Notgames Fest und Platine 2013
SpielKunstKultur – Wo die hippen Leute hausen!
Notgames Fest und Platine 2013
Spiel oder Kunst oder Spielkunst oder Kunstspiel oder von allem etwas und doch etwas Eigenes? In der Woche vom 19. zum 25. August wurde Köln zu Deutschlands Spielehauptstadt. Die Industrie hatte sich gern und die Massen schoben sich durch die Messehallen, um über Stunden in den Warteschlangen auszuharren – nur für 10 Minuten Glück. Aber es ging auch anders. Fernab des Wahnsinns boten die Platine und das Notgames Fest einen Ruhepol zu all dem Trubel. Von FRANZISKA BECHTOLD.
„Was ist die Platine?“ Eine Frage, die ich nicht nur einmal hörte, dabei bot diese Sammlung an spielebezogenen Installationen in sechs, im eher alternativen Ehrenfeld gelegenen, Venues den perfekten Abendausklang. Schade, dass die nun zum vierten Mal stattfindende Parallelveranstaltung zu GDC und GC immer noch so wenig Aufmerksamkeit erhält. Mehr stände ihr zu. Ein Bier an der Bar holen und sich von all der Kreativität entzücken lassen, Menschen dabei zusehen, wie sie ergründen, entdecken, verstehen, was die Künstler ihnen sagen möchten ist hier Programm. Künstler sind in diesem Fall Gamedesigner und Digitalkünstler die ihre Projekte in Bar, Club, Showroom oder Theater präsentieren.
Was es zu sehen gab? Einen Kicker-Tisch, gespickt mit LEDs, Neonlichtern, Retrogames -Soundeffekten, laszivem Stöhnen und überschwänglichem Torjubel. Das simple Kneipenspiel wurde zum Event – wenn man es beherrscht. Ich beherrschte es nicht und drehte lieber an leuchtenden Dreiecken, von denen virtuelle Punkte abprallten, herumsprangen und dabei unterschiedliche, melodische Soundeffekte erzeugten. Nebenan spielten einige Punks lautstark eine Graffity-Version von Space Invaders. Mehr Ruhe hatte ich da im dunklen Keller wo ich entspannt das Musikvideo Signal Loss genoss, welches unter Einsatz von Kinect entstand. Sanfte Elektroklänge und ein Runner, der läuft und läuft durch eine simple, generische Landschaft, scheinbar nackt wie eine Art dunkler Silver Surfer.
Autofahren – like in the old days
Weniger ruhig als vielmehr knatternd und ratternd zeigte sich mein persönlicher Favorit: ein Rennspiel, welches über einen Overhead-Projektor, Folienschnipsel und einen Faden lief – die McGyver Version eines Racers sozusagen. So provisorisch und simpel es auf den ersten Blick wirken mochte, mit einfachen Mechanismen geschaffen, füllte es sofort den kompletten Raum und stellte mit seiner kindlichen Naivität die anderen, nicht minder kreativen, Arbeiten in den Schatten. Aber Kunst wäre nicht Kunst, hätte sie nicht einen doppelten Boden, eine Metaebene, ein tieferes emotionales Verständnis, das der Rezipient ergründen muss. So auch ein Stück Goldpapier, das sich bei Interaktion bewegt. Es scheint gleich einem Organismus zu handeln, der auf seine Umwelt mit Zusammenzucken und Abwehr reagiert und bei übermäßigem Stress plötzlich für eine Weile völlig starr bleibt. Das war die Platine: Lichtinstallationen, AMIGA ASCII ART, Videokunst, 3D-Scans, neue und alte Welten… und nebenher herrschte eine so natürliche, generelle Lässigkeit, Geselligkeit und Ausgeglichenheit, wie man sie sich in einer solch aufregenden und hektischen Woche nur wünschen kann.
Längst ist das nicht alles, was die Kunst zu bieten hat: Das Cologne Game Lab war vom 19 bis 23. August voll von – Nichtspielen. Notgames hieß die Ausstellung und zeigte Experimentelles aus der Spielekultur. Beispielsweise das mit intensiven Farbspielen und melodischen Klängen anmutende Kyoto. Es beinhaltet die Erkundung einer Insellandschaft mit einem einzigen Screen, der sich durch Interaktion mit der Maus verändert und die sich anpassendend Sound ins Zentrum der Erfahrung rückt. Präsentiert wurden die insgesamt neun “Ausstellungsstücke” in kleinen Booths aus weißem Styropor, irgendwo zwischen Kometen und übergroßem Popcorn. Apropos Kometen – ein bezauberndes “Nichtspiel” für iOS, handgezeichnet und mit einer großen Portion Liebe zum Detail. Ein Komet wird geboren, den ich durch den schönen Orbit lenken darf, auf der Suche nach noch mehr künstlerischen Kniffen und jede Menge Umherschwirrendem, das der Komet verspeist. Herzallerliebst.
Spiel? Nichtspiel? Wurscht!
Bereits einen Platz auf Steam gefunden hat Shelter vom schwedischen Studio Might and Delight. Der Spieler schützt eine Dachsmutter und ihre Sprösslinge vor den gefahren der Umwelt und begleitet sie auf ihrem Kampf ums Überleben innerhalb der natürlichen Rangordnung. Aber auch außerhalb der Ausstellung gab es einiges zu sehen. So präsentierten die bekennenden Nichtspiele-Macher von Tale of Tales ihr neuestes Baby. Luxuria Superbia heißt es und es ist.. also es ist. Bunt. Ein bunter Tunnel mit Licht. Ein bunter Tunnel mit Licht, der sich dreht und Zeugs fliegt rum. So muss es Alice gegangen sein, als sie ins Rabbit Hole fiel (auf LSD) – so fühlte ich mich zumindest alleine vom Zusehen. Hier kamen sie zusammen, die Installationen, die Kunstspiele, die Spielekunst. Und ein alter Mario mit Gehhilfe tummelte sich unter ihnen (Super Old Alfonso).
Spiel oder Nichtspiel – Vielmehr macht mich, den Besucher, hier die Erfahrung, die Interaktion mit der virtuellen Welt, das Entdecken und Verstehen zum wichtigsten Teil der ausgestellten Kunst, dem Akteur und Rezipienten. Zudem geben das alternative Gesamtkonzept, die siffigen Locations und chilligen Bars dem Treiben einen eigenen, undergroundigen Charme. Ihr wisst nicht, was die Platine ist? Ihr wisst nicht, was das Notgames Fest ist? Es ist verdammt noch mal: unheimlich cool!
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