Matthias Onken: „Bis nichts mehr ging“

Bis zur Deadline

Matthias Onken: „Bis nichts mehr ging – Protokoll eines Ausstiegs“ (Biographie)

Matthias Onken hat es am eigenen Leib erfahren: das „Immer höher, immer schneller, immer weiter“. Ein Leben gekennzeichnet von Dauerstress in einem System, das Selbstaufopferung fordert. Wie dem Autor der Ausstieg aus der Medienwelt gelang, beschreibt er direkt und persönlich.

Von Melanie Martin.

bisnichtsmehrgingMatthias Onken verwirklicht seinen Berufstraum: mit dreiundzwanzig lässt er das Studium für ein Praktikum bei einer Zeitung sausen. Er wird Journalist und steigt unerwartet schnell in der Karriereleiter auf. Der Stelle als Polizeijournalist folgt die des Chefredakteurs bei der «Hamburger Morgenpost» und schliesslich übernimmt er die Führungsposition als Redaktionsleiter bei der «BILD Hamburg». Sechzehn Jahre lang arbeitet Onken bei Tageszeitungen und zerstört sich dabei fast selbst.

Der Teufelskreis

Onken verschreibt sich dem Journalismus mit Herz und Seele. Seine Arbeitswut und der Druck in der Medienwelt, über die eigenen Grenzen hinaus Leistungen erbringen zu müssen, lassen sein Privatleben eskalieren. Die Ehe scheitert, seinen Sohn sieht er kaum noch. Der wenige Schlaf, die schlechte Ernährung und der konstante Druck bringen schleichende Gesundheitsprobleme mit sich. Als diese offensichtlich werden, ignoriert sie Onken –  schliesslich steht der nächste Termin, die nächste Deadline an. Die Unterdrückung von Stress-Symptomen hält Onken mittlerweile für professionell.

Alles schon gehört

Die Publikation «Bis nichts mehr ging» ermöglicht in einfacher Sprache einen persönlichen Einblick in das Leben eines klassischen Workaholics. Die Perspektive eines Insiders auf die Arbeitskultur und -organisation der Medienwelt zeigt schockierende Momentaufnahmen. Trotzdem vermag die Lektüre nicht zu packen. Zu sehr ist der Autor damit beschäftigt, Erlebtes persönlich zu verarbeiten. Wiederholungen, lange Passagen über bisweilen fast naive Fragen, Gewissensbisse und Rechtfertigungen lassen mich des Öfteren Seiten überspringen. Der Autor erzählt nichts wirklich Neues: die Stresssymptome, das Scheitern der Ehe, die Therapien, die Vereinsamung, das unreflektierte Konsumieren von Drogen und gekauftem Sex. Ohne die Bürde des Erlebten für den Betroffenen in Frage stellen zu wollen, habe ich trotzdem den Eindruck: alles schon mal gehört.

Der Ausstieg

Heutzutage lebt der geschiedene Autor mit seiner Partnerin und seinem zweiten Sohn zusammen in Hamburg und leitet eine Kommunikationsagentur. Es tut gut zu wissen, dass dieser Mensch den Ausstieg geschafft hat. Das Schreiben scheint ihm bei der Verarbeitung des Erlebten geholfen zu haben. Ob der Text sich jedoch als Lektüre eignet, bezweifle ich. Zu sehr verbleibt der Autor an der Oberfläche und bei seinen Gewissensbissen haften. Wer jedoch persönliche Erfahrungen im Sprachstil der Bild-Zeitung mag, wird auf seine Kosten kommen. Mir hat es nicht gereicht.


Titel: Bis nichts mehr ging – Protokoll eines Ausstiegs.
Autor: Matthias Onken
Verlag: Rowohlt Taschenbuch Verlag
Seiten: 175
Richtpreis: 13.50.- CHF

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