Cilla und Rolf Börjlind: „Die Springflut“
Ein Film in Buchform
Cilla und Rolf Börjlind: „Die Springflut“ (Kriminalroman)
Der Schritt vom Drehbuchautor zum Buchautor scheint zunächst kein grosser, hat es aber durchaus in sich. Wie zeige ich dem Leser Orte und Figuren, die ich eben nicht (wie im Film) zeigen, sondern nur in Worten beschreiben kann? Kann die Handlung zwischen zwei Buchdeckeln genauso faszinieren wie auf der Leinwand? Ein bekanntes Drehbuchautorenpaar – niemand geringerer als Schwedens wichtigste Schreiber für Film und Fernsehen – stellt sich dieser Herausforderung.
Von Stella Feineis.
Olivia Rönning ist Schülerin im zweiten Jahr an der Polizeischule. Nach einem anstrengenden Semester freut sie sich nun auf erholsame Sommerferien und denkt zunächst nicht im Traum daran, eine freiwillige Arbeit zum Thema ‚Ungelöste schwedische Kriminalfälle‘ zu verfassen. Doch dann entdeckt sie unter den Fällen ausgerechnet einen, an dem ihr inzwischen verstorbener Vater beteiligt war.
Ein eiskalter Mord
24 Jahre zuvor wurde auf der schwedischen Insel Nordkoster eine junge Frau im Sand eingegraben und dann von der hereinbrechenden Springflut ertränkt. Schockierend ist nicht nur die Art des Verbrechens, sondern vor allem die Tatsache, dass das Opfer hochschwanger war. Nicht nur die Identität der Täter und deren Motiv blieben ein Rätsel, sondern auch die Herkunft und der Name des Opfers. Zunächst nimmt Olivia die Ermittlungsarbeiten nur auf, um ihrem Vater wieder nahe zu sein, doch schon bald fasziniert sie der mysteriöse Fall mehr und mehr. Welche Rolle spielen die Geschäftsleute, die mit ihrer Yacht ganz in der Nähe vor Anker lagen? War die Tote eventuell ein Escortgirl? Antworten auf diese Fragen erhofft sich Olivia von Tom Stilton, dem damaligen Hauptermittler. Doch der ist wie vom Erdboden verschwunden.
Viele Fäden und Figuren
Zur gleichen Zeit werden in Stockholm immer wieder Obdachlose von unbekannten Tätern angegriffen, brutal zusammengeschlagen und dabei gefilmt. Die so entstandenen Clips landen dann stets auf einer Seite im Internet, aber trotz dieser filmischen Beweise hat die Polizei noch keine heisse Spur. Eine Mutter hat dagegen ganz andere Sorgen: ihr kleiner Sohn kommt in letzter Zeit häufig mit blauen Flecken und Schrammen nach Hause, die sie sich nicht erklären kann. Und der einflussreiche Firmenbesitzer Bertil Magnuson erhält einen Anruf von einem früheren Geschäftspartner, über den er sich so gar nicht freut. Zunächst scheinen alle diese Personen und Handlungsstränge nichts miteinander zu tun zu haben, doch mit der Zeit zeigen sich erste Verbindungen. Nur Zufall, oder ist alles Teil der Lösung von Olivias Mordfall?
Stärke und Schwäche in einem
Das Faszinierende an diesem Buch sind seine Figuren und die Vielzahl von Handlungsfäden, die die Autoren geschickt miteinander verknüpfen. Man merkt die langjährige Erfahrung des Duos sofort, und fühlt sich wie in einen Kriminalfilm versetzt. Diese grosse Stärke des Buches ist aber gleichzeitig – je nach Lesergeschmack – auch eine Schwäche. Erwartet man Action und rasante Entwicklungen, wird man für lange Zeit enttäuscht. Auch die Vielzahl von Namen und Figuren sowie die Umstellung auf immer neue Hintergründe und Handlungsstränge kann zu Anfang Mühe bereiten. Als Film mit charismatischer Besetzung hätte das Ganze sicherlich müheloser funktioniert. Trotzdem kann man sich auch als ‚Nicht-Fan‘ nur schwer von der Lektüre losreissen und will unbedingt wissen, wie am Ende alles zusammenhängt.
Für Fans von typischen Schwedenkrimis und Autoren wie Stieg Larsson oder Adler Olsen sicher ein ganz besonderer Leckerbissen, für Leser von eher ‚actiongeladenen‘ Krimis eventuell schwere Kost – aber durchaus einen Versuch wert.
Titel: Die Springflut
Autoren: Cilla und Rolf Börjlind
Verlag: btb
Seiten: 592
Richtpreis: CHF 29.90