Immer mehr neue Produkte drängen auf den Markt, weil die Wirtschaft wachsen muss.

Das Prinzip Kurzlebigkeit: Konsumieren statt reparieren

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Wie alt ist ihr Drucker, wie viele Jahre besitzen sie ihr jetziges Mobiltelefon? Es grenzt schon beinahe an ein Wunder, wenn unsere Elektrogeräte länger als fünf Jahre halten. Dass diese Produkte so kurzlebig sind, ist eine Strategie der Hersteller. Viele sparen absichtlich bei der Qualität der eingesetzten Teile. Damit wir schon bald wieder ein neues Gerät erwerben und für Wirtschaftswachstum sorgen.

Sie finden sie beinahe jeden Tag im Briefkasten: Werbeprospekte mit Mobiltelefonen. Die neuesten Modelle wollen an den Konsumenten gebracht werden. Freilich besitzt dieser schon ein Mobiltelefon, jeder hat mittlerweile eins und schon bald tragen hierzulande 70% ein „Smartphone“ mit sich herum. Aber trotzdem prasselt massenhaft Werbung auf uns und unser Handy-gesättigtes Land ein.

Denn wir haben uns daran gewöhnt: Mindestens alle zwei Jahre muss ein neues Mobiltelefon her. Handyhersteller und Mobilfunkanbieter machen uns weis, dies sei normal. Mit verführerischen Angeboten und dem Reiz des Neuen wickeln sie uns um den Finger. Das alte Teil – keineswegs kaputt – wandert auf den Müll.

Dieses Phänomen, dass ein Produkt nicht mehr erwünscht ist, obwohl es noch gut funktioniert, wird Obsoleszenz genannt. Es gibt sie bei vielen Elektrogeräten wie Fernsehern oder Druckern aber auch bei Kleidern und Schuhen, nicht nur bei Mobiltelefonen. Wir kaufen neue Geräte, obwohl wir – rational betrachtet – eigentlich gar keine neuen brauchen.

Der Reiz des Neuen
Trotzdem tun wir es. Wer will schon mit einem alten „Knochen“ in der Öffentlichkeit ertappt werden. Die Hersteller sorgen mit kurzen Produktezyklen dafür, dass das neue Design das Vorgängermodell und dessen Besitzer alt aussehen lässt. Die Werbung suggeriert, dass derjenige Ansehen geniesst, der das neueste Modell besitzt.

Aber selbst Zeitgenossen, die sich diesen Zwängen nicht beugen müssen, haben Mühe, mehrere Jahre bei einem Modell zu bleiben – auch wenn sie dies wollten. Das Telefon – oder der Fernseher oder der Drucker, der Geschirrspüler oder die Waschmaschine gehen nach ein paar Jahren kaputt. Die Hersteller haben nämlich vorgesorgt und absichtlich bei der Qualität gespart. Dies ist ein weiterer Aspekt der Obsoleszenz: Die geplante Abnutzung.

In vielen Produkten sind bewusst oder aus Kostengründen Teile eingebaut, die besonders anfällig sind, kaputtzugehen – lange bevor der Rest übermässige Alterserscheinungen zeigen würde. Solche Schwachstellen sind zum Beispiel billige Kunststoffzahnrädchen in Druckern oder Mixern, Kondensatoren in TV-Geräten, Reissverschlüsse in Hosen. Ein Wunder, wenn Sie nicht mindestens einen dieser Fälle aus eigener Erfahrung kennen würden.

Reparatur unerwünscht

Dann bleibt meist keine Wahl: Neue Ware muss her. Auch weil oft ein Ersatzteil entweder nicht erhältlich ist oder unverschämt teuer wäre. Oder weil an eine Reparatur nicht zu denken ist. So lassen sich zum Beispiel „moderne“ Mobiltelefone erst gar nicht mehr öffnen. Und Ersatzteile für mehr als fünf Jahre alte Drucker sucht der Konsument vergebens.

Und auch wer ein etwas älteres Gerät wie einen Musikabspieler an seinen neuen Computer anschliessen will, erlebt einen Dämpfer: Die Geräte sind nicht mehr kompatibel, sei es wegen neuer Software oder neuen Anschlüssen. Bekannt dafür sind zum Beispiel die Produkte der Firma Apple. Dank des vermeintlichen Fortschritts muss der Konsument ein neues Gerät kaufen und damit der Geschichte der Obsoleszenz ein weiteres Kapitel hinzufügen.

Die Obsoleszenz, von den Herstellern gewünscht, hat für diese einen entscheidenden Vorteil: Sie verkaufen mehr Geräte. Und verdienen damit viel mehr als mit einer Reparatur und einem Gerät, das Jahrzehnte lang läuft. Die Unternehmen sind an Wachstum interessiert. Und in einem gesättigten Markt erreichen sie dies mit immer kürzeren Produktezyklen – der Zeit bis das (angeblich bessere) Nachfolgemodell auf den Markt kommt.

Auf der Suche nach dem Glück

Aber irgendwann einmal ist auch hier eine Grenze erreicht. Öfters als täglich werden wir ja kaum unser Mobiltelefon wechseln. Anzunehmen ist eher, dass vorher die Ressourcen knapp und damit zu teuer werden. Denn immer neue Produkte zu kaufen, ist eine gigantische Energie- und Ressourcenverschwendung. Es bleibt zu hoffen, dass „wir“ vorher etwas vernünftiger werden. Dies würde heissen: Je weniger neue Geräte und Kleider wir kaufen, desto weniger werfen wir weg. Und wirklich schlimm wäre der Erwerb von langlebigen Produkten (denn solche gibt es nach wie vor) und damit ein Verzicht auf das immer Neue auch nicht.

Nennen wir es nicht einmal Verzicht. Womöglich brächte solches Handeln gar Gewinn. Finanziell ganz gewiss und selber etwas reparieren oder in Gang bringen macht wahrscheinlich noch glücklicher als kaufen. Die Lebensqualität würde jedenfalls nicht sinken, wenn wir zehn Jahre lang den selben Mixer verwenden würden.

Links:

Heute gekauft, morgen kaputt – Quarks & Co (Fernseh-Dokumentation des WDR)

Kaufen für die Müllhalde – Die Geschichte des „eingebauten Verfallsdatums“  (Dokumentarfilm von Cosima Dannoritzer)

Reparaturführer – Geräte können manchmal eben doch repariert werden

Fairphone, das Smartphone, das etwas nachhaltiger produziert wird und langlebiger sein soll

Die Schattenseiten des (übertriebenen) Konsumierens:

Die Elektroschrott-Schande – Tages-Anzeiger, 22. Februar 2012

Der geplünderte Planet – The Club of Rome, 6. Juni 2013

Jahrzehnt der Schnäppchenjagd: Geiz war geil – Der Spiegel,  28. Dezember 2009

 

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