Lightning Returns, Thief, Murdered: Soul Suspect (Square Enix)
Das unheimliche Mittelmaß
Lightning Returns, Thief, Murdered: Soul Suspect (Square Enix)
So viel schlechte Kritiken wie Square Enix derzeit abbekommt, könnte man meinen, die Firma mache alles komplett falsch. SEBASTIAN GEIGER mag Square Enix und die Spiele – im Prinzip. Deshalb kann er giftige Kommentare durchaus verstehen, glaubt aber, dass das eigentliche Problem ein ganz ein anderes ist.

Warum schafft Square Enix es eigentlich in einem Jahr, einen großartigen Titel nach dem anderen zu veröffentlichen (Hitman, Deus Ex, Tomb Raider), nur, um im darauffolgenden einen Rohrkrepierer nach dem anderen zu haben (Final Fantasy XIII-3, Thief, Murdered: Soul Suspect)? Square Enix war immerhin die Firma, die Final Fantasy VI auf den Markt gebracht hat (und ja, auch VII), die es geschafft hat, dass Spieler beim Finale von Final Fantasy X weinten und deren amerikanischer Teil, Eidos, Lara Croft wieder interessant machte. Die Firma zeigt also immer wieder, dass Spiele aus ihrem Haus großartig sein können. Es ist auch in den wenigsten Fällen so, dass die Spiele von Square Enix schlecht sind. Sie sind meist ok, manchmal gut und in einigen Fällen sehr gut. Leider sind Square Enix-Fans mehr gewohnt: eine Firma, die ihr Herzblut in ihre Spiele investiert. Das scheint nicht mehr der Fall zu sein. Gut zu sehen ist das an den drei jüngsten Veröffentlichungen Final Fantasy XIII-3 Lightning Returns, Thief und Murdered: Soul Suspect, die im Grunde alle dasselbe Problem haben – ihre Programmierer sind lieber auf Nummer sicher gegangen.
Final Fantasy XIII-3 Lightning Returns
Komm nur her, du Drache. Lass Lightning nur schnell in ihr Katzenkostüm schlüpfen, und dann bist du dran. So in etwa läuft ein durchschnittlicher Kampf in Final Fantasy XIII-3, Lightning Returns ab.
Das ist seltsam – aber auch längst nicht das seltsamste, was man in der Final Fantasy-Reihe bislang gesehen hat. Was ihre Supermodel-Kräfte angeht, befindet sich Lightning sogar in guter Gesellschaft. Schon die Heldinnen aus Final Fantasy X-2, Yuna und Rikku, wechselten für die Fortsetzung ins Modegeschäft. Und hat man sich erst einmal daran gewöhnt, dass Lightning jetzt allein und mit der Macht des Outfits den Gegnern ans Leder will, entdeckt man schnell die Vorzüge des Kampfsystems von Lightning Returns. Es ist flott, es macht Spaß und selbst der größte Modemuffel ertappt sich irgendwann dabei, Hüte, Taschen und andere Accessoires an seiner Heldin auszuprobieren – natürlich nur, um zu sehen, wie sich der tolle Hut, den man gerade bekommen hat, auf die Angriffswerte auswirkt!

Manchem Leser wird es an dieser Stelle auffallen, dass noch kein einziges Wort über die Story von Final Fantasy XIII-3 gefallen ist. Das ist vielleicht sogar besser so. Denn Lightings letzter Auftritt ist ein wahres Chaos. Irgendwie hat man das Gefühl, dass den Machen wohl selbst bewusst war, dass Lightnings Geschichte spätestens am Ende des ersten Final Fantasy XIII auserzählt war. Natürlich, von einem Marketingstandpunkt ist die Strategie einleuchtend. Lightning hat ihre Fans, und die kaufen eher ein Final Fantsy XIII-3 als ein Spiel namens Time Warrior, das dasselbe Kampfsystem hat, aber eben auch neue Charaktere. Diese Strategie heißt „Lieber weniger, dafür feste Verkäufe als das Risiko einzugehen, überhaupt nichts zu verkaufen“. Square Enix ist dabei beileibe nicht die einzige Firma, die so tickt. Sonst wären Filmreihen wie Transformers wohl nie entstanden. Es sagt aber auch einiges, wenn eine Firma, die ein so unglaublich großes Fanpotenzial hat, auf einmal anfängt, auf Nummer sicher zu gehen. Darunter hat auch Thief zu leiden.
Thief
In Thief wird der Spieler schon früh erzogen, nicht mehr als ein Schatten zu sein, den die anderen Charaktere im Level im Idealfall kein einziges Mal zu Gesicht bekommen. Meisterdieb Garret ist unsichtbar, seine Aufgabe ist es, von den Reichen zu stehlen und zwar so, dass jene es nicht mitbekommen. Wenn hier jemand noch das Original-Thief gespielt haben sollte, wird ihm diese Beschreibung bekannt vorkommen. Auf den ersten Blick ist der neue Garret ein würdiger Nachfolger des Originals.

Doch so wie in alten Zeiten – immerhin war Thief eines der ersten Schleichspiele überhaupt – geht es dann aber leider nicht mehr zu. Ganz dem Zeitgeist entsprechend, ist aus dem charmanten Dieb ein dunkler Zyniker geworden, der sich ganz fleißig Notizen bei Batman und anderen geschundenen Gestalten gemacht hat. Dunkel kommt bei den Fans an, und das sichert wiederum vermeintlich die Verkaufszahlen.
Oder auch nicht, wie die Verkäufe von Thief zeigen. Noch vor ein paar Jahren waren Stealth-Games die heimlichen Könige der Spielewelt. Solid Snake und Garret versteckten sich stundenlang in den diversen Schatten, Sam Fischer kam dazu, man trank gemeinsam Kaffee und wartete auf die perfekte Lücke in der Deckung der Gegner. Das die Level oft unrealistisch und mit vielen künstlichen Hindernissen gestaltet waren und die vermeintliche Freiheit deshalb gar nicht so groß wie zunächst angenommen, merkte man im Adrenalinrausch gar nicht.
Jetzt haben sich die Zeiten geändert. Ähnlich wie beim Survival Horror ist das Schleichen bei einem Stealth-Game zum Beiwerk geworden und egal, was man von dieser Entwicklung hält, sie hat das Genre verändert. Das macht die Situation von Thief besonders tragisch, denn das Studio Eidos hat mit Deus Ex: Human Revolution und Hitman:Absolution selbst gezeigt, wie moderne und anspruchsvolle Schleichspiele aussehen können. Gegen Adam Jensen und Agent 47 wirkt Garret wie ein Anfänger. Jensen und Agent 47 haben recht offene Welten vor sich, die sie erkunden können und nutzen mehr als eine Methode, ein Level zu schaffen. Alles, was Garret kann, ist, im Schatten sitzen und auf seinen Moment zu warten.
Murdered: Soul Suspect
Ich glaube, ich bin nicht der einzige, der sich vergangenes Jahr auf der Gamescom nach dem Trailer von Murdered: Soul Suspect gedacht hat: „Was für ein Spiel! Das könnte richtig gut werden!“ Und dann, ein paar Sekunden später. „Versaut es nicht.“ Harter Ermittler, Krimi, Geister, Adventure, Rätsel lösen: Solche Spiele haben das Zeug zum Klassiker, können aber auch sehr schnell zu einem Beyond: Two Souls werden. Das hat mir gut gefallen, ist aber am Ende auch an seinem eigenen Hype gescheitert.

Bei Murdered: Soul Suspect kamen die Entwicklungen, die bei Lightning Returns und Thief ersichtlich waren zusammen und führten so zu einem Spiel, das vom Design her Kompromiss und vom Marketing her falsche Erwartungen ist. Detective Ronan O’Connor stammt aus einem klassischen Hardboiled Krimi und so freut man sich als Spieler auf knackige Rätsel und eine dramatische Geschichte. Nur, die Rätsel kommen nie so richtig in Fahrt. Um ein Level zu bestehen, muss man eine bestimmte Anzahl von Hinweisen suchen, die man schließlich kombinieren muss. Leider kann man letzteres immer und immer wieder versuchen, ohne ernsthafte Konsequenzen fürchten zu müssen, was Murdered: Soul Suspect sichtlich die Dramatik nimmt. Im Laufe des Spiels wird man außerdem Zeuge vieler spannender Nebenplots – die leider nie sonderlich tief gehen. Ronan O’Connors Hauptgeschichte bleibt dagegen farblos.
Um es noch einmal zu sagen: Schlechte Spiele sind weder Lightning Returns noch Thief noch Murdered: Soul Suspect – das Problem hat eher etwas mit Erwartungshaltung zu tun. Wie sehr sich die zwischen Entwicklern und Spielern unterscheiden kann, zeigen Hitman: Absolution und Tomb Raider. Für die Fans waren sie große Erfolge: Auch, weil beide Spiele es schafften, eine ehrwürdige Franchise fortzusetzen und gleichzeitig frisch zu wirken. Man hatte beim Spielen das Gefühl, dass weniger die Finanz- und Marketingabteilungen das Spiel kreiert hatten, sondern tatsächlich Entwickler, die ein spannendes Erlebnis erschaffen wollten. Misserfolge sind Hitman: Absolution und Tomb Raider in den Büchern von Square Enix trotzdem. Beide Spiele verkauften sich schlechter, als die Entwickler es erwartet hatten. Worin deren Denkfehler liegt, hat der britische Spielejournalist Jim Sterling exzellent auf den Punkt gebracht. Der geht zurecht davon aus, dass mit etwas besserer Budgetplanung Hitman und Tomb Raider genauso große Erfolge gewesen wären wie beispielsweise Dark Souls. Das hat weniger Stück als beide Spiele verkauft, gilt aber als Riesenerfolg – allein deshalb, weil Entwickler From Software mehr auf das Geld aufgepasst hat. Am Ende sind die durchschnittlichen Ergebnisse von Lightning Returns, Murdered: Soul Suspect und Thief allein schon deshalb verblüffend, weil Square Enix und Eidos eigentlich wissen, wie man eine Serie interessant neu startet und neue Ideen gut in Szene setzt.

Was ist also schief gegangen? Lightning Returns, Murdered: Soul Suspect und Thief sind handwerklich gute Spiele. Verdient hätten Lightning und Garret (und dieser Detektiv, dessen Namen ich mir nicht merken kann – vielleicht heißt das auch etwas) jedoch nichts anderes als die Spiele-Spitzenklasse. Und die erreicht man leider nicht, indem man Kompromisse macht und Risiken schaut. Vielleicht klappt’s ja bei der nächsten Fortsetzung.
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