Rainer Wittkamp: „Schneckenkönig“

Schwarz und weiss

Rainer Wittkamp: „Schneckenkönig“ (Krimi)

Endlich! Nach drei Jahren auf dem beruflichen Abstellgleis darf Kommissar Martin Nettelbeck erstmals wieder ermitteln. Dabei steht er nicht nur unter besonderer Beobachtung, sondern auch gehörig unter Druck. Denn wenn er am Ende der Woche keine Ergebnisse vorweist, heisst es für ihn wieder «Bonjour Tristesse». So beginnt für ihn ein spannender Wettlauf mit der Zeit – und gegen das Böse.

Von Fee Anabelle Riebeling.

schneckenkönigMartin Nettelbeck ist einer der besten Kommissare im Landeskriminalamt – gewesen. Vor drei Jahren hatte ein Zwischenfall mit einem Kollegen seinem Aufstieg auf der Karriereleiter ein jähes Ende gesetzt. Statt zum Kriminalrat befördert zu werden, wurde der bisherige Star-Ermittler ins Referat «Versorgung» verbannt, wo er seither für die Bestellung von beispielsweise Bleistiftanspitzern, Radiergummis und Druckerpapier zuständig ist. Doch dann wird ein farbiger Mann erstochen aufgefunden. Wegen eines Personalengpasses wird auch der strafversetzte Kommissar auf den Plan gerufen.

Spannender Weg zum Ziel

Doch Nettelbecks Euphorie über seine zweite Chance währt nur kurz. Denn die Ermittlungen entpuppen sich als alles andere als einfach. So lässt ihn seine Vorgesetzte aufgrund der damaligen Ereignisse keine Sekunde aus den Augen. Und die Zeit drängt: Wenn er keine Ergebnisse liefert, droht die Rückversetzung. Doch bereits die Identifizierung der Leiche gestaltet sich schwierig. Es scheint sich um einen Ghanaer zu handeln, doch die Mitglieder der afrikanischen Gemeinschaft wollen davon partout nichts wissen. So sehr die Ermittler auch bohren: Keiner will den Toten zu Lebzeiten gekannt haben. Alle mauern. Die Kollegen beissen auf Granit.

Ein Tipp bringt schliesslich die Wende. Doch die Lösung des Falls ist damit immer noch nicht in Sicht. Denn der zieht weite Kreise und deckt wahrlich überraschende Verbindungen auf. Dabei spielen Neonazis ebenso eine Rolle wie die alternative Glaubensgemeinschaft «Ewige Erlösung», die auch in Afrika missioniert. Selbst ein Immobilienhai ist involviert. Als ein Toter mit ähnlichen Verletzungen gefunden wird, nimmt der Fall weiter an Fahrt auf. Um den mordenden «Schneckenkönig» zu fangen, muss Wiedereinsteiger Nettelbeck alles geben.

Super-Debüt mit Luft nach oben

«Schneckenkönig» ist Rainer Wittkamps erster Kriminalroman. Doch das merkt man ihm keineswegs an. Die Charaktere sind glaubwürdig und Nettelbeck ist ein überaus charmanter «Nerd». Auch wie Wittkamp die Geschichte entwickelt, sie immer vielschichtiger werden lässt, ist Ausdruck von Können. Das ist kein Wunder, schliesslich arbeitet er sonst als Drehbuchautor und ist somit ein alter Hase im Schreibgeschäft. Aus seiner Feder stammen nicht nur einige Folgen der Familienserie «Unser Charly», sondern auch Krimiepisoden von «Die Wache», «SOKO Leipzig» oder «SOKO Wismar».

Doch genau diese jahrelange Erfahrung wird Wittkamp bei seinem Debütroman zum Verhängnis. Denn die für Drehbücher adäquate Sprache schimmert auch hier stets durch. Das stört ein wenig den Lesefluss. Manche Sätze klingen hart. Nach Szenenwechseln muss man Luft holen. Auch die Sprünge zu den Flashbacks des Täters, von denen die Ermittler nichts ahnen, kommen zu abrupt. Solche Übergänge, die im Fernsehen mit Bildschnitt, Musik und schauspielerischer Leistung geschaffen werden, fehlen hier. Daran könnte Wittkamp noch arbeiten. Doch auch das kann nichts daran ändern, dass man sein Debüt nur schwerlich aus der Hand legen kann.


Titel: Schneckenkönig
Autor: Rainer Wittmund
Verlag: Grafit
Seiten: 256
Richtpreis: CHF 14.90

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