CapriConnection „Tristan ode Isolde“ | Gessnerallee Zürich
Wagner- wie weiter?
Am Donnerstag feierte die Theatergruppe CapriConnection mit ihrem Stück “Tristan oder Isolde” Premiere im Theaterhaus Gessnerallee. Unter Anna-Sophie Mahlers Leitung, befragen und hinterfragen jene jungen Künstler, welche in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das Bühnenbild von Marthalers “Tristan und Isolde” in Bayreuth entführt hatten, die Wirkung und Bedeutung von Wagners Oeuvre, und stellen fest, dass es gar nicht so einfach ist, mit Wagner heute noch etwas anfangen zu können.
Von Daniel Riniker.
Angesichts der Tatsache, dass Anna-Sophie Mahler die letzten sieben Jahre mit der jährlichen Re-Inszenierung von Christoph Marthalers Version von „Tristan und Isolde“ an den Bayreuther Festspielen betraut war, stellte sich im Vorfeld dieses Theaterabends die Frage, wie viel Wagner, wie viel Marthaler, wie viel Mahler und wie viel „Tristan und Isolde“ man wohl zu sehen bekäme. Natürlich erhoffte man sich auch – gewährt von einer Eingeweihten – einige Einblicke in die Welt von Bayreuth, welche sich nach wie vor mit der unnahbaren Tradition des Mythos Wagner zu umgeben pflegt. Einer Reliquie gleich, war überdies ein Teil des von Anna Viebrock gestalteten Bühnenbildes vor der Verschrottung „gerettet“ und nach Zürich ins Exil gebracht worden, wo sie nun also vom freien Ensemble CapriConnection bespielt und der Mythos hinterfragt werden sollte.
Wagners Einzug in die Gessnerallee
Eine lebhafte aber wenig überraschende Debatte über die Problematik, als moderner Mensch kein Zugang zu „alten Meistern“ zu haben, bestimmte den ersten Teil der Aufführung, wobei die beiden Darstellerinnen (Susanne Abelein, Rahel Hubacher) mit parodistischen Mitteln und einer erfrischenden Nonchalance über „Tristan und Isolde“ plauderten und einige durchaus interessante Fragen aufwarfen. Die Bayreuther Festspiele waren in dieser Debatte als Negativbeispiel für bornierten Form- und Traditionsfetischismus angeführt worden, und wurden, etwas in Überlänge, regelrecht zerpflückt, wohingegen Wagner selbst ebenso wie seine Oper im Hintergrund blieben. Ebenfalls im Hintergrund stand zu Beginn überraschenderweise auch das grossangekündigte Bühnenbild, auf welches zwar hin und wieder Bezug genommen wurde, das sonst aber unauffällig in einer Ecke hingestellt war.
Rechtzeitig, als die Diskussion sich in Redundanz zu verlaufen drohte, liessen sich die Schauspieler und Musiker vom ungeheuren Sog, welcher diesem Epos innewohnt, mitreissen, und liessen Wagner auf eindrückliche Weise in der Gessnerallee Einzug halten, indem eine an die Wand projizierte Isolde sang: „O sink‘ hernieder Nacht der Liebe,“ und das bis anhin verstaute Bühnenbild wurde zu einer raumgreifenden Installation umgebaut. Damit schuf CapriConnection ein wunderschönes Bild und setzten einen wohlplatzierten Höhepunkt für ihr Stück. Diesem Moment folgten Fragen nach der Wahrheit des Liebes-Mythos und dessen Praktikabilität in einer realen Welt, welche mit Musik und berührenden, dem Anschein nach persönlichen Texten, einen stimmungsvollen und bewegenden Abschluss bildeten.
Keine Neuerfindung der Oper
Musikalische Bezüge, unter anderem auf den Tristanakkord, schlugen einen runden Bogen um das Ganze und zeichneten ein erfrischendes, anregendes und stellenweise sehr schönes Theatererlebnis. Die versprochene „Neuerfindung der Oper“ war gestern in der Gessnerallee aber nicht zu bestaunen, grosse Überraschungen blieben aus, ebenso wie viele seit langem unbeantwortete Fragen noch länger unbeantwortet bleiben werden.
Trotz des Mangels am entscheidenden Bisschen Substanz, um sich wirklich von der Masse abheben zu können, wartet die CapriConnections-Produktion mit einigen sehr sehenswerten Abschnitten in ihrer Wagnercollage auf, wobei besonders die überzeugende Susanne Abelein und der Pianist Stefan Wirth zu erwähnen sind. Von seinen Händen gespielt, wirkte gar „Isoldes Verklärung“, die von Thomas Mann nicht unzutreffend als „Lastwagen ins Himmelreich“ bezeichnete Arie, ganz zum Schluss des Stücks leicht und berührend.
Besprechung der Aufführung vom 20. Juni 2013.
Weitere Aufführungen: 22., 23., 27., 28., 28. und 30. Juni 2013.
Dauer: 8o Minuten
Besetzung
Susanne Abelein, Duri Bischoff, Benjamin Brodbeck, Boris Brüderlin, Christiane Dankbar, Benny Hauser, Rahel Hubacher, Anna-Sophie Mahler, Kris Merken, Boris Nikitin, Florian Olloz, Damian Rebgetz, Nic Tillein, Thomas Winkler, Stefan Wirth
Eine Koproduktion zwischen Festspiele Zürich, Gessnerallee Zürich, Kaserne Basel