A.MAZE 2013: Das Gespielte

CYROGYAGLOTORN AUF FÜNF

A.MAZE 2013: Das Gespielte

samurai_gunn

„Bei Bier und Wein lässt sich’s gut nahe sein // Doch noch mehr nahe bin ich vielen, wenn wir zusammen XBOX spielen.“ Das  altertümliche Sprichwort sollte auch an der A.MAZE 2013 seine Gültigkeit nicht verlieren. Neben, vor und nach dem verbrüdernden Geplaudere wurde natürlich auch gespielt, und zwar nicht zu knapp.

Von Franzi Bechtold und Christof Zurschmitten.

Picknicks mit Samurais und Hi-Tech-Sportarten, ein herumstolpernder Hochsprungwettkampf und eine Ausstellung schlechterdings sehenswerter Spiele boten mehr als genug Gelegenheit, den fachsimpelnden Worte auch Taten folgen zu lassen. Und einen Wettbewerb um das „staunenswerteste“ Indie-Game 2013 gab es obendrein.

Wir haben uns die Finger schmutzig gemacht, bis Impressionen daran kleben geblieben sind. Es folgen: Einige der bemerkenswertesten Spiele an der A.MAZE (im Guten wie im Schlechten).

Spaceteam (Henry Smith)

SpaceTeam2

“Cyrogyaglotron auf 5 stellen!”
“Cyrogyaglotron ist auf 5! Hyperentropietank fluten!”
“Ist geflutet! Radiomolekogammaray feuern!”
“Radiomolekogammaray gef… Radiomolekogammara? Ich seh KEINEN RADIOMOLEKOGAMMARAY!”
“NUN FEUERE SCHON DEN RADIOMOLEKOGAMMARAY!”
“…”
“Was hast du getan? OH GOTT, WAS HAST DU GETAN?”
“Es könnte sein, dass ich aus Versehen den Enzephalokrauser ausgeschaltet hab.”
“DU HAST WAS?! OH GOTT ES BRENNT! DIESER SCHMERZ, OH GOTT!  ES GEHT NICHT MEHR WEG! MACH ES WEG! AAAAAH!”
“AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAH!”

Spaceteam ist die Widerlegung der Behauptung, im Weltall höre niemand dich schreien. Die Spieler, die die fiktive Besatzung eines zum Untergang verdammten Raumschiffs mimen, hören sich laut und… undeutlich über kreuz und quer geschrieenen Befehlen. Jeder Spieler sieht auf dem Schirm seines Smartphones oder Tablets eine immer etwas zu komplexe Konsole, die Geräte mit unaussprechlichen Namen steuern soll. Das Problem: Die Anweisungen zur Bedienung der Konsole erscheinen nie auf dem eigenen Schirm. sondern auf dem eines Mitspielers. (Ausser in den raren Fällen, in denen sie es doch tun.) Was zu tun ist, weiss der Mitspieler, der aber genauso wenig Zeit hat, um verdammt noch mal in Erfahrung zu bringen, was nun eigentlich von ihm erwartet wird?!
Spaceteam
-Matches bewegen sich  in Lichtgeschwindigket auf Situationen zu, in denen die Spieler heldenhaft einem sci-fi-gerechten Neologismensturm trotzen, um dann doch noch zuverlässig an den letzten Resten gelingender Kommunikation vorbeizudriften, und unter dem letzten “Was?!” den einen falschen Schalter zuviel umzulegen…  und alle sind tot. Man fühlt sich dann immer etwas ausgelaugt, und ziemlich heiser, und den Mitspielern sonderbar verbunden, OBWOHL ES IHRE SCHULD WAR.
Spaceteam gehört zu einer jungen Schule von Computerspielen, die von Brettspielen gelernt haben, dass Kommunikation (und ihr Scheitern) einer der unterhaltsamsten Spielmechanismen ist. (Offensichtliche Parallelen zum tschechischen Brettspiel Space Alert sind vielleicht zufällig, aber sicher nicht ungewollt.) Viel mehr als diese eine Idee gibt es nicht, aber sie wird wunderbar ausgereizt: Tight, nannte man ein solches Design wohl früher mal, oder auch: Elegant.

Insofern verdient Spaceteam voll und ganz den Titel des most amazing indie-game of 2013 und die Wachskulptur, die ihm dafür in Berlin verliehen wurde.

O.R.pheus (Evelyn Hribersek)

Bemerkenswert unter den Nominierten ist sicherlich O.R.pheus. Ein musikalisch geprägtes Augmentet-Reality-Erlebnis, das dem Spieler – jeweils isoliert – nur mit Kopfhörern und Smartphone mit einer eigens programmierten App durch eine detailiert gestaltete Krankenhausszenerie leitet. Die Aufgabe: Herausfinden, wer man ist und was man dort zu suchen hat, eine Art Amnesie-Walk. Der Blick geht stets durch die iPhone Kamera, die Stimmung ist auf düstere Art und weiße steril (wie sie eben zu einem verlassenen Krankenhaus passt), Erinnerungen an Resident Evil, Silent Hill oder Amnesia kehren zurück. Hinter jeder Ecke erwartet man einen Schockmoment. Zu viel verraten kann und sollte man nicht. O.R.pheus ist eine Erfahrung, die so individuell ist, dass auch die fertige Installation je nach Interaktionen mit selbiger neuartige Storyelemente zum Vorschein ruft und somit jeder Besucher seine eigene Geschichte erfährt.

Samurai Gunn (Teknopants), Pole Riders (Bennet Foddy),Videoball (Action Button Entertainment) et al.

Pole-Riders

In Samurai Gunn wuseln bis zu vier traditionell gewandete Pixelkrieger in Bambushainen umher und zerstückeln sich mit Schwertern und Gewehren mit atemberaubender Präzision, bis nach wenigen Minuten über Leben und Tod abgerechnet wird. In Pole Riders versuchen zwei Stabhochspringer, einen über ihren Köpfen an eine Leine gehängten Ball ins Tor des Gegners zu bugsieren, und ignorieren dabei mehr oder weniger elegant die Tatsache, dass in dieser Welt alles, und vor allem die Physik, sich gegen ihre Bemühungen sperrt. Und in Videoball mimen abstrakte Formen den, O-Ton, elektronischen Sport, den das 21. Jahrhundert aus 80er-Jahre-Science Fiction-Filme verdient hat.

Was all diesen — und einer Reihe weiterer am A.MAZE zugänglichen — Spielen trotz aller Differenzen gemeinsam ist*: Sie beziehen nicht nur den Wettkampf der Spieler, sondern auch die ihn begleitenden “Ohs!” und “Uffs!” und “Ahs!” der Zuschauer sehr bewusst in ihr Design ein. Insofern sind sie Teil einer Bewegung, die (durchaus erfolgreich) versucht, an die Spielhallen untergangener Tage anzuknüpfen und Computerspiele als gesellschaftliche Tätigkeit wieder in den öffentlichen Raum zurückzuholen — meist in enger Verbindung zu anderen kreativen Sparten wie Musik und Design. Wo allerdings andernorts Initiativen wie Babycastle in New York, der Gamespace in Los Angeles oder die (hauptsächlich) in England umherziehende Wild Rumpus-Party versuchen, der Bewegung einen etwas dauerhafteren Platz einzuräumen, ist man hierzulande auf isolierte Veranstaltungen wie das Local Multiplayer Picknick am A.MAZE angewiesen. Der Begeisterung dafür, diese durchwegs exzellenten, aber selten und noch seltener im gebührenden Rahmen zugänglichen Spiele erleben zu dürfen, ist dies freilich nur förderlich. Schliesslich gehört es sich nicht anders: Alte und neue Freunde an seiner Seite, ein kühles Getränk unter der Sitzbank, und Dutzende von gut gemeinten Ratschlägen im Ohr.

* Eine zweite, in der Leidenschaft des Augenblicks nicht weniger bedeutsame Gemeinsamkeit ist ausserdem, dass ich Dennis Kogel in all diesen Spielen unterlegen bin, aber dieser Augenblick ist gottlob nun vorbei.

Slowmo Showdown (KnabNock Games)

Sich saublöd anstellen und sich dabei wie die coolste aller Säue im Schlachthof fühlen: Das war immer schon das unausgesprochene Verkaufsversprechen von Microsofts Kinect. Die Bandbreite der Coolness-Varianten war bislang allerdings ein wenig eingeschränkt — Jane Fonda-Gedächtnisübungen runterstrampeln, mit den Sesamstrasse-Fellknäueln rumknuddeln oder seinen Quecksilberhintern zu Club-Tunes schwenken mag zwar gut und recht sein. Aber Slowmo Showdown hat erkannt, dass all dies positiv mundän wirkt im Angesicht einer mit heiligem Ernst hingeposten Grundhaltung irgendwo zwischen DC-Resterampe und Power Ranger-Ersatzbank. In Slowmo Showdown* werden zwei Kontrahenten in der Linse der Kamera zu Superhelden und -schurken gebrochen, die sich auf dahindonnernden Zügen oder anderweitig malerischen Szenerien ordentlich ein paar auf die Zwölf geben. Mittel zum Zweck sind allerdings nicht BIFFS und BAFFS induzierende Ultra-Backpfeifen, sondern Feuerbälle, die lässig aus den heroisch geballten Fäusten oder sekundenlang in der Luft balancierten Füssen beschworen werden — wenn der Superheld nicht gerade in Superagilität den Geschossen der alten Nemesis ausweicht. Natürlich alles in Zeitlupe, weil Superhelden schliesslich Superwahrnehmung haben die meisten Matches sonst orthopädisch schwere Folgeschäden nach sich ziehen müssten.

Das alles wirkt freilich optisch noch etwas krude und spielerisch limitiert genug, dass es — das Schicksal aller Kinect-Spiele — höchstens zum Partyspiel taugt. Immerhin: Es wird zwangsläufig eine SUPER-Party.

* So wirklich vorwerfen kann man dem Spiel eh nur eins: Dass es nicht Slowdown Showdown heissen will.

Evrax for 2 (Monrad & Nielsen)

Laut Ausschreibung halb interaktive Kunstinstallation, halb Spiel, halb (!) Musik-Kompositionsschissel. Gemäss Erfahrung aber ganz  Audiosurf in ausgeblutet und auf „Drogen“. Für Schostakowitsch als statisch-flimmernde Entität unter kosmischen Surfern gibt’s  Sympathiepunkte, aber Evrax for 2 denkt nicht mal in psychedelischen Träumen daran, Hirn, Herz oder Fingern etwas Wesentliches zurückzugeben. Dann doch lieber arhythmisches Schwofen zu 70er-Japano-Noiserock in Space Funeral.

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