„Planet der Affen: Revolution“
Affen sind leider auch nur Menschen.
Wenn im postapokalyptischen San Francisco Mensch auf CGI-Affe trifft, ist popcorntaugliches Actionkino vorprogrammiert. Aber hat der neuste Planet der Affen auch etwas zu bieten im Sinne jener dystopischen Gesellschaftskritik, die die Originalfilme der 1960er und 70er zu Recht so berühmt machte? Karsten Senkbeil wirft einen kritischen Blick auf Planet der Affen: Revolution und muss feststellen: Affen sind leider auch nur Menschen.
“Auch wenn es in der Zukunft spielt: in Science Fiction geht es nicht wirklich um die Zukunft. Es geht immer um uns, jetzt und hier“ sagte einst Margaret Atwood bei der Vorstellung ihres hochgelobten Romans The Year of the Flood. Nirgends ist diese Einsicht klarer zu sehen als beim Planet der Affen-Franchise, das seit den 60er Jahren acht abendfüllende Filme und eine TV-Serie hervorgebracht hat. Das Original mit Charlton Heston legte im Jahr 1968 den Finger in die Wunde einer zerrissenen amerikanischen Nation. Weiße, blonde Menschen, die von schwarzen Menschenaffen in Käfige gesperrt und ausgepeitscht werden: ein zwar wenig subtiler aber umso wirksamer Kommentar auf die Geschichte des Rassismus in den USA. Am Ende küsste der weiße Held (Heston) sogar eine Affenfrau! Dass das damals ein großer Skandal war, während es im Jahr 2001, als im Remake Mark Wahlberg dasselbe tat, niemanden mehr auch nur im Ansatz schockte, lässt sich natürlich nur mit dem Blick auf das „jetzt und hier“ des jeweiligen Publikums verstehen. Die Prequelserie, deren zweiter Teil Planet der Affen: Revolution momentan im Kino läuft, positioniert sich selbstbewusst in dieser Tradition und versucht neben spektakulären Actionszenen auch die ganz großen Fragen nach dem Wesen des Menschen, des Affen, des Guten und des Bösen zu beantworten.
Viel Action, wenig Überraschung
Der Ausgangspunkt ist denkbar einfach: die Reste der nach einer Virusapokalypse stark dezimierten Menschheit haben sich in der ruinierten Innenstadt von San Francisco verschanzt und versuchen, eine rudimentäre Energieversorgung wiederaufzubauen. Dabei geraten sie in Konflikt mit den im kalifornischen Wald lebenden Affen, die nach dem Intelligenzschub, der ihnen in Laborversuchen im ersten Film (Planet der Affen: Prevolution) zu Teil wurde, im zehnten Jahr ihrer Freiheit und Unabhängigkeit eine friedliche Affengesellschaft aufgebaut haben. Ein „Rassenkrieg“ bahnt sich an. Im Jahr 2014 jedoch würde eine schlichte Umkehrung der Verhältnisse in „böse Unterdrückeraffen“ versus „versklavte Menschen“ wohl eher wie kalter Kaffee erscheinen, und diesen Weg – der bis 2001 noch eine Kernidee der Filme war – beschreitet das Drehbuch daher auch nicht.
Wenn die Menschen in den Urwald des Affenstammes eindringen müssen, um die gewünschte Ressource (hier: Strom) zu erschließen, erinnert dies natürlich mehr als nur ein bisschen an die Kolonialgeschichte. Jedoch geben sich die Drehbuchautoren um Mark Bomback jede Mühe, uns unmissverständlich klar zu machen, dass in beiden Gruppen – Affen wie Menschen – die Fähigkeit zur Empathie, Freundschaft und Barmherzigkeit ebenso angelegt ist wie Gewalt, Verrat und Machthunger. Dass es am Ende zu einer CGI-technisch grandios inszenierten Schlacht kommt, liegt daher vor allem an den unverbesserlich-bösen Rassisten auf beiden Seiten. Auf der „guten“ Seite bildet sich hingegen eine Allianz aus gutmütigen und toleranten Affen und Menschen, die für Frieden und interkulturelle Kommunikation eintreten.
Soweit, so mainstream. Disneys Pocahontas funktionierte im Prinzip genauso, Camerons Avatar auch.
Diese Mainstreamtauglichkeit von Planet der Affen: Revolution, die gar nicht darauf angelegt ist, irgendjemanden zu provozieren oder gar intellektuell oder moralisch herauszufordern, führt dabei leider zu großer Langeweile und Vorhersagbarkeit. Keiner der Charaktere ist in 130 Minuten in der Lage, uns auch nur im Ansatz ein einziges Mal zu überraschen. Jeder handelt so, wie man es ihm nach der Exposition zugetraut hätte: die Guten und Gerechten handeln gut und gerecht, die Bösen sind und bleiben böse. Die CGI-Affen sind dabei noch die etwas interessanteren Charaktere, denn die friedfertigen Menschen – die eigentlich die Helden des Films darstellen sollen – tapsen stets ein wenig naiv und blauäugig durch die Postapokalypse, sind immer völlig überrumpelt, wenn etwas Aufregendes passiert und kucken über große Strecken, wie eine Kuh wenn‘s donnert.
Der Konflikt mündet in viel zugegebenermaßen gutgemachter Action und in einem Krieg, der – um auch dieses Klischee zu bemühen – am Ende nur Verlierer kennt. Gähn. Die Virtuosität der Kameraarbeit, die verblüffende CGI der Motion-Capture-Affen und ein wie immer brillanter Gary Oldman können nicht darüber hinwegtäuschen, dass am Ende nur die Messages „Krieg ist doof!“ und „Auch wenn wir unterschiedlich sind, können wir Freunde sein!“ hängenbleiben – für einen Planet der Affen Film äußerst dürftig.
Dorfidylle wie in den 50ern
Filme in postapokalyptischen Settings inszenieren bekanntlich vor allem experimentelle Gesellschaftsformen – das Wesen menschlichen Zusammenlebens tritt zutage, wenn erst mal alle Strukturen, die wir kennen, in Trümmern liegen. In Planet der Affen: Revolution ist hier vor allem das Waldlager der neuerdings intelligenten Affen – die letztlich auch nur Menschen mit mehr Körperbehaarung und längeren Unterarmen sind – interessant: im Rahmen der Handlung starteten sie ca. 10 Jahre vorher bei Null (sie flohen am Ende von Prevolution aus ihren Käfigen in den Wald). Ein Blick ins Affendorf zu Beginn des Films ist daher besonders erhellend, welches Menschen- und Gesellschaftsbild die Autoren hier im Hinterkopf zu haben scheinen. Ähnlich den ersten weißen Siedlern auf diesem Kontinent streben diese Affen nach einer perfekten dörflichen Gemeinschaft: es wird gemeinsam gejagt, die Kinder werden (quasi-) christlich erzogen („Ape don’t kill ape“ ist erstes Affengebot), man wärmt sich am gemeinsamen Herdfeuer, Männchen bauen Speere und ziehen in den Krieg, Weibchen tragen Blütenschmuck im Haar, gebären Jungtiere und müssen dauernd vor irgendwas beschützt werden. Kurz: der ländlich-pastorale und patriarchalische Konservatismus, der bei menschlichen Kaliforniern seit den 1980er Jahren zunehmend uncool wird, ist bei den kalifornischen Menschenaffen in Revolution absolut en vogue. Diese Philosophie der neuen „noblen Wilden“ kulminiert in einer Rede des charismatischen Affenhäuptlings Caesar: er warnt, man könne in einem Krieg alles verlieren, was wirklich zählt: „home, family, future“ – Heimat, Familie, Zukunft. Das hätte Helmut Kohl nicht besser formulieren können.
Das Andere als haariges Selbst
Es gehört zu den großen philosophischen Dilemmata der heutigen westlichen Kultur, dass sie sich das kulturelle Andere nur noch schwer vorstellen kann und sich entsprechend schwertut, sich ihm zu stellen. Das Andere als „böse“ geht nicht mehr, schließlich sind wir tolerant und friedfertig. Am Ende müssen, nein, wollen wir daher am liebsten feststellen, dass das Andere eigentlich gar kein Anderes ist, sondern in der Tat genauso wie wir. So kommt man gar nicht erst auf die Idee, dass andere Werte und Lebensformen möglich und vielleicht sogar konkurrenzfähig sind.
Planet der Affen: Revolution schlägt genau in diese Kerbe und zeigt sich für einen Science-Fiction-Film, in dessen Kern die Idee einer nichtmenschlichen Kultur direkt vor unserer Haustür steht, erstaunlich phantasielos und letztlich erzkonservativ. Wie viel Potential für spannendes Geschichtenerzählen hätte in einem solchen postapokalyptischen “Clash of Cultures“ für ein im „post-racial America“ lebendes Publikum gesteckt? Diese Chance wird jedoch nicht genutzt, oder gar nicht erst als solche erkannt.
Die Primaten in Revolution ticken letztlich genauso wie wir, oder besser gesagt, wie unsere Großeltern: sie wünschen sich eine homosoziale Dorfgemeinschaft mit stabilen (natürlich monogamen) Familien, starken, mutigen Söhnen und liebevollen Müttern, ein gemütliches Lagerfeuer am Abend und einen charakterstarken männlichen Anführer, der den Laden bei äußeren Bedrohungen schon irgendwie zusammenhält. Ganz schöne Spießer, diese Affen.
Auf der Ebene des kritischen Nachdenkens über Zusammenleben, Gesellschaft und neue und alte Konflikte enttäuscht Planet der Affen: Revolution auf ganzer Linie. Hier sind Affen eben auch nur Menschen. Und sie würden vermutlich Ronald Reagan wählen.
Bereits im Kino.
Originaltitel: Dawn of the Planet of the Apes (USA 2014)
Regie: Matt Reeves
Darsteller: Gary Oldman, Keri Russell, Andy Serkis
Dauer: 130 min.