Beyond: Two Souls (Quantic Dream)
Beyond: Two Thoughts
Beyond: Two Souls (Sony)
Das Ende der Playstation ist auf den Weg gebracht. Als Einleitung ihres Schwanengesangs spendierte David Cage der Konsole mit Beyond: Two Souls eine Mischung aus interaktivem Film und Spiel. Damit polarisierte er wieder einmal kräftig, was das Medienecho zeigt. Das merkt man auch bei uns in der Redaktion. FRANZI BECHTHOLD und SEBASTIAN GEIGER nehmen das Spiel ganz unterschiedlich wahr – zumindest zunächst.
Sebastian sagt…
Mit Beyond: Two Souls geht der französische Spielemacher David Cage konsequent den Weg weiter, den er schon mit Projekten wie Fahrenheit und Heavy Rain beschritten hat. Das Ergebnis ist ein spannender und nachdenklicher Thriller, der die Grenzen zwischen Computerspiel und Film verwischt. Zumindest, wenn man Beyond: Two Souls auch als genau das sieht — als interaktives Drama, das irgendwo an der Schnittstelle zwischen Film und Spiel existiert. Große Themen von Beyond: Two Souls sind der Tod und die Frage, was auf der anderen Seite liegen mag. Im Zentrum steht dabei die junge Jodie Holmes (Ellen Page). Dass Jodie eine besondere Begabung hat, merkt sie, als sie bei einer Schneeballschlacht fast einen anderen Jungen erwürgt – nur mit der Kraft ihrer Gedanken. Denn das kleine Mädchen hat einen unsichtbaren Freund namens Aiden, der sich als realer herausstellt, als ihr und ihren Eltern lieb ist.
Wie im Kino
Glanzpunkte von Beyond: Two Souls sind die Schauspieler, allen voran Ellen Page und Willem Dafoe. Zusammen mit dem hollywoodreifen Soundtrack von Hans Zimmer fühlt man sich als Spieler schnell als Mittelpunkt eines psychologischen Thrillers, der immer dann am besten wirkt, wenn die labile Jodie, die wie eine Ratte in einem Versuchslabor gehalten wird, sich mit der Welt außerhalb konfrontiert sieht. Sicher, Ellen Page und Willem Dafoe sind nicht die ersten Schauspieler, die ihre Stimmen und ihre Gesichter einem Computerspiel geliehen haben. In Beyond: Two Souls sieht man aber gut, wohin die Reise geht. Ihre Gesten und die Emotionen wirken an einigen Stellen so lebensecht, dass man sich tatsächlich in einen übersinnlichen Thriller hineinversetzt fühlt. Das ist auch die große Stärke von Beyond: Two Souls und war sie auch schon bei den Vorgängerspielen. In den besten Momenten fühlt sich der Spieler als Teil einer echten Hollywood-Produktion.
Weniger funktionieren dagegen die Szenen, die Beyond: Two Souls am nächsten an ein Computerspiel heranrücken. Natürlich gibt es auch Action. Nämlich dann, wenn Jodie ihre CIA-Ausbildung absolviert, oder vor drei Dutzend Polizisten davonläuft. Überlässt man sich der Illusion, dass man diese Abschnitte tatsächlich spielt, funktionieren sie hervorragend. Nur leider spielt man sie nicht wirklich. So flieht Jodie mit ihrem Motorrad auf regennasser Fahrbahn genau so sicher allein vor einem Sondereinsatzteam der Polizei wie wenn der Spieler sie mit kräftigem R2-Gedrücke unterstützt. Zum Glück sind diese Stellen selten genug, dass sie nur dann auffallen, wenn man sich besonders auf sie konzentriert oder übermäßig lange spielt. Beyond: Two Souls ist ein Titel, auf den man sich einlassen muss — und den man möglichst in kurzen Abschnitten spielen wollte. Schafft man beides, betritt man Grenzland: das zwischen der normalen und der übersinnlichen Welt und das zwischen Spiel und Film.
Franzi sagt…
Was habe ich mich gefreut! Als Fan des großartigen Heavy Rain konnte ich ja auch nur aufgeregt sein. Zudem bin ich Ellen Page verfallen — sie ist sympathisch und ich liebe eigentlich all ihre Filme. Aber mit Beyond und mir wird das nichts. Ich störe mich nicht an dem Begriff „interaktiver Film“ und ich störe mich nicht daran, dass das Gameplay wenig fordernd ist. Sondern ich störe mich daran, dass die Story ein uninspirierter Schlauch mit peinlichen Dialogen ist. So!
Bitte sei gut!
Ich wünschte mir so, dass es gut wird. Es ist auch nicht langweilig, nicht dass man mich falsch versteht. Aber der Single-Player wäre mir ein bisschen zu fad gewesen. Zu zweit ging das klar, einer ist Jodie, einer ist Aiden. Das ist schon nett gemacht und unterhaltsam. Daher kann und werde ich nicht sagen: Es ist ein furchtbar schlechtes Spiel. Dann hätte ich es gar nicht bis zum Ende durchgehalten. Aber jedes Mal Jodies dümmlich-verwirrtes Gesicht zu sehen nervt schon gewaltig, wenn man sie in eine Ecke steuert, in die sie nicht gehen soll, weil das Spiel es nicht vorsieht. Die Story ist zunächst interessant konzipiert und hält auch das ganze Spiel über bei der Stange. Kurz bevor es zu lächerlich wird, schafft es immer noch die Kurve zurück (vom Ende mal abgesehen, aber da bricht man es dann auch nicht mehr ab). Ich werde nun hart spoilern, denn bei diesem Spiel geht das eben nicht anders, um einige Beispiele für die Schwächen von Beyond zu geben. Die Indianer-Episode ist beispielsweise nett — aber was soll der Quatsch, ernsthaft jetzt? Wie gnädig, dass Jodie vorbeischaut und die arme arme Familie von ihrem uralten Leiden befreit, aber diese Episode bringt die Story kaum voran, es sieht einfach nur wirklich bombig aus. Der einziger Mehrwert ist, dass sie ein wenig — auch farbliche — Abwechslung bringt.
Ein Feuerwerk an dummen Sprüchen
Grauenhaft ist auch Jodies CIA-Ausflug, bei welchem sie einen afrikanischen Politiker tötet. Warum bitte nimmt sie denn ein Kind mit auf ihren kleinen Streifzug? Ja, das braucht die Story, damit es am Schluss extra dramatisch ist. Aber hinterfragt jemand, warum ein kleiner Junge mit einer Kalaschnikow als Jodies menschliches Schutzschild fungiert, bis ihr einfällt, dass das ja viel zu gefährlich ist? Die Dramaturgie rechtfertig das in meinen Augen nicht.
Das Ende ist dann ein Feuerwerk an dummen Sprüchen („Verstehen Sie das als meine Kündigung“, „Du musst jetzt ohne mich weitergehen…“) — geht’s noch? Wer hat das Drehbuch geschrieben? Ehren Kruger (Transformers)? Ein ganz großer Schwachsinn jagt den nächsten. Aber ich halte zugute, dass die Auflösung um Aiden und Jodie wirklich sehr gelungen ist. Leider ist das dann auch schon alles. Schließlich hat man dann die Wahl zwischen Jay (Wer war das denn? Ach der Indianer… hm), einer Ex-Obdachlosen-WG (Juhu, alle haben sich lieb und einen ordentlichen Job und abends schauen wir gemeinsam in die Klotze. Really?), oder dem schmierigen CIA-Idioten Ryan mit seiner blauen Stepp-Weste. Da bin ich doch lieber allein. Und um dem Ganzen noch die Cocktail-Kirsche aufs Sahnehäubchen zu setzen, gibt es einen Apokalypse-Schluss, wie ihn Paul W.S. Anderson nicht schlechter hätte machen können. Ich wartete noch darauf, dass Milla Jovovich auf ihrem Motorrad angedüst kommt.
Fazit
Kann man mal spielen und sieht in jedem Fall überragend aus. Story passt schon — wenn man Michael Bay cool findet, kann man sich das auch geben. Aber: Beyond hat längst nicht die Klasse von Heavy Rain und nach den bombastischen Ankündigungen bleibt es einfach meilenweit hinter meinen Erwartungen zurück. Das ist Weichspühler-Action mit doofen Sprüchen und wenigen Aha-Erlebnissen.
… Nachtrag Sebastian
Beyond: Two Souls ist wie eine Liebesbeziehung, die schneller vorbei ist, als man denkt. Ich habe vor kurzem versucht, das Spiel noch einmal anzuspielen. Die Betonung liegt hierbei auf „versucht“. Denn Beyond macht genau einmal Spaß, danach kennt man die Handlungsstränge so genau, dass einem jegliche Motivation fehlt, sie ein zweites Mal anzusehen. Denn – und das ist das große Problem bei David Cage – so richtig passieren tut nie etwas anderes. Jodie reagiert zwar unterschiedlich auf ihre Welt, so richtige Auswirkungen hat das aber nicht. Gut, es gibt ein paar Szenen, in denen die Endergebnisse zum Teil sehr drastisch sind – aber auch das hat keine Auswirkungen auf den Rest der Geschichte. Was bleibt, ist das spielerische Äquivalent zu The Sixth Sense. Beim ersten Mal macht es total Spaß – man sollte es aber tunlichst vermeiden, die Erfahrung wiederholen zu wollen.
Originaltitel: Beyond: Two Souls
Plattformen: Playstation 3
Genre: Adventure
Entwickler: Quantic Dream
Veröffentlicht von: Sony
Im Netz
Christof hat sich auf videogametourism (kritische) Gedanken zum Jubelreflex seitens des Breiten-Feuilletons gegenüber Beyond und David Cage gemacht.