Auftakt von DmC begegnen, wirkt allerdings nicht wie ein Bursche, der sich sonderlich von muskelbepackten Spartanern oder adretten Hexen im Catsuit beeindrucken lässt. Im Gegenteil: Auf den ersten Blick erscheint er wie ein ganz normaler autoritätsverachtender Frühadoleszenzler, der gerne mal in Clubs ein paar Drinks kippt, um im Anschluss ein oder zwei junge Damen zum besseren Kennenlernen in seinen Trailer einzuladen. Eigentlich ein stinknormaler, leidlich charmanter und ziemlich rotziger Twen wie man sie allenthalben trifft – wären da nicht die gelegentlich auftauchenden Dämonen, die ihm des öfteren einen Strich durch die Rechnung machen. So auch an jenem schicksalhaften Morgen, als eine junge Frau gegen die Tür seiner wenig stilvollen Behausung hämmert und ihn aus seinem Delirium reißt, um ihn vor einem anrückenden Jäger-Dämon zu warnen.

Wohl das letzte DMC der aktuellen Hardware-Generation

Nach einer äußerst stylischen Slow-Motion-Ankleideprozedur im umherfliegenden Wohnwagen findet sich Dante dann auch schon im Limbus wieder, einer dämonisch-verzerrten Parallelrealität in der die Höllenbrut haust. Ein beherzter Griff zu Breitschwert Rebellion samt Pistolenpaar Ebony & Ivory und schon startet die Reise durch Dantes Jugendjahre, in denen er zum ersten Mal seinen Bruder Vergil trifft, zum ersten Mal etwas mehr über seine Herkunft und sein Elternhaus erfährt – und natürlich zum ersten Mal die Welt der Menschen vor dem dämonischen Oberbösewicht Mundus rettet. Dieser hat sich die Weltbevölkerung nämlich durch ein Konglomerat aus dämonenbesetzten Medienkonzernen, Investment-Banken und Softdrink-Herstellern Untertan gemacht und sieht seine Allmachtsfantasien nur noch durch die beiden Sprösslinge des ehemaligen Erzdämons Sparda bedroht – Dante und Vergil. Ehrensache, dass die beiden ungleichen Brüder sich sofort in den unausweichlichen Befreiungsfeldzug gegen die dämonischen Besatzer der menschlichen Welt stürzen. Ein Feldzug, bei dem nicht nur Horden von höllischem Abschaum, sondern auch einige liebgewonnene Serientraditionen gnadenlos niedergemetzelt werden.

Dante 2.0: The next Generation

Unterliegen Sequels und Prequels mehr oder weniger der Notwendigkeit eine gewisse logische, erzählerische und spielerische Kontinuität zu wahren, genießen Reboots weitaus größere kreative Freiräume: Bekannte Figuren mit geänderter Persönlichkeitsstruktur? Kein Problem. Ein neuer Look? Selbstverständlich. Ein abweichender Geschichtsverlauf? Unbedingt. Letzten Endes erzählt man ja eine eigentlich bekannte Geschichte um einige wenige Fixpunkte herum komplett neu. Und so schöpfen die Jungs und Mädels von Ninja Theory bei ihrer Neuinterpretation der Teufelsjäger-Erzählung aus dem Vollen. Der einstmals wortkarge, abgeklärt-lässige Dämonenjäger mit der weißen Mähne wird in seiner jugendlichen Inkarnation zum pöbelnd-pubertierenden Heißsporn mit großer Klappe und hipper brauner Kurzhaar-Frisur. Der Dämonenkampf verlagert sich von den düsteren Backsteingothik-Settings der Vorgänger in die bizarr verzerrte Parallelrealität des Limbus, die den urbanen Dschungel mit zahlreichen surrealen Elementen anreichert. Und zu guter Letzt werden Dante und Vergil von bloßen Halbdämonen zu Nephilem befördert – Kindern mit dämonischem Vater und Engelsmutter – wodurch sich die Anzahl ihrer Fähigkeiten und ihr Waffenarsenal beträchtlich erhöhen. Für Diskontinuitäten ist also in größerem Maßstab gesorgt.

DMC am Ende gar mit gesellschaftskritischen Tönen?

Aber eins nach dem anderen: Der Einstieg in Dantes neueste Odyssee gestaltet sich spielerisch zunächst durchwegs konventionell. Nach wie vor rennt und springt der lässige Dämonenjäger von einer größeren Freifläche zur nächsten. Erreicht er schließlich eine dieser räumlich begrenzten Arenen, stürmen von allen Seiten verschiedenste Arten von Dämonen auf Dante ein – denen er standesgemäß mit stilvollen Kombos seiner verschiedenen Waffen zu Leibe rückt. So weit, so bekannt. Visuell und akustisch verlässt Team Ninja allerdings bereits hier altbekannte DmC-Pfade. Der verjüngte Dante zeigt den gitarrengespickten Orchesterklängen und Schlössern, die sein distinguiertes reiferes Ich früher bevorzugte, elegant den Mittelfinger und schnetzelt sich direkt zu Beginn lieber über die farbenfrohe Limbus-Variante eines dämonischen Jahrmarkts. Getrieben von zeitgemäßem Industrial-Elektro, der während der Kämpfe durch harte Klänge der Aggrotech-Band Combichrist abgelöst wird, wirkt DmC im Vergleich zu seinen Vorgängern ungleich jugendlicher und frischer. Hat man sich mit diesem extremen Stilbruch nach den ersten Spielminuten einmal angefreundet, will man ihn trotz des anfänglichen Widerwillens schon bald nicht mehr missen. Zu berauschend ist die farbenfrohe Umgebung, zu treibend die musikalisch perfekt unterlegten Prügeleien, die schon nach kurzer Zeit taktisch fordernd werden und neben bloßem Tastenhämmern auch Köpfchen und geschickte Angriffsauswahl erfordern. Ja, die erste Stunde mit dem neuen Dante lässt es richtig krachen und macht Lust auf mehr. Und spätestens wenn der Flow mich sanft durch die Gefechte trägt, ich reihenweise Dämonen im Takt der Drums in ein irrsinnig rasendes Kettenkarussell kloppe und der erste riesige Endboss nach einem schweißtreibenden mehrstufigen Kampf vor mir zu Kreuze kriecht, sind die vergleichsweise behäbigen Vorgänger schnell vergessen. Zumindest für den Moment…

Der Aufstieg kommt vor dem Fall

…und dieser Moment währt leider nicht allzu lange. Denn was nach dem furiosen Einstieg folgt, ist dramaturgisch nicht allzu weit von einer mittleren Katastrophe entfernt: Statt weiter aufs Gas zu drücken oder wenigstens ganz behutsam etwas Tempo aus der dämonischen Achterbahnfahrt zu nehmen, um nebenbei einen schnellen Seitenblick auf Dantes Jugend zu werfen, legt Ninja Theory erstmal eine abrupte Vollbremsung hin. Habe ich mich eben noch an trashig-überzeichneten Cutscenes voller Augenzwinkern, dicker Knarren und lässiger Sprüche erfreut, folge ich plötzlich langwierigen, hohlen Dialogen über die Familiengeschichte Dante und Vergils. Wo ich eben noch auf der Jagd nach einem guten Style-Ranking begierig von einem spannungsgeladenen Gefecht zum nächsten stürzte, laufe ich nun minutenlang durch die leeren Flure von Dantes Elternhaus, springe über Löcher im Boden und zerlege im Vorbeigehen hier und da mal ein paar einsame Standard-Dämonen. Und wo eben noch der grelle Jahrmarkt mit hübscher Beleuchtung und tollen Effekten optisch absolut zu überzeugen wusste, schleiche ich jetzt durch eine pastellfarbene Wüste der Tristesse.

Grafisch imposant und temporeich

Der einzige Lichtblick in der monotonen zweiten und dritten Stunde von DmC sind die Zwischensequenzen, die durch ihre Kombination aus platten Dialogen (für die man den Drehbuch-Praktikanten der Lindenstraße auspeitschen würde) und absolut leidenschaftsloser deutscher Synchronisation wenigstens für etwas unfreiwillige Komik sorgen. Ja, danach arbeitet sich DmC langsam (!) wieder aus dem dramaturgischen und leveldesign-technischen Loch. Ja, danach rollt als Wiedergutmachung eine Welle neuer Waffen an, die durch die Einteilung in Engels- und Teufelswaffen auch spielmechanisch neue Akzente setzen. Ja, danach kommt irgendwann der optisch großartig in Szene gesetzte Club-Level und der abgedrehte Anchorman-Endboss. Aber der Weg zu den zahlreichen kleinen Highlights von DmC ist sowohl steinig, als auch langwierig und verlangt dem geneigten Spieler zunächst ein ordentliches Maß an Geduld ab.

Je später der Abend…

Hat man dieses Maß an Geduld allerdings in petto, wird man Zeuge einer durchaus positiven Entwicklung. So dringt man in ausladende Lagerhallen voller freischwebender Container vor, besucht ein dämonisches Gefängnis in dem die Welt im wahrsten Sinne des Wortes Kopf steht und arbeitet sich durch psychedelisch-bunte Musikclubs, in denen sich die Digitalanzeigen des DJ-Equipments zu manifesten Bestandteilen der Levelarchitektur entwickeln. Optisch zieht Ninja Theory hier alle Register und schafft es bisweilen einzigartige kreative Akzente zu setzen. Denn die dynamisch-morphende Welt des Limbus sieht nicht nur gut aus, sondern vermittelt auch auf glaubwürdige Art und Weise den Eindruck einer feindlichen dämonischen Umwelt, die aktiv gegen Dante arbeitet. Auf der spielmechanischen Seite wissen die Kämpfe durch ausgeklügelte Gegnerkombinationen, ein immer größer werdendes Move-Repertoire und abwechslungsreiche Waffentypen zu gefallen. Zwar wird hier das Rad keineswegs neu erfunden, aber die Jagd nach immer besseren Style-Rankings und den damit verbundenen furiosen Kombos weiß durchaus über die Gesamtspieldauer von etwa neun Stunden gut zu unterhalten. Leider trübt das Füllmaterial zwischen den Kämpfen diesen Eindruck immer wieder etwas ein. Zumal man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass viele Elemente der eingangs erwähnten Action-Konkurrenz ohne Rücksicht auf ihre Rolle im Gesamtkonzept schamlos kopiert wurden. So mögen ausladende Sprungpassagen mit Peitsche oder Enterhaken bei den Belmonts zur Familientradition gehören und wissen durch ihre nahezu perfekte Implementierung auch bei Bayonetta zu gefallen – bei Dantes aktueller Dämonenhatz wirken sie aufgesetzt und lieblos, gerade auch weil sie durch ihre Anspruchslosigkeit weder Reflexe, noch Augenmaß oder gar Geschick erfordern. Auch die separaten Herausforderungen, die hinter den (zunächst) verschlossenen Türen auf Dante lauern, sind eiskalt aus Bayonetta entlehnt, ohne dabei auch nur annähernd so fordernd und motivierend wie ihre Vorbilder zu sein.

Da die Story bei einem Arena-Prügler ohnehin absolut nachrangig ist, sind die schwachen Storysequenzen zwischen den Gefechten zu verschmerzen, zumal sie in der englischen Originalvertonung wenigstens nicht ins Lächerliche abzudriften drohen. Und auch die erzählerischen Brüche versucht das Team von Ninja Theory gegen Ende zu minimieren, indem sie das Geheimnis um Dantes weißes Haupthaar und die spätere Nicht-Existenz des Limbus wenigstens halbwegs geschickt zu lüften versuchen. Lediglich die geheimnisvolle Transformation von Dantes menschlicher Mutter zum Engel verhüllt einstweilen der kreative Reboot-Nebel – aber wer mag darüber schon nachdenken, während er zu bestialischen Riffs mit der Engelssense durch die Gegnerhorden mäht? Eben, niemand! Und so gewinnt DmC sicherlich keine Preise für das effiziente Ausschöpfen von Reboot-Potenzialen, Drehbücher oder gelungene Ideenadaptionen, aber es hat worauf es ankommt: Schnelle, laute und durchschlagende Kernkompetenzen.

 

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen.

Originaltitel: DmC – Devil May Cry
Plattformen: Xbox 360/Playstation 3/PC
Entwickler: Ninja Theory
Veröffentlicht von: Capcom


Im Netz:

Offizielle Website
Entwickler Website

Publisher Website

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert