Amélie Nothomb: „Blaubart“

Märchen-Neuauflage oder Women’s Empowerment Story?

Amélie Nothomb: „Blaubart“ (Diogenes)

In ihrem neuesten Roman lässt sich die bekannte französische Schriftstellerin mit dem ganz speziellen Stil diesmal von einem klassischen Märchen inspirieren, dem sie natürlich ihre eigene Wendung verpasst. Clever oder vorhersehbar?

Von Stella Feineis.

blaubartDie junge Studentin Saturnine hat ihre liebe Mühe, in der Stadt Paris eine anständige und bezahlbare Wohnung zu finden. Doch dann entdeckt sie eine Anzeige, die ein Zimmer für 500 Euro verspricht, in einem der nobelsten Viertel. Wo ist der Haken?

Ein geheimnisvoller Vermieter

Beim Besichtigungstermin stellt sich dann heraus, dass die anderen 15 Anwesenden gar nicht an dem Zimmer interessiert sind, sondern nur einen Blick auf den Vermieter werfen wollen. Der spanische Adelige Don Elemirio scheut nämlich die Öffentlichkeit und meidet jede Gesellschaft. Die einzige Person, mit der er regelmässig Zeit verbringt, ist seine jeweilige Untermieterin. Von denen gab es bereits acht; allesamt junge und hübsche Frauen, und alle spurlos verschwunden. Doch davon lässt sich Saturnine nicht abhalten. Als ihr Don Elemirio tatsächlich das Zimmer anbietet, sagt sie zu. Nicht nur die luxeriöse Unterkunft, auch der geheimnisvolle Mann haben ihr Interesse geweckt.

Ein grausames Märchen

Die Vorlage zu diesem Roman liefert ein bekanntes französisches Märchen, das auch von den Gebrüdern Grimm in ihre Sammlung aufgenommen wurde und zu den düsteren und weniger kinderfreundlichen Beiträgen darin zählt: Ein reicher Mann namens Blaubart heiratet ein junges Mädchen nach dem anderen, denn alle seine Ehefrauen verschwinden stets spurlos. Seine neueste Angetraute lässt er eine Wochen nach der Hochzeit alleine zu Hause zurück, mit der einzigen Bedingung, dass sie ein bestimmtes Zimmer nicht betreten dürfe, da dies schlimme Folgen für sie hätte. Wie alle anderen Frauen vor ihr kann sie jedoch letztlich nicht wiederstehen und entdeckt in dem verbotenen Zimmer Blaubarts düsteres Geheimnis – die Leichen ihrer Vorgängerinnen.

Ein neues Ende?

Die Moral des Märchens scheint also zu sein, dass Frauen ihre Neugier nicht zügeln können und dadurch oft in gefährliche Situationen geraten. Genau diese Moral wird aber von Nothomb in ihrem Buch erfolgreich durchbrochen – Saturnine zeigt gar keine Anstalten, sich der Dunkelkammer, deren Betreten ihr Don Elemirio streng untersagt hat, auch nur zu nähern. Stattdessen fordert sie den Adeligen bei den gemeinsamen Abendessen und ‚Champagner-Gelagen‘ zu einem Duell der Worte und des Verstandes heraus, immer mit dem Ziel, das Geheimnis zu lüften, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten. Ist Don Elemirio wirklich ein Mörder oder nur ein einsamer Sonderling? Die letzte Wendung der Handlung ist der des Märchens sehr ähnlich, gleichzeitig aber auch völlig konträr. Ob sie dem Leser zusagt, bleibt – wie beim Champagner – Geschmackssache.

Eine kurzweilige Lektüre, bei der man jedoch weder Krimi- noch Horrorelemente erwarten sollte. Bestens geeignet für emanzipierte Frauen und Fans von spitzzüngigen, teilweise sogar philosopischen Dialogen.


Titel: Blaubart
Autorin: Amélie Nothomb
Verlag: Diogenes
Seiten: 160
Richtpreis: 27.90

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