Playstation 4 – Eine Launch-Nachlese | 3. Akt: Die Spiele

The next generation of big „F*ck you“?

Eine Playstation 4-Launch-Nachlese | 3. Akt: Die Spiele

Im zweiten Teil seiner PS4-Launch-Nachlese unterzog DANIEL APPEL Hardware und Basisfunktionalität von Sonys jüngstem Konsolenspross einer kritischen Prüfung. Der soliden technischen Ausstattung und Verarbeitung standen dabei einige ärgerliche Unzulänglichkeiten und funktionelle Mankos auf der Softwareseite entgegen. Im dritten und letzten Teil der Serie geht es jetzt um die Kernkompetenz der Next-Gen-Konsole: Die Spiele. Welche fünf Titel aus dem Launch-Aufgebot spielens- und bemerkenswert sind und warum, erfahrt ihr hier.

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3. Akt: Brot und Spiele

„Und kann man damit auch Spielen?“ – diese Frage drängte sich bei den Konsolen der letzten Generation immer häufiger auf. Denn neben ihren zahlreichen Einsatzmöglichkeiten als multiformattaugliche Media-Player, Streaming-Clients und Videorekorder (Stichwort: PlayTV), verkam die ursprüngliche Kernkompetenz von PS3 und Konsorten beinahe schon zur Nebensächlichkeit. Daher dürfte Sonys Ankündigung, sich bei der PS4 wieder stärker auf den Spiele-Aspekt zu konzentrieren, Musik in den Ohren zahlloser Spieler gewesen sein. Aber wie steht es tatsächlich um die Spielekompetenzen der neuen Playstation? Exklusiv-Titel sind bis heute äußerst rar gesät und auch sonst wurde das Launch-Lineup samt der wenigen Multiplattform-Nachzügler eher mit gemischten Gefühlen aufgenommen. Eigentlich zu unrecht, haben doch eine Reihe durchaus gelungener Spiele im Launch-Zeitfenster ihren Weg auf die PS4 gefunden. Fünf besonders erwähnenswerte Titel sollen hier nun zum Abschluss der Launch-Nachlese etwas eingehender betrachtet werden. Vorab allerdings noch zwei allgemeine Anmerkungen zu den neu hinzugekommenen Wermutstropfen beim Spielen mit der PS4 gegenüber der vorherigen Konsolengeneration: Zum einen muss jeder Titel vor dem Spielen zwangsläufig auf der Festplatte installiert werden. Das heißt: Nicht nur online erworbene Spiele aus dem Playstation-Store belegen Festplattenspeicher, sondern auch jedes Disc-basierte Spiel schaufelt (dank schnellem BluRay-Laufwerk immerhin in zwei bis drei Minuten) zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Gigabyte an Daten auf die Festplatte. Zwar lassen sich alle Spiele bereits nach wenigen Sekunden des Installationsprozesses starten und spielen, in einigen Fällen ist während der Installations- und Updatephase jedoch mit kleineren Grafikbugs und schlechterer Performance zu rechnen (z.B. bei Need for Speed Rivals). Zum anderen ist der Online-Multiplayer der meisten Spiele (ausgenommen F2P-Online-Titel) nur mit einer kostenpflichtigen PlaystationPlus-Mitgliedschaft nutzbar. Microsofts XBox-Live-Modell lässt grüßen. Aber genug der Vorrede – auf an die Spielefront!

 

Horizontales Voxelparadies

Resogun (Housemarque)

Resogun

Ich gestehe: Ich mag keine Arcade-Shooter. Jetzt ist es raus. Schon seit Defender-Zeiten quälen mich diese bockschweren Reaktionstests, in denen einem vertikal oder horizontal allerhand krudes Zeug entgegenfliegt. Hektisch weicht man unförmigen Dingen aus und hämmert dabei dauerhaft auf einen einzigen Button, damit irgendetwas durch einen Treffer der – in hundertvierundsiebzig Stufen ausbaubaren – Bordkanone explodiert. Zur Belohnung gibt es dann dasselbe in doppelter Geschwindigkeit oder in Grün – bis zur verdienten Sehnenscheidenentzündung. Nein, Freude haben mir solche Spiele nie gemacht. Bis 2007. Da schickte sich ein kleines finnisches Entwicklerteam namens Housemarque an, meine Abneigungen mittels eines fordernden und doch zugleich unglaublich entspannenden Zweistick-Shooters namens Super Superstardust HD zwischen den Sternen zu zerstreuen. Wochenlang kreiste ich Stunde für Stunde um die dreidimensionalen Planeten, in deren Umlaufbahn ich zehntausende von Alienschiffen und Asteroiden pulverisierte. Ob es daran lag, dass ich dem Umkreisen einer Kugel mehr abgewinnen konnte, als dem ollen von links nach rechts fliegen, ob es das motivierende Spielprinzip, der perfekt austarierte Schwierigkeitsgrad, die hübsche Optik oder der treibende Elektrosoundtrack war – ich weiß es nicht mehr. Auf jeden Fall rangierte Housemarque von diesem Tage an ganz weit oben auf meiner persönlichen Entwickler-Hitliste. Und dass just dieses qualitätsbewußte Team knapp sieben Jahre später mit Resogun einen weiteren PSN-exklusiven Zwei-Stick-Shooter zum Launch der PS4 abliefert, ist vermutlich ein echter Glücksfall für Sonys Next-Gen-Kiste, oder?

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Spielprinzip Resoguns dabei gar nicht allzu sehr von dem des vermeintlichen Ahnen Super Stardust HD: Anstatt um einen kugelförmigen Planeten zu kreisen, schwirre ich neuerdings in klassisch anmutender Sidescroller-Art um ein zylindrisches Stadtareal herum, das von vielfältigen außerirdischen Gleitern und Flugwesen heimgesucht wird. Diese rücken in immer neuen Wellen und wechselnden Formationen von links und rechts heran. In einem der drei unterschiedlichen Raumgleiter trete ich ihnen dabei entgegen und lasse die aufrüstbare Bordkanone sprechen. Der Clou bei Resogun ist nun, dass ich durch ununterbrochene Abschussreihen meinen Punkte-Multiplikator in die Höhe treibe und im Anschluss durch den gezielten Abschuss markierter Feinde das knappe Dutzend Zivilisten des jeweiligen Areals befreien kann. Diese wuseln dann kurzzeitig umher und wollen mittels meines Traktorstrahls aufgesammelt und zu einem Evakuierungspunkt befördert werden, um dort nicht nur den Punktestand in neue Dimensionen zu katapultieren, sondern auch eines der rar gesäten Goodies zurückzulassen. Klingt in der Theorie einfach, ist es in der Praxis aber mitnichten. Denn aufgrund des hohen Spieltempos bin ich permanent gefordert: Hier noch flugs zwei Raumschiffe abschießen damit die Multiplikatorkette nicht reißt, dann dort die markierte Gegnerreihe wegpusten damit der nächste Zivilist freikommt – während der eben aufgesammelte noch im Traktorstrahl unter dem Raumschiff baumelt und weggeschossen zu werden droht. Zum Glück steht neben einem wiederaufladbaren Boost auch noch ein begrenztes Kontingent an „Overdrives“ zur Verfügung: Nach einem kurzen Druck auf die entsprechende Taste wechselt das Spiel in eine Art Bullet-Time, in der sich der Spielablauf stark verlangsamt, das eigene Schiff aber wesentlich feuerkräftiger und agiler wird. Zudem lassen sich die Zivilisten durch gezielten Einsatz des Traktorstrahls und der Bordkanone auch in bester Pinball-Manier in Richtung Evakuierungspunkt bugsieren, wobei man allerdings ihren Tod riskiert, sollten sie aus zu großer Höhe auf dem Boden aufschlagen oder von den Aliens getroffen werden.

Resogun

So hektisch und simpel das Spielprinzip klingt, so spaßig und unterhaltsam ist es bereits nach wenigen Minuten. Noch schneller als bei Super Stardust HD habe ich mich dabei ertappt, wie ich eine der fünf verschiedenen Welten zum vierzigsten Mal gestartet habe, um auch den letzten Zivilisten zu retten, den Punkte-Multiplikator in noch höhere Sphären zu treiben oder den Highscore der vorherigen Session zu knacken. Die alte „Nur noch eine Runde“-Krankheit bricht hier schon nach wenigen Minuten aus. Aber auch abseits des fordernden und motivierenden Spielprinzips vermag mich Resogun zu fesseln: Unter anderem mit seinem brillanten futuristischen Art-Design, das auf prächtige neon-bunte Gegner und farbenprächtige Voxel-Feuerwerke vor schlichten blau-grauen Stadtruinen setzt. Oder mit seinen atmosphärischen Elektrobeats, die geradezu dazu verleiten, im Takt hundertzwanzig Gegner pro Minute vom Himmel zu pusten und sich an den rhythmisch perfekt eingepassten Explosionen zu erfreuen. Aber wo viel Neon-Licht, da finden sich auch lange Schatten und im Falle von Resogun tragen diese Schatten leider den Namen „Abwechslungsarmut“. Gehen die drei verschiedenen Gleiter mit ihren unterschiedlichen Flug- und Waffeneigenschaften gerade noch in Ordnung, ähneln sich die Welten optisch wie spielerisch leider viel zu sehr. Auch die Bandbreite an Gegnertypen ist äußerst überschaubar, sodass man bereits nach kurzer Zeit kaum noch Überraschungen erlebt und den Kontrahenten mit einmal zurechtgelegten Strategien gut Paroli bieten kann. Das ist insbesondere bei den optisch imposanten Bosskämpfen am Ende der einzelnen Welten schade, stellen doch gerade diese normalerweise den taktischen Höhepunkt eines jeden Arcade-Shooters da. Nicht so bei Resogun, wo sich die geometrischen Kolosse allzu leicht nach Schema x oder y abfrühstücken lassen. Eher in die Kategorie „Konzeptionell fragwürdig“ fällt hingegen die Entscheidung von Housemarque erstmalig in einem ihrer PSN-Spiele auf den lokalen Koop-Modus zugunsten eines reinen Online-Koops zu verzichten. Ob Publisher Sony da im Hinblick auf die kostenpflichtigen Playstation-Plus-Abos vielleicht die Finger im Spiel hatte? Sei es drum: Auch wenn Resogun vielleicht nicht das exklusive Triple-A-Highlight ist, auf dass ein jeder bei einem Konsolen-Launch schielt – grafisch ansprechend, äußerst kurzweilig und auch nach Wochen immer wieder eine, zwei oder zwanzig Runden wert, ist Resogun auf jeden Fall. Bis heute vielleicht der beste erhältliche PS4-Titel und gerade auch angesichts des fairen Preises mehr als nur einen Blick wert.

 

Titelangaben:

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Plattform: PS4
Entwickler: Housemarque
Veröffentlicht von: Sony Computer Entertainment

Im Web:

Offizielle Website
Entwickler-Website
Publisher-Website

 

„Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten.“

Killzone: Shadow Fall (Guerilla Games)

Killzone

Als Walter Ulbricht 1961 zu dieser vielleicht populärsten Lüge der mitteleuropäischen Nachkriegsgeschichte anhob, war er sich über die popkulturelle Strahlkraft des „antifaschistischen Schutzwalls“ wohl kaum im Klaren. Wie hätte er auch ahnen sollen, dass sein fragwürdiges Konzept der Teilung einer ganzen Metropole eines fernen Tages von Guerilla Games für den ersten PS4-exklusiven First-Person-Shooter im Killzone-Universum adaptiert werden würde. Just in diesem Universum sind seit dem Ende des Krieges zwischen den demokratischen Vektanern und den totalitären Helghast mittlerweile gut dreißig Jahre ins Land gezogen. Helghan, die Heimatwelt der Helghast, liegt seit dem Tage des verheerenden Finales von Killzone 3 komplett in Trümmern, ein Großteil der Bevölkerung ist tot. Nicht ganz unschuldig an der desaströsen Situation, beschließt die vektanische Führung den überlebenden Helghast Asyl auf dem eigenen Heimatplaneten Vekta zu gewähren und teilt diesen mittels einer monumentalen Mauer in zwei Hälften. Dass die friedliche Koexistenz der beiden unterschiedlichen Völker allerdings trotz offiziellem Waffenstillstand nicht mehr als ein bloßer Wunschtraum ist und die politisch angespannte Lage entlang der großen Mauer als Ausgangspunkt für den Plot in Killzone: Shadow Fall herhalten muss, ist wenig überraschend. Im Mittelpunkt der eigentlichen Erzählung steht Lucas Kellan, der zum Auftakt des Spiels als kleiner Junge mit seinem Vater aus den annektierten Helghast-Gebieten flüchtet und dabei mitansehen muss, wie sein Vater einer Patrouille der rotäugigen Neuankömmlinge zum Opfer fällt. Bevor es Lucas selbst an den Kragen geht, eilt ihm der hochrangige Shadow Marshal Thomas Sinclair zur Hilfe, flüchtet mit ihm auf die vektanische Seite der Mauer, zieht ihn groß und bildet sein Mündel einige Jahre später ebenfalls für die Infiltrations-Sondereinheit der Shadow Marshals aus. Nach einem zeitlichen Sprung von gut zwanzig Jahren findet sich der Spieler dann in der Rolle des mittlerweile erwachsenen Lucas wieder und tritt seinen Dienst für Vekta hinter den feindlichen Linien an. Einen Dienst, der ihn lehrt, wie schmal die Grenze zwischen Freund und Feind, Terrorismus und Revolution, Loyalität und Verrat ist.

Soweit die Ausgangslage des Plots in Killzone: Shadow Fall, die sich nicht zuletzt wegen ihrer realpolitischen Anleihen durchaus interessant liest und ganz nebenbei zumindest im Ansatz mit einer alten Serientradition der Killzone-Reihe bricht: Denn waren die vorherigen Teile ein Paradebeispiel für stereotypes Schwarz-Weiß-Denken und klare Freund-Feind-Zuschreibungen, schleichen sich mit Shadow Fall erstmals auch leise Zweifel an dem lange gehegten Gut-Böse-Schema ein. An die Stelle der raubeinig-heldenhaften vektanischen Soldaten und der abgrundtief bösen Helghast-Schergen aus den vorigen Killzone-Titeln, treten im Verlauf von Lucas‘ Reise eine ganzen Reihe von moralisch weniger eindeutig positionierten Charakteren: So laufe ich an selbstgerechten vektanischen Zivilisten vorbei, die sich in ihren Wohlstandsquartieren voller Abscheu über die ärmlich hausenden Flüchtlinge jenseits der Mauer echauffieren und treffe auf junge Helghast, die sich ob des Hungers und der Perspektivlosigkeit in den Slums von Neu-Helghan vor den Augen der eigenen Familie eine Kugel in den Kopf jagen wollen. Zudem erlebe ich auf beiden Seiten der Mauer extremistische politische Kräfte, die die Bevölkerung radikalisieren und in den totalen Krieg treiben wollen. Leider erfährt der Spieler von diesen Zuständen zumeist nur im Vorbeigehen – sei es mittels optional auffindbarer Sprachnotizen und Zeitungen oder in den kurzen Erkundungsabschnitten, welche die ausschweifenden Action-Passagen einklammern. Und eben diese machen nach wie vor den Löwenanteil des Spielgeschehens aus: Zumeist dirigiere ich Lucas mit zwei wechselnden großkalibrigen Argumentationsverstärkern am Mann durch teils recht ausladende, teils eng begrenzte Areale, in denen ich klassische genretypische Aufträge erfülle. Mal müssen Geiseln gerettet, mal Sprengsätze angebracht, mal verschiedende Gegenstände eingesammelt oder schlicht von Feinden bevölkerte Areale geräumt oder durchquert werden. Letzteres erfordert dabei an einigen Stellen auch mal subtiles Schleichen und gezielte Messer-Attacken in den Rücken der ahnungslosen Patrouillen. Neben den zahllosen Schusswaffen mit je zwei Feuermodi, umfasst Lucas Arsenal überdies auch eine illustre Auswahl an Haftminen, Granaten und eine fernsteuerbare Drohne. Letztere kann mit Hilfe des Dualshock4-Touchpads per Fingerstreich zu verschiedenen Hilfsdiensten herangezogen werden. So fungiert sie je nach Spielervorliebe und Situation entweder als mobiler Schutzschild, als Angriffsassistent, zur Heilung oder an einigen Stellen auch als Enterhaken, mit dessen Hilfe man eine Seilrutsche zum Überwinden von Abgründen errichtet.

Killzone

Klingt alles nach Genrestandard + X? Ist es auch – im guten wie im schlechten Sinne: Jenseits der interessanten politischen Ausgangssituation ist der eigentliche Plot in seinen starken Momenten belanglos, in seinen schwachen Momenten vorhersehbar und haarsträubend unlogisch. Schon in den ersten Stunden frage ich mich durchgängig, warum die Vektaner ihren neuen Nachbarn eine grenzenlose Remilitarisierung zugestehen, warum Lucas dem gesamten Konflikt emotional nahezu unbeteiligt gegenübersteht oder wie es die abstrus offenkundigen Kriegstreiber beider Seiten schaffen, die gesamte Staatsführung samt Zivilbevölkerung hinters Licht zu führen. Entsprechend gelingt es Guerilla Games nicht mal im Ansatz, ihren Protagonisten mit einem irgendwie gearteten Identifikationspotenzial auszustatten, einen adäquaten Antagonisten aufzubauen oder die Geschichte über den Rang belanglosen Zierrats zu erheben – schade, denn das dramaturgische Potenzial quillt dem Spiel beinahe schon aus den Poren und wird ohne Not verschenkt. Auf der spielerischen Seite hingegen löst sich Guerilla Games durchaus im positiven Sinne von den Wurzeln der Serie: Flotte Scharmützel, die dank Drohne und weitläufiger Areale eine taktische Note erhalten, lösen die mitunter behäbigen Stellungskriege der Vorgänger ab und sorgen so für frischen Wind auf Vekta. Zwar gewinnen die Gefechte mit den clever agierenden Helghast-Schergen keine Innovationspreise – fordernd, unterhaltsam und großartig inszeniert sind sie aber allemal. Womit wir dann auch schon bei der größten Stärke von Killzone: Shadow Fall angelangt wären: Der Inszenierung. Neben den actiongeladenen Sequenzen in vorzüglichster Spielegrafik, die mich ganz im Stile eines Call of Duty an einem futuristischen Hubschrauber hängend durch die Hochhausschluchten Vektas führen oder mich zum unmittelbaren Augenzeugen eines fulminanten Bombenanschlags machen, fährt der PS4-Starttitel auch in den spielbaren Abschnitten einen beinahe unvergleichlichen optischen Bombast auf. Ob bei der Landung zwischen den beeindruckenden Glasbauten des vektanischen Stadtgebiets, dem Schleichen durch das kniehohe sonnenbeschienene Gras, dem Anflug auf eine gigantische Raumstation oder beim Blick ins Gesicht der ängstlichen Flüchtlinge am Mauercheckpoint – selten hat man über den Detailgrad und die grafische Qualität von Figuren und Objekten im Wohnzimmer derart gestaunt. Das altbekannte martialische Art-Design der rotäugigen Helghast mit ihren Gasmasken und SS-inspirierten Uniformen wirkt dabei immer noch erstaunlich unverbraucht und unterstreicht insbesondere in den düster-grauen Arealen Neu-Helghans die Atmosphäre von Furcht, Unterdrückung und Gewalt auf beeindruckende Weise. Die neu hinzugekommenen farbenfrohen Areale der Vektaner setzen mit ihren leuchtenden Farben hingegen einen gelungenen Kontrapunkt und bereichern das vormals eher triste Setting um eine trügerisch harmonische Facette, die den tiefen Graben zwischen den beiden Völkern auch visuell gekonnt illustriert.

Killzone

Neben der knapp neunstündigen Kampagne, die den Spieler in diese beiden optisch divergierenden Welten entführt, bringt Killzone auch noch einen soliden kompetetiven Online-Multiplayermodus mit. Bei diesem müssen auf wechselnden Karten dynamische Missionsziele erreicht oder in gewohnter Manier möglichst viele Kontrahenten ausgeschaltet werden. Dazu wählt man auf Seiten der Vektaner oder der Helghast seinen Charakter aus einer von drei Klassen, die jeweils spezifische Fertigkeiten und anpassbare Waffensets mitbringen. Möchte man seinen Charakter aufwerten, reicht es nicht, wie bei der Genre-Konkurrenz, einfach seinen Rang durch Siege zu steigern, sondern man muss seine Scharfschützenfertigkeit oder den Granatenarm durch regelmäßigen erfolgreichen Einsatz gezielt trainieren und verschiedene Herausforderungs-Meilensteine erfolgreich absolvieren. Mit adäquaten Gegenspielern ist das auch mittelfristig durchaus unterhaltsam, sofern man denn bereit ist in ein Playstation-Plus-Abo zu investieren und mit einer bislang noch recht überschaubaren Kartenvielfalt Vorlieb nehmen mag.

Insgesamt ist Killzone: Shadow Fall seinem Wesen nach ein klassischer Launch-Vorzeigetitel: Spielmechanisch äußerst klassisch, um nicht zu sagen konservativ. Handwerklich sauber, aber wenig innovativ. Storytechnisch belanglos, aber technisch grandios. Wer einen Eindruck davon gewinnen möchte, was die Playstation 4 grafisch zu leisten imstande ist oder sich an klassischen First-Person-Shootern und deren Multiplayer-Modi nicht satt spielen kann, ist hier genau richtig. Alle anderen verbannen den Titel nach einmaligem Durchspielen ins Regal, kramen ihn aber im Zweiwochentakt wieder raus, um den Late Adopters im Freundeskreis bei der PS4-Vorführung knallhart zu illustrieren wo der grafische Hammer im Wohnzimmer hängt.

 

Titelangaben:

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Plattformen: PS4
Entwickler: Guerilla Games
Veröffentlicht von: Sony Computer Entertainment

Im Web:

Offizielle Website
Entwickler-Website
Publisher-Website

 

Substitutionstherapie für Geschwindigkeitsjunkies

Need for Speed: Rivals (Ghost Games)

Rivals 1Manchmal habe ich das Gefühl, dass alle Menschen mit der selben Generationenzugehörigkeit gemeinsam aus einem einzigen unermesslich großen Kollektiv-Pool an Erinnerungen schöpfen. Ein Gefühl, das mich besonders dann beschleicht, wenn ich etwas höre oder lese das meinen eigenen Erinnerungen überraschend nahe kommt. So zuletzt geschehen, als ich von den Jugenderinnerungen des geschätzten Kollegen Stefan von der Krone im Bezug auf den 1997 erschienenen zweiten Teil von EAs Need for Speed-Reihe las. Ihm wie mir hat dieser offenbar zahllose vergnügliche Stunden vor dem Rechner guter Freunde beschert und ihm wie mir schossen bei unseren Spritztouren durch das Redview County des neuesten Serienablegers Rivals daher wohl auch ähnliche Gedanken zum Zustand der populärsten Rennspielserie aller Zeiten durch den Kopf. Es sei daher an dieser Stelle mit Nachdruck auf Stefans unlängst erschienene Betrachtungen zu der Current-Gen-Version dieses medialen Artefakts verwiesen. Dennoch möchte ich aufgrund der etwas anders gelagerten Stellung von Need for Speed: Rivals im Lineup der PS4 doch noch ein paar ergänzende Worte verlieren. Im Gegensatz zur scheidenden Konsolengeneration steht Rivals auf der PS4 nämlich bislang ganz allein auf weiter (Rennspiel-)Flur. Von Sonys vollmundig angekündigtem DriveClub fehlt bis heute jede Spur, die sechste Inkarnation von Gran Tourismo versüßt PS-Freunden aktuell noch den Abschied von der Playstation 3 und nicht einmal Namco konnte sich bislang zu einer Ridge Racer-Neuauflage für Sonys Konsolen-Nachfolger aufraffen. Lohnt sich also mangels Alternativen der Next-Gen-Ausflug nach Redview County für die nach Benzin lächzenden PS4-Raser?

Um das Fazit vorwegzunehmen: Die Antwort lautet ganz klar Jein. Zunächst einmal unterscheidet sich die PS4-Version von Need for Speed: Rivals spielerisch keinen Deut von der Current-Gen-Generation. Immer noch heizt man offline wie online als rennverrückter Pistenrowdy in Edelboliden über das frei befahrbare Straßennetz von Redview County – permanent auf der Suche nach Kontrahenten für harte Kopf-an-Kopf-Rennen oder Herausforderungen, die einen dem Stufenaufstieg näher bringen. Zu diesen gehören neben Zeitfahrten auch die Zerstörung von Kontrahenten mittels aufrüstbarer Bordwaffen und rasante Verfolgungsjagden mit der ortsansässigen Polizei. PS-Aspiranten, die eher mit der hellen Seite der Macht sympathisieren, dürfen wie gehabt aber auch jederzeit in die Sportschlitten der Highway Patrol wechseln und den illegalen Rasern mit Rammattacke, Nagelbrett und EMP den Spaß vermiesen. Wer also schon eine Spritztour auf der PS3 oder der 360 gewagt hat, kann die Next-Gen Edelboliden getrost in der virtuellen Garage stehen lassen. Immerhin hat Ghost Games die optische Seite der Raserei für die PS4 kräftig aufgebohrt: Mit den jüngsten Patches gibt es mittlerweile beinahe stabile dreißig Bilder pro Sekunde, weitaus mehr Details, hübschere Texturen, weniger Tearing und ansehnlichere Wettereffekte.

NfS: Rivals

Leider täuscht aber auch der überwiegend positive optische Eindruck nicht über die vielen kleinen Unzulänglichkeiten von Need for Speed: Rivals hinweg. Während das Fahrverhalten für ein arcadiges Rennspiel trotz etwas unpräziser Steuerung gerade noch in Ordnung geht, das frei befahrbare Redview County abwechslungsreich gestaltet ist und die grundlegende Spielmechanik als Raser mit den Herausforderungen und dem Sammeln von Racing-Points zum Aufrüsten der Wagen durchaus zu motivieren weiß, können die restlichen Aspekte des Spiels nicht recht überzeugen. Das beginnt bei den durchweg suboptimalen Kameraperspektiven, durch die das rechtzeitige Erkennen von Gegenverkehr zum Glücksspiel wird, setzt sich beim inkonsequenten Rennverhalten der Gegner fort, die zwar meilenweite Vorsprünge herausfahren können, einem als Verfolger aber durch das magische Gummiband immer dicht am eigenen Heck kleben und endet bei dem unsäglich fummeligen Matchmaking im Online-Modus. Von der albernen „Story“ mit ihren grauenhaften Cutscenes ganz zu schweigen. Diese zahlreichen kleinen Schnitzer wachsen sich in der Summe leider zu einem durchaus spürbaren Ärgernis aus. Wer also seit Jahren kein Need for Speed mehr angerührt hat und dringlichst auf der PS4 rasen möchte, bekommt mit Rivals ein optisch ansprechendes und spielerisch solides Rennspiel. In Relation zu den beiden Vorgängern (Hot Pursuit und Most Wanted) ist es allerdings nur ein lauer dritter Aufguss des ewig gleichen – mit unerwartet schalem Abgang, ob der neu hinzugekommen Schwächen.

 

Titelangaben:

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Plattformen: PS4, PS3, Xbox 360, Xbox One, PC
Entwickler: Ghost Games
Veröffentlicht von: Electronic Arts

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Wrestling-Feeling auf dem Court

NBA2K14 (Visual Concepts)

NBA2K14

Gleich in mehrerlei Hinsicht ähneln sich Need for Speed: Rivals und NBA2K14: Beide erschienen sowohl für die alte und die neue Konsolengeneration, beide sehen im Next-Gen-Gewand deutlich schmucker aus und beide wurden bereits bei uns rezensiert. Für Details zu den spielmechanischen Feinheiten lohnt sich also nach wie vor ein ausgiebiger Besuch in Norman Volkmanns Basketballhalle. Während Ghost Games sich aber lediglich zu einer kosmetischen Überarbeitung des Raser-Alltags in Redview County durchringen konnten, haben Visual Concepts ihrem Next-Gen-Basketballfest neben neuen Texturen auch einen komplett neuen Karrieremodus spendiert. Einen Karrieremodus, in dem nicht länger der olle LeBron James die Hauptrolle spielt, sondern ein junges unverbrauchtes Talent frisch vom College, dem der Sinn nach Karriere steht.

Just dieses Talent erstelle ich direkt zu Beginn der Karriere im Spieler-Editor, der mich meinen Personalisierungswahn von den Augenbrauen über den Namen bis hin zu den Schuhen meines Alter-Egos voll ausleben lässt. Alsdann finde ich mich auch schon auf einem Trainingplatz beim entspannten Körbewerfen wieder, während mein Kumpel und Manager heranstürmt um mir frohe Kunde zu überbringen: Ich darf bei einem NBA-Rookie-Wettbewerb zeigen, was ich kann. Großartig! Auf gehts zu der Halle, wo mich ein alter Rivale aus Jugendzeiten auch direkt vor den Umkleidekabinen mit arroganter Attitüde und dummen Sprüchen anpöbelt. Ob ich vor dem großen Auftritt lieber cool bleibe oder dem Arsch doch mal kräftig die Meinung geige? Die Entscheidung liegt ganz bei mir – und wirkt sich in gewissem Umfang auch auf den weiteren Karriereverlauf aus. Nachdem ich mit meinem Youngster alles auf dem Feld gegeben und dabei mit erfolgreichen Offense- und cleveren Defense-Mannövern eine möglichst gute Bewertung abgegriffen habe, gehts ab unter die Dusche und nach Hause. In den nächsten Tagen jette ich durch das Land und führe Interviews mit verschiedenen Teammanagern, die sich aufgrund meiner Leistungen für mich interessieren. Je nach Vorliebe erzähle ich in Multiple-Choice-Dialogen wahlweise von meinem Teamgeist, meinem Ehrgeiz oder meinem Sportstipendium. Kaum eine Woche später erhalte ich dann schon wieder gute Nachrichten: Ich bin zum Draft geladen und starte demnächst in der NBA durch. Ein erster Schritt auf einem langen steinigen Weg ist genommen und die erste Profi-Saison kann kommen…

NBA2K14

Auch wenn die ersten Schritte zu Beginn der Karriere in NBA2K14 noch etwas langatmig und holperig wirken, so steigert sich deren Unterhaltungspotenzial, einmal in der Liga angekommen, doch rasant. Realistischerweise muss mein Alter-Ego zwar während der ersten Spiele noch häufig die Bank drücken, mit Ehrgeiz im Training und Überredungskünsten beim Coach geht es aber alsbald schon mal ganze Drittel auf den Court. Und selbst als Bankdrücker kommt kaum Langeweile auf, habe ich doch schon hier häufig Möglichkeiten mich zum Geschehen zu verhalten: Feier ich nach einem erfolgreichen Drittel mit meinen Jungs oder schmolle ich lieber, weil ich nicht spielen durfte? Lasse ich mich von den Alt-Stars im Team zum Laufburschen degradieren und verdiene mir ihren Respekt oder markiere ich mit schroffen Worten den Outlaw, der durch spielerische Brillanz überzeugt? Gönne ich mir nach einem Match voll verschenkter Freiwürfe lieber einen doppelten Scotch oder lege ich mit einem Teamkollegen eine nächtliche Sonderschicht Freiwurftraining ein? All diese kleinen Entscheidungen treffe ich selbst und fast alle von ihnen wirken sich später auf, aber vor allen Dingen auch neben dem Court aus. Dabei erinnert der neue Karrieremodus in NBA2K14 angenehm an jenen aus dem digitalen Wrestling-Platzhirsch Smackdown vs. RAW. Neben den sportlichen Auseinandersetzungen auf dem Platz widme ich mich zwischenmenschlichen und geschäftlichen Beziehungen, trage Fehden mit erbitterten Konkurrenten im Team und in der Liga aus, führe Multiple-Choice-Dialoge mit Freunden sowie Journalisten – und baue meinen eigenen Pro über erarbeitete Erfahrungspunkte bzw. Ingame-Währung in seinen Charakterwerten ganz nach meinen Vorlieben zum Slam-Dunk-Gott oder Drei-Punkte-König aus. Wer der sportlichen Feldarbeit gar vollends abschwören möchte, kann sogar, ganz wie bei den geistigen Wrestlingvorbildern, einfach in die Rolle des Trainers und Teammanagers wechseln. Diese neue Flexibilität gepaart mit dem narrativen Moment des Karrieremodus tut NBA2K14 mehr als gut. Es wertet das schlichte Herunterspielen einer Saison in äußerst unterhaltsamem Maße auf und baut den ohnehin schon großen Vorsprung des Basketballplatzhirsches vor der Konkurrenz aus dem Hause EA gehörig aus.

NBA2K14

Dabei erlaubt sich Visual Concepts nur wenige kleine Schnitzer auf dem Weg in den NBA-Olymp: Während die karriererelevanten Personen und Sequenzen ordentlich vertont sind, werden die kleineren Dialoge und Interaktionen mit den je nach Team variierenden Mitspielern nur mittels Textkaraoke erzählt – das ist auf einer Next-Gen-Konsole im Jahre 2014 definitiv nicht mehr zeitgemäß und schadet der atmosphärischen Dichte der Karriere spürbar. Zudem fällt auch die grafische Qualität von NBA2K14 neben dem Platz deutlich ab. Dieses Manko fällt gerade deswegen so deutlich ins Auge, weil die grafische Qualität auf dem Platz über jeden Zweifel erhaben ist: Butterweiche Animationen, lebendige Arenen, realistisch flatternde Jerseys, ausgefeilte Mimik und hervorragende Ballphysik zeigen, was auf der PS4 möglich ist. Dass gerade beim derzeit wohl ansehnlichsten erhältlichen Konsolen-Sportspiel die Umgebungen abseits des Platzes auf gehobenem PS2-Niveau rangieren, verwundert dann doch sehr. Wer sich von diesen kleinen Mankos jedoch nicht abschrecken lässt, bekommt auf der PS4 eine der anspruchsvollsten, spielmechanisch ausgefeiltesten und optisch brillantesten Sportsimulationen aller Zeiten, die mit einem äußerst motivierenden Karrieremodus auch neben dem Court für eine Menge Spielspaß sorgt.

 

Titelangaben:

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Plattformen: PS4, PS3, Xbox 360, Xbox One, PC
Entwickler: Visual Concepts
Veröffentlicht von: 2K Sports/Take Two Interactive

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Pinky und Brain auf Abwegen

Tiny Brains (Spearhead Games)

Tiny Brains

Kruder Humor, hyperintelligente Versuchstiere und schräge Laboratorien haben mittlerweile eine gewisse Tradition in Comics und TV-Cartoons. Auf Spielekonsolen hingegen ist diese Tradition noch nicht besonders etabliert. Zwar inszenierte Eidos vor einigen Jahren in Whiplash schon einmal den Aufstand possierlicher Labortiere und auch der vierarmige Hund Max aus MDK passt sich im weitesten Sinne irgendwie in den tierischen Reigen der wissenschaftlichen Versuchstiere ein – in den letzten Jahren ist es in ludischen Gefilden aber eher still um die tierischen Protagonisten der Wissenschaft geworden. „Ein unhaltbarer Zustand” befand die Truppe von Spearhead Games, die sich mit Tiny Brains kurzerhand daran machte, die Flucht eines tierischen Quartetts aus dem Labor eines irrwitzigen russischen Wissenschaftlers zu inszenieren.

Damit ist die Rahmenhandlung von Tiny Brains dann auch schon abgesteckt. Die heterogene Flüchtlingstruppe, bestehend aus dem grünen Kaninchen Stew, dem blauen Hamster Minsc, der weißen Maus Pad und der lilanen Fledermaus Dax, beginnt ihren Ausbruch in einer der zahlreichen Testkammern des Labors. Der Clou: Durch diverse Experimente hat jedes der farbenfrohen Tierchen eine außergewöhnliche Fähigkeit erhalten. So kann Stew mittels Elektromagnetismus kleinere Gegenstände heben und über eine bestimmte Distanz zu sich heranziehen, Minsc durch kalte Fusion kurzzeitig einen Eisblock erschaffen, Pad mittels Telekinese seinen Platz mit einem Gegenstand tauschen und Dax Gegenstände mittels Schallwellen schwungvoll von sich fort katapultieren. Zur Bewältigung der vielfältigen Versuchsanordnungen, die in den einzelnen Testkammern warten, müssen zumeist alle vier Fähigkeiten kombiniert werden – nur so öffnet sich der Weg in die nächste Testkammer. Was auf den ersten Blick noch verhältnismäßig einfach wirkt, wird mit der Zeit zunehmend komplexer und erfordert zudem auch gute Reflexe. So muss ich z.B. mit Minsc einen Eisblock erschaffen, Stew zügig darauf parken und ihn mit Dax über einen stachelbewehrten Abgrund bugsieren, bevor der Eisblock geschmolzen ist. Auf der anderen Seite hebe ich dann mit Stew eine Batterie aus der Versenkung, so dass sie ins Sichtfeld von Pad gerät, der prompt mit ihr den Platz tauscht. Durch gekonntes Teamwork befördere ich die Batterie also sicher über den Abgrund, schiebe sie in die Fassung und öffne dadurch die Tür zur nächsten Testkammer. Auf dem Weg dahin amüsiert mich der über meinen Fortschritt wachende Wissenschaftler immer wieder mit zynischen Kommentaren und seinem russischen Akzent. Aufgelockert werden die Knobelaufgaben aber nicht nur durch den Beherrscher des Labors, sondern auch durch verschiedene Anleihen bei anderen Genres: Mal muss ich in bester Jump’n’Run-Manier gefährlich löcherige Areale durchqueren, mal ein rosa Küken nach Tower-Defense-Art vor feindlich gesinnten Artgenossen beschützen oder eine atomar-verstrahlte Kugel absturzfrei durch die Höhen und Tiefen einer fiesen randlosen Murmelbahn lotsen. Marble Madness lässt grüßen.

Tiny Brains

Zwar lassen sich all diese Aufgaben theoretisch in bester Einzelkämpfer-Manier bewältigen, indem man mittels der Schultertasten zwischen den kleinen Protagonisten hin- und herwechselt, weitaus spaßiger und auch eine ganze Ecke einfacher wird es allerdings, wenn man zwischen einem und drei Freunde vor der PS4 versammelt. Im lokalen Koop (oder wahlweise auch online) geht das Ausbruchsabenteuer der Versuchstierchen dann weit besser von der Hand. Hat man sich erstmal im Team koordiniert und jedem seine Rolle(n) zugewiesen, entfällt das hektische Multitasking, zu dem man gerade in den späteren Abschnitten als Solo-Spieler gezwungen ist. Das sorgt einerseits gerade in den zeitkritischen Geschicklichkeitspassagen für eine deutliche Entspannung auf der spielerischen Seite und bereichert andererseits im Falle eines Scheiterns auch die Kommunikation im Freundeskreis um die eine oder andere hitzige Debatte. Vorbildlich ist dabei, dass sich eine PS Vita mittels Remote-Play-Funktion einbinden lässt und so auch bei Controller-Mangel ein zusätzlicher Mitspieler akquiriert werden kann. Überhaupt wirkt der Multiplayer-Part gut durchdacht, sodass in der laufenden Kampagne jederzeit online wie offline Spieler beliebig ein- und aussteigen können.

Tiny Brains

Aber auch abseits seines cleveren Spielprinzips weiß Tiny Brains zu gefallen: Selbst wenn die grafische Qualität des Labor-Knoblers das technische Potenzial der PS4 nicht mal anzudeuten vermag, so ist das comichafte Art-Design gepaart mit der farbenfrohen Grafik, den amüsant animierten Figuren und den abstrus-überzeichneten Laborumgebungen durchaus einen Blick wert. Insbesondere die vielen kleinen Eastereggs und Seitenhiebe auf den Forscheralltag im Labor sind äußerst charmant und haben mir des öfteren das eine oder andere Grinsen entlocken können. Leider gibt die technische Seite aber auch Anlass zur Kritik: Ist mangelnde technische Brillanz bei einem Geschicklichkeits-Knobler durchaus verschmerzbar, so sind es die spürbaren Ruckler und das massive Tearing während des Spielgeschehens leider nicht mehr. Ich gehöre bei weitem nicht zu der Fraktion, die bei einem leichten hakeligen Bildlauf einen roten Kopf bekommen – aber wenn ich in den Geschicklichkeitspassagen aus technischen Gründen Bildschirmtode sterbe, wird aus dem technischen Manko ein spielerisches. Zwar hat Spearhead-Games die Problematik mit dem letzten Patch etwas abgemildert, aber spielrelevante Technik-Patzer sind auf einer Next-Gen-Konsole schlicht und ergreifend indiskutabel. Weniger gravierend, aber dennoch erwähnenswert sind das etwas fummelige Zielsystem und die manchmal nicht ganz nachvollziehbare Physik-Engine. Während ich dem erstgenannten Problem mit einiger Übung und Geduld recht gut beikommen konnte, frustriert das zweitere leider auch auf Dauer und insbesondere in den Kugelpassagen nachhaltig.

Insgesamt steht sich Tiny Brains aufgrund dieser Mängel ein Stück weit selbst im Weg, denn sowohl die Grundidee, als auch Spiel- und Art-Design wissen eigentlich zu gefallen. Wenn man es schafft, für eine lokale Koop-Partie drei Freunde auf der Couch zu versammeln, hat man garantiert eine Menge Spaß – und selbst allein oder zu zweit ist die knapp dreistündige Laborflucht immer noch recht unterhaltsam, wenn auch der besondere Reiz fehlt. Die (teils gravierenden) technischen Mankos trüben den Spaß zwar deutlich, potenzieren den Frust aber eigentlich nur in Online-Partien ohne Voice-Chat so sehr, dass man davor warnen müsste. Kurzum: Alle sozialen Wesen, die ohnehin in größerer Runde vor der PS4 knobeln und hüpfen möchten, werden trotz der genannten Probleme und dem mäßigem Wiederspiel-Faktor ein oder zwei lustige Abende verleben. Misanthropischere Naturen importieren sich die Pinky und Brain-Staffelboxen – da sind sie sowohl weltanschaulich, als auch unterhaltungstechnisch besser aufgehoben.

 

Titelangaben:

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Plattformen: PS4, PS3, Xbox 360, Xbox One, PC
Entwickler: Spearhead Games
Veröffentlicht von: 505 Games

Im Web:

Entwickler-Website
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