Vernissage „Zürcher Pioniergeist“
Zürcher Pioniergeist
Erlebnisreiche Vernissage
Der Festsaal des Kaufleutens in Zürich war bis auf den letzten Platz besetzt. Grund dafür war die Vernissage des von Beat Glogger und Fee Anabelle Riebeling herausgegebenen Buches „Zürcher Pioniergeist“. Die Anwesenden erlebten die beinahe unfassbare Bescheidenheit der Pioniere und angeregte Diskussionen – ein Abend, den man nicht so schnell wieder vergisst.
Von Luzia Zollinger.
Monatelange, harte, kreative und bestimmt nicht immer ganz einfache Arbeit liegt hinter den Autoren und allen am Buch „Zürcher Pioniergeist“ beteiligten Personen. Das Warten hat sich gelohnt und ein solches tolles Ergebnis muss natürlich auch gebührend gefeiert werden. Das Kaufleuten, mit einem Hauch von Glamour und Exklusivität, fügt sich da schön ins Bild ein. Der Festsaal war bis auf den letzten Platz proppenvoll.
Gespannt warteten die Gäste. Die Pioniere mit ihren Angehörigen waren bereits in intensive, angeregte Gespräche versunken. Beinahe hätte man den Startschuss verpasst, so bequem war es auf den dunkelbraunen Sofas, umgeben von schummrigem Licht und flackernden Rechaud-Kerzen. Als Einstimmung auf die nächsten zwei Stunden flimmerten Zitate der porträtierten Pioniere über die Leinwand wie beispielsweise „Nur wer wirklich gut ist, wird kopiert“, von Wim Ouboter oder „Meine Frau sagt, ich hätte abstruse Ideen“, von Richard Ernst.
Pioniertat über Pioniere
Manch einer wird sich fragen, wieso „Zürcher Pioniergeist“ im Lehrmittelverlag Zürich herausgekommen ist. Eine berechtigte Frage, denn es ist kein klassisches Unterrichts-Lehrmittel. Jedoch enthalte es unzählige Lehrstücke, wie Nicoletta Wagner vom Verlag erklärt. „Die Veröffentlichung dieses Buches ist auch eine Pioniertat von uns“, sagte sie lachend und bat den Herausgeber, Beat Glogger auf die Bühne.
Pioniere sind für Glogger Menschen, die etwas erfinden, erschaffen und zum ersten Mal machen. „Eine einzige gute Idee reicht dafür nicht. Man muss daraus auch etwas machen und dranbleiben.“ Wie auch schon im Vorwort erwähnt, erklärte der 54-jährige Winterthurer, wieso nur so wenige Pionierinnen porträtiert wurden. Doch das Sprichwort „Hinter jedem starken Mann, steht eine noch stärkere Frau“, trifft auf die Pioniere ganz besonders zu. Glogger meinte, sie könnten ja einen zweiten Band mit den Frauen hinter den Pionieren herausgeben und erhielt dafür wohlwollendes Lachen aus dem Saal.
Bevor sich noch mehr Ideen für weitere Bände auf der Bühne ausbreiteten, betrat sie der Musiker Christian Johannes Käser alias Pumpernickel mit seiner Gitarre. Er wusste jedoch nicht, was er dem Publikum gleich präsentieren würde und forderte dieses auf, ihm irgendeinen Begriff zu nennen. „Bratwurst“ sagte jemand. Pumpernickel griff in die Saiten und spielte eine Hymne an die Olma-Bratwurst im St. Galler Fussballstadion Espenmoos. Für ein zweites Stück, der Biberfladen-Blues, blieb noch Zeit, ehe die Autorinnen Fee Anabelle Riebeling (Mitherausgeberin), Corinne Hodel und Barbara Vonarburg sowie die ersten Pioniere die Bühne betraten. Schade, dass die Autorinnen nur kurz auf der Bühne waren und keine Zeit erhielten, um noch mehr aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Auf den thronhaft wirkenden purpurroten Sesseln diskutierte Beat Glogger zusammen mit Wim Ouboter (Mini-Trottinett), Denise Biellmann (Biellmann-Pirouette), Niklaus Wirth (Computer-Programmiersprache), Ilse Meyer (Keystone-Fotografin) und Toni Vescoli (Mundart-Musik) über ihre Leistungen und Erfindungen. Und immer wieder staunten die Zuhörer, wie bescheiden alle Pioniere sind. Sie alle haben Grossartiges geleistet und sind doch mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben. Niklaus Wirth fasste dies wunderbar zusammen: „Pioniere zeichnen sich dadurch aus, dass sie an ihre Erfindung glauben und einen starken Durchhaltewillen haben. Es ist nicht einfach ein göttlicher Funke, der hinunter kommt und dann ist die Pioniertat bereit.“

Zürich als Nährboden für Pioniere
Nicht live dabei war Boris Blank. Das über die Leinwand projizierte Interview wurde im Vorfeld aufgezeichnet. Er war genau in diesen Minuten in London, wo sein neustes Video zeitgleich abgespielt wurde. Live hören durfte das Publikum hingegen den allerersten Mundartsong von Toni Vescoli über Willhelm Tell. Der heute in Wald im Zürcher Oberland lebende Zürcher hatte diesen Song auf Anfrage der Zeitschrift „Pop“ für die Musikmesse „Hitfair“ geschrieben. Ein Genie sei er aber nicht, betonte Vescoli, er sei viel zu normal.
Gerne hätte man den Pionieren noch stundenlang bei ihren Gesprächen zugehört. Schön, dass Zürich ein Nährboden für Pioniere gewesen war und immer noch ist. Denn sonst hätten die Anwesenden dieses Privileg, so viele Pioniere auf einmal kennen zu lernen, nicht erleben dürfen.
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