Ulrike Heider: „Vögeln ist schön“

Sex ist alles – alles ist Sex

Ulrike Heider: „Vögeln ist schön: Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt“ (Sachbuch)

Wie keine andere Zeit waren die letzten 50 Jahre geprägt durch eine intensive Sexdebatte. Von der Forderung nach Sexualaufklärung, dem Wunsch nach freier Liebe bis hin zur Frauen- und Schwulenbewegung – Sex war überall Thema. Ulrike Heider lässt die Leserschaft eintauchen in die Sexrevolte der 1968er Bewegung und führt sie mit sexualpolitischen und persönlichen Ereignissen bis in die Gegenwart.

Von Melanie Martin.

Vögeln ist schönUlrike Heider ist eine Fachfrau auf dem Gebiet der SchülerInnen- und Studierenden-bewegung sowie der Sexuellen Revolution. Seit ihrem Studium der Politik und Germanistik veröffentlichte sie bereits zahlreiche Beiträge und Bücher rund um diese Thematik, wie „Keine Ruhe nach dem Sturm“ (2001), „Schülerprotest in der Bundesrepublik Deutschland“ (1984) und „Sadomasochisten, Keusche und Romantiker. Von Mythos neuer Sinnlichkeit“ (1986). „Vögeln ist schön“ reiht sich somit nahtlos ein in ihre bisherigen Publikationen.

Gliederung der Sexgeschichte

Gegliedert wird „Vögeln ist schön“ in drei Teilbereiche: „Die Erotisierung des ganzen Lebens“ mit Fokus auf die Jahre rund um 1986 mit den ersten Auseinandersetzungen zwischen Moralpredigern und rebellischen Minderjährigen. Bedeutende Namen wie Herbert Marcuse und Oswalt Knolle fehlen dabei nicht. „Vom Kuschelsex zur Schmerzlust“ setzt sich mit der Frauen- und Schwulenbewegung in den 1970er – 80er Jahren auseinander und greift auf Michel Foucault, Aids und die Abtreibung zurück. „Gender, Missbrauch und `Porn`“ schliesslich beschäftigt sich mit Phänomenen wie Madonna, Judith Butler und Shades of Gray und der zunehmenden Kommerzialisierung der Sexualität. Zum Schluss ruft Ulrike Heider in einem kurzen persönlichen Fazit unter dem Titel „Ausblick“ auf zu einer neuen Befreiungsbewegung: die Befreiung der Sexualität aus ihrer Umklammerung des Kapitalismus.

Spagat zwischen Wissenschaft und Populärliteratur

Gleich zu Beginn des Textes wird klar, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine rein wissenschaftliche Lektüre handelt, trotz des akademischen Hintergrunds der promovierten Autorin. Persönliche Erfahrungen und Anekdoten wechseln sich mit historischen Ereignissen ab. Der Schreibstil springt von stark persönlich geprägten Äusserungen („die Glückliche…, die einen Arzt gefunden hatte, der sie vor der Schande eines unehelichen Kindes bewahrte“), hin zu akademisch abgehobenen Satzkonstruktionen („Anders als konservative und revisionistische Interpreten des Gründers der Psychoanalyse versteht Marcuse das Realitätsprinzip nicht als ewige, sondern als historisch bedingte Notwendigkeit“). Wer denn nun als Zielpublikum dieses Buches gedacht ist, bleibt bis zum Schluss unklar.

Schimmer der Hoffnung

Keine Frage, Ulrike Heider kennt sich aus in ihrem Gebiet. Die zahlreich erwähnten Namen, die 640 Fussnoten und die ins Detail beschriebenen Ereignisse – teils auch selbst erlebt – zeugen in „Vögeln ist schön“ vom grossen Wissen der Autorin. Und trotzdem vermag das Buch den Funken nicht zünden: Lese ich die Lektüre als Wissenschaftlerin, störe ich mich an den teils saloppen, unkommentierten Meinungsäusserungen, die den Ereignissen eine Färbung geben, ohne diese explizit zu machen. Lese ich die Lektüre als interessierte Leserin ohne akademisches Interesse, stolpere ich wiederholt über die dahin geworfenen theoretischen Ausdrücke und komplexen Formulierungen. Etwas ratlos vermag ich nicht zu entschieden, wem das nun Buch zu empfehlen ist und überlasse den Entscheid gerne den interessierten Personen selbst.


Titel: Vögeln ist schön: Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt
Autorin: Ulrike Heider
Verlag: Rotbuch Verlag
Seiten: 256
Richtpreis: CHF 24.90

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