Amanda Knox: „Zeit, gehört zu werden“

Die nackte Wahrheit

Amanda Knox: „Zeit, gehört zu werden“ (Autobiografie)

Der Fall Amanda Knox hat in den letzten Jahren weltweit für so viel Aufsehen gesorgt wie kaum ein anderer Gerichtsprozess. In einer mitreissenden Autobiografie erzählt der „Engel mit den Eisaugen“ ihre eigene Version der Geschichte.

Von Franziska Leuenberger.

zeitgehörtzuwerdenAmanda Knox, 2009 als amerikanische Austauschstudentin in Italien zu 26 Jahren Haft wegen Mordes an ihrer Mitbewohnerin Meredith Kercher verurteilt und 2011 freigesprochen, will mit „Zeit, gehört zu werden“ ihre eigene Geschichte des Falls „Amanda Knox“ erzählen. Und genau das tut sie: Schonungslos rechnet sie in ihrer teils sehr akribischen Autobiografie mit der italienischen Justiz und den italienischen Behörden ab, die sie zu dem machten, was sie heute in den Augen vieler ist: eine Mörderin. Als gewaltbereit, hinterhältig und verlogen stellt sie die Menschen dar, die ihr Leben zerstörten. „Sie hören nicht auf, mir nicht zu glauben“, so Knox, die – naiv und unerfahren – als knapp Zwanzigjährige nur an das Gute glaubte und heute für Gerechtigkeit kämpft. Dem Leser wird alsbald klar, dass diese Version des Mordfalls Kercher mit den Presseberichten nur wenige Gemeinsamkeiten hat.

Unschuldig – oder doch nicht?

Im Mittelpunkt der Autobiographie steht – nicht anders als im Strafprozess – die Schuldfrage: „Zeit, gehört zu werden“ will beweisen, dass Amanda vier Jahre unschuldig im Gefängnis sass und schon gar nicht ein „Engel mit Eisaugen“ ist. Zwar ist Amanda mit ihrer direkten Art, ihrem gelegentlichen Marihuanakonsum und dem Verlangen, sexuelle Erfahrungen zu sammeln, keine Heilige; einzig das Portrait auf dem Bucheinband und einige Familienfotos zeigen das brave Mädchen, welches Amanda Knox wohl nie war. Doch Amanda hat – entgegen dem „Engel mit den Eisaugen“ – Gefühle: Sie ist alleine, hilflos, unverstanden, und dies fernab ihrer Heimat in einem Land, dessen Sprache sie zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung nur bruchstückhaft spricht. Und so erfährt der Leser auch hautnah, wie es ist, in einem Staat, dessen Rechtssystem man nicht kennt, gefangen zu sein und aus einer schier aussichtslosen Situation nicht ausbrechen zu können.

Anklageschrift

„Zeit, gehört zu werden“ liest sich wie ein Krimi – oder eine Anklageschrift gegen diejenigen Menschen, die Amanda Knox nicht zuhörten und ihr keinen Glauben schenken wollten. Im März 2013 wurde Knox‘ Freispruch vom höchsten italienischen Gericht wieder aufgehoben; der neue Prozess gegen die US-Studentin beginnt im September 2013. Alleine dadurch wird diese Autobiografie noch viel Aufsehen erregen; ein Muss für jeden, der sich eingehender mit dem Fall Amanda Knox auseinandersetzen will.


Titel: Zeit, gehört zu werden
Autorin: Amanda Knox
Übersetzung: Marion Balkenhol, Sabine Hedinger, Peter Robert
Verlag: Droemer
Seiten: 475
Richtpreis: CHF 28.90

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