Pokémon X/Y (Game Freak / Nintendo)
My Blastoise is bigger than yours
Pokémon X/Y (Nintendo)
Wie es für Titel unter Nintendos Banner üblich ist, erwartete man mittlerweile bei neuen Teilen alter Serien, dass sie zwar immer gut werden, aber am Ende doch wenig Neues bieten. So war es auch bei Pokémon X/Y. Irgendwie. Denn zum ersten Mal in der Geschichte dieser Serie gab es grundlegende Umstellungen, die die Erfahrung insgesamt aber kaum veränderten – der ideale Nachfolger also. Erneut vom Sammelwahn gepackt, berichtet NORMAN VOLKMANN von den neuesten Abenteuern mit Tierchen, die man einfach mal in einen Ball stecken kann und erinnert sich an die dunklen Kapitel seiner Jugend.
Ich mag Sammelaufgaben nicht. In keinem Spiel. Also theorethisch, denn ich mache sie trotzdem fast immer. „700 Collectables sammeln? Bitte nicht. Na gut – vielleicht ist es ja nicht so schlimm… Jetzt habe ich schon über die Hälfte, da kann ich auch glatt den Rest noch machen.“ So in etwa läuft das in meinem Kopf ab. Was ich auch nicht mag, ist Gartenarbeit. Auf dem Dorf im großen Garten gestaltete es sich in meiner Jugend allerdings schwierig, die Eltern davon zu überzeugen, dass Rasen mähen überbewertet sei und mir so etwas am besten nicht so oft zugemutet werden sollte. Aus Gründen. Wäre ich in einer Welt geboren, in der hohes Gras ein akzeptiertes Gut gewesen wäre, wäre das gar kein Problem gewesen. In dieser Welt würden sich Tierschützer vor die Mäher werfen, sich an Grashalme ketten — die Welt wäre eine bessere für Jugendliche. Meine Eltern hätten mich in jungen Jahren auf die Reise geschickt. Durch das hohe Gras, ohne Angst, dass mir etwas passieren könnte. Und statt zu mähen, hätte ich kleine Monster fangen können. Es hilft ja nichts, alles nur Wunschvorstellungen, leider. So musste ich alle 2 Wochen Rasen mähen und hatte nur eine grummelige Katze. Herzlichen Dank!
Was das mit Pokémon X/Y zu tun hat? Eigentlich alles! Pokémon-Spiele waren schon immer eine riesige Sammelaufgabe (mit hohem Gras). Mit 150 Tieren begann es vor mehr als 10 Jahren. Zu einer Zeit, als ich noch fast alle aufzählen konnte — in richtiger Reihenfolge! Seit der Roten Edition für den Uralt-Gameboy [auch der teaminterne Spitzname für Herrn Inderst, Anm. der Redaktion] hat sich viel getan, Pokémon Saphir und Pokémon Weiß hatte ich jeweils gespielt, aber irgendwie ganz ohne diesen gewissen Zauber zu spüren. Das Sammeln der Mini-Monster machte noch immer Spaß, aber die Verbindung zu ihnen fehlte irgendwie. Als ich weiland mein Glumanda bekam, bedeutete mir das viel. Ich kannte es aus der Serie, auf dem Schulhof erntete man „Ooohs“ und „Aaahs“ wenn es um die mächtigen drei Startpokémon und die eigenen Trainingsfähigkeiten ging. Hier und da gab es immer mal wieder Pokémon aus der ersten Generation in vergangenen Spielen, doch so präsent wie sie in X/Y sind, waren sie lange nicht mehr.
Alles beim alten?
Wer schon einmal einen Pokémon-Titel gespielt hat, wird sich schnell zurecht finden, denn das Gerüst ist im Grunde immer noch, was man schon seit den ersten Teilen kennt. Allerdings wurde die Spielwelt und deren Aussehen zum ersten Mal grundlegend saniert. Immer noch mit der Draufsicht von schräg-oben steuert man nun durch dreidimensionale Umgebungen — Highlights, wie Illumina City, die Hauptstadt der Kalos-Region, sind durch eine veränderte Kamerastellung besonders in Szene gesetzt. Wirklich beeindruckend sind aber die Kampfanimationen der Pokémon, die je nach Attacke nicht nur verschiedene Bewegungen machen, sondern auch mit Feuerstäben wedeln oder mit Knochen werfen. Schade dagegen ist allerdings, dass der 3D-Effekt (den ich sonst immer eingeschaltet habe) nur in Kämpfen oder in speziellen Momenten genutzt wird. Den ständigen Wechsel empfand ich als unheimlich störend, weswegen ich schweren Herzens gänzlich auf den 3D-Effekt verzichtete. Da Pokémon X/Y zeitgleich mit dem stereoskopschwachen Nintendo 2DS erschien, kann man den Grund dieser Entscheidung ja förmlich riechen.
Im Zentrum des Spiels stehen erneut die Kämpfe der Pokémon. Noch immer trägt man bis zu 6 der Kreaturen mit sich, noch immer verfügen diese über maximal 4 Angriffs- und/oder Verteidungsfähigkeiten, und wie seit jeher ist es ratsam, die Typen der Pokémon taktisch gegeneinander auszuspielen. Einfach ist das bei Feuer, Wasser und Pflanzen — im Laufe des Spiels fordert das bei 17 verschiedenen Pokémon-Arten (worunter auch gerne mal Mischarten sind) allerdings mehr als man denken würde. Zusätzlich gibt es wieder unzählige Kampfitems, die bestimmte Angriffsarten verstärken, schwächen oder Immunität bieten, sowie Spezialattacken, die auch außerhalb des Kampfes angewandt werden können. Ganz unabhängig von Kämpfen können Pokémon gestreichelt (!) und mit Cupcakes verwöhnt werden. Die Spielfigur selbst kann man nun einkleiden und per Promo-Video präsentieren, wenn man gegen Trainer aus der ganzen Welt antritt. Oder man tauscht seine Lieblinge gegen Pokémon anderer Trainer. Oder gegen besondere Arten, die in den unterschiedlichen Regionen der Welt anders aussehen. Oder, oder, oder. An Kreativität und Umfang mangelt es X/Y nicht.
Qual der Wahl
Stunden um Stunden habe ich bisher in das Spiel investiert und bin gerade einmal bei der dritten Arena angelangt. Nicht etwa, weil die Wege zu weit oder die Kämpfe zu schwer sind. Die Handlung ist und war in Pokémon-Titeln schon immer langweilig und so vor gespielter Fröhlichkeit triefend, dass man die Story einfach nur ignorieren sollte, wenn man älter als 12 ist. Was mich aufhält, sind die Pokémon und meine fehlende Konsequenz mich für ein festes Sechser-Team zu entscheiden. So streife ich ewig durch Wälder, Höhlen, hohe Gräser oder angele nach Pokémon, versuche alle zu fangen, die ich noch nicht habe und die zu trainieren, die sich bereits mutig für mich in jeden Kampf werfen. Neben den neuen Starter-Pokémon Fynx, Froxy und Igamaro bekommt man nach kurzer Spielzeit schon die Möglichkeit, einen der drei ursprünglichen Starter zu wählen. Dazu gibt es, wenn man rechtzeitig zuschlägt, als Geschenk ein Flemmli — und damit ein drittes Start-Pokémon aus einer vergangen Generation (Rubin/Saphir). So beginnt man mit einem Trio starker Pokémon, hat direkt die drei Grundelemente abgedeckt, wenn man entsprechend plant und dazu noch drei freie Plätze. Bei 700 Kreaturen sollte dabei wohl überlegt sein, wen man mit auf die lange Reise nehmen will. Und da genau das mein Hauptproblem ist und ich lieber „für alle Fälle“ gut trainierte Pokémon will, hänge ich ewig in den ersten Städten und trainiere alle Pokémon, die ich habe und die irgendwie cool aussehen. Also eine Menge. Noch heute freue ich mich wie ein kleines Kind, wenn sich eines entwickelt. Ich kenne ihre Stärken und ihre Schwächen — sie sind Teil des Teams.
Pokémon X/Y ist ein perfekter Titel zum nebenbei spielen. Als ich vor ein paar Jahren nach Kanada flog und überlegte, wie ich die mehr als 8-stündige Reise überstehen sollte ohne vor Langeweile einzugehen, fiel die Wahl schnell auf Pokémon. In der letzte Zeit stand zwar keine solche Reise an, aber für den Winter ist der 3DS nicht nur der perfekte Begleiter für ÖPNVs, sondern auch, wenn man am Abend auf dem Sofa sitzt, eine Serie schaut und nebenher ein paar der kleinen Monster aufleveln will. Pokémon X/Y ist immer noch kein Spiel, das man durchspielen will, es war schon immer mehr als das. Es ist ein Abenteuer mit mehr als 700 Hauptrollen, in dem man so viel verpassen kann, wenn man nicht aufmerksam ist. So kindgerecht es an vielen Stellen ist, seine Geheimnisse und Besonderheiten gibt es nicht einfach preis. Arenamedallien sind nur Mittel zum Zweck und eine kurze Genugtuung um neue Areale zu erreichen, die wieder andere Pokémon bereithalten. Kämpfen und fangen. Bei jedem wackelnden Pokéball Daumen drücken und erleichtert aufatmen, wenn man wieder eines mehr in der Sammlung hat. Toll!
Bereits erschienen.
Originaltitel: Pokémon X/Y
Plattformen: Nintendo 3DS
Genre: Rollenspiel
Entwickler: Game Freak
Veröffentlicht von: Nintendo
Sie nennen mich also „Uralt-Gameboy“!
Sie mögen das doch!
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