10 Schwächen in Staffel 5 von Game of Thrones
Vom Thron gefallen
Wer hätte gedacht, dass „Game of Thrones“, eine der vielversprechendsten TV-Serien des neuen Jahrzehnts, zur Mitte der fünften Staffel das gleiche Schicksal ereilen würde wie einst die Gäste seiner blutigsten Hochzeitsszene, dem ‚Red Wedding‘. Die Produzenten David Benioff und Dan Weiss fahren ihre Adaption von George RR Martins Fantasyreihe in der fünften Staffel mit bemerkenswerter Systematik gegen die Wand.
Warnung: Dieser Artikel enthält Spoiler zu den ersten 6 Episoden der fünften Staffel von „Game of Thrones“
Von Lukas Hunziker.
„Fanfiction“ ist jenes Wort, mit welchem die Fans von George R.R. Martins Fantasyreihe „A Song of Ice and Fire“ deren Adaption momentan abstrafen. Zum Ärger der Millionen von Fans dieser Adaption, der TV-Serie „Game of Thrones“, die auch zu Beginn der fünften Staffel Rekordquoten erzielte (nun aber mit jeder Episode Zuschauer verliert). Sie überschütten die „book purists“ oder „book snobs“ mit Häme und Spott, vertreiben sie schimpfend aus den populären Foren, damit sie in Ruhe jede Szene loben können, die sie einfach genial fanden – und das sind oft so ziemlich alle.
Doch man muss kein book snob sein, um über die fünfte Staffel von „Game of Thrones“ so richtig den Kopf zu schütteln. An den ersten drei Staffeln gab es wenig auszusetzen, auch wenn man sich an den gelegentlichen unnötigen Sexszenen schon damals zurecht stören konnte (später mehr dazu). Die Serie glänzte durch gut geschriebene Dialoge, wunderschöne Sets und Kostüme, sorgfältige Figurenentwicklung und einer nahtlosen Struktur auf Episoden- wie Staffelebene. Die vierte Staffel brachte erste Schwächen ans Licht – grosse Szenen ohne Handlungsrelevanz wurden hinzugefügt, Nebenhandlungen abgeändert, wichtige Ereignisse unnötig verzögert. Damit kann man leben. Doch nun, nach der sechsten Folge der fünften Staffel, ist die Serie fast nur noch lächerlich. Was ist passiert? Viel – zu viel, um alles zu erwähnen. Wir beschränken uns im ersten Artikel zu diesem Thema auf 10 Dinge.
1 Unterwegs verloren – aber wer merkt das schon?
Wer sich an die Szene in der dritten Staffel erinnert, in welcher Stannis Baratheon drei Blutegel ins Feuer wirft, welche die drei falschen Könige Robb Stark, Joffrey Baratheon und Balon Greyjoy schnellstmöglich ihrem Schicksal zuführen sollen, stutzte schon in der vierten Staffel: Zwei sterben, aber der dritte? Was ist mit diesem Balon Greyjoy? Tja, wir wissen es nicht – die Ironborn, sein Volk, kamen in der vierten Staffel kaum vor. Sein einziger Sohn, Theon, wird seit mittlerweile 20 Episoden von Ramsay Bolton gefoltert. Ach, und Theons Schwester, Yara? Die segelt wohl nach dem missglückten zweiminütigen Versuch, ihren Bruder zu retten, einmal um die ganze Welt zurück und fragt sich, warum sie diesen idiotischen Plan Ende der dritten Staffel überhaupt geschmiedet und im Staffelfinale pathetisch verkündet hatte. Balons Tod mag noch kommen – doch wer dieser Balon ist und warum erst stirbt, wird jeder zweite Zuschauer bis dahin vergessen haben. Ach, und Stannis ist es scheinbar egal, dass die Blutmagie seiner Feuerpriesterin, Melisandre, nur in zwei von drei Fällen funktioniert hat (sie hat dafür tolle Titten, siehe unten).
Balon Greyjoy und die Ironborn sind immerhin in guter Gesellschaft. Schon länger verschollen sind auch Edmure Tully (der Bräutigam am Red Wedding) und sein Onkel, der Blackfish, der als einziger flüchten konnte. Ist aber wohl nicht weit gekommen. Oder er ist der Bruderschaft unter Thoros von Myr und Beric Dondarrion beigetreten, die wir seit Staffel 3 auch nicht mehr gesehen haben – obwohl die z.B. Tote erwecken können. Aber in Westeros stirbt ja niemand – weshalb diese Fähigkeit wohl nutzlos ist. Ebenfalls in den Riverlands rennt übrigens noch immer Nymeria herum, Aryas Wolf, den wir schon in der ersten Staffel dort verloren haben. In Martins Romanen lebt Nymeria noch und hat eine nicht unwesentliche Rolle in den dortigen Geschehnissen. Apropos Arya – ihrer Liste mit Leuten, an denen sie sich rächen will, sind auch ein paar Namen verloren gegangen. Gestrichen wurde z.B. Melisandre, Stannis‘ Feuerpriesterin. Vielleicht, weil die Zuschauer vergessen sollen, dass diese nur auf der Liste gelandet ist, weil sie Gendry, Aryas Reisegefährte, entführte. Der rudert übrigens seit sechzehn Folgen nach Kings Landing.

Von den Lords der nordischen Häuser haben wir übrigens seit Mitte dritter Staffel ebenfalls nicht mehr gehört. Zwar schreibt Stannis Briefe an sie, um ihre Loyalität zu gewinnen, und Roose Bolton will mit der Heirat zwischen seinem Sohn Ramsay und Sansa Stark die Loyalität dieser Nordmänner gewinnen, aber beide kamen wohl nicht weiter als bis zum Anrufbeantworter. An der Hochzeit zwischen Sansa und Ramsay ist denn auch nur das Küchengesinde zugegen – Myranda, die Tochter des Hundeführers, darf sogar in der vordersten Reihe stehen. Aber die Hochzeit wurde ja schliesslich nicht aus Plotgründen inszeniert, sondern um wieder einmal eine Schockszene zu landen.
Auch vergessen hat man in Westeros das Motto der Starks. Der Winter kommt nicht – in Castle Black war es in der ersten Staffel kälter zu Beginn der fünften – und damals war es noch Sommer. Jon Snow verbringt in den Romanen viel Zeit damit, Vorräte anzulegen und zu rationieren. Das ist aber scheinbar so grausam langweilig in einer TV-Adaption, dass man nicht mal darüber sprechen kann. Warum Zeit damit verschwenden, an solche Dinge zu erinnern, wenn man stattdessen Brüste zeigen kann (noch mehr noch später). Schneien tut es im Norden erst ab der Hochzeitsszene – vorher spaziert Sansa in Winterfell mit grosszügigem V-Ausschnitt herum.
Das ausgebliebene Tiefdruckgebiet befindet sich wohl über den Twins, wo die Freys seit dem ‚Red Wedding‘ so sehr mit dem Vergraben der Leichen beschäftigt sind, dass sie vergessen habe, die neu gewonnene Macht zu sichern. Aber wer soll diese schon bedrohen? Stannis‘ Söldnerarmee ist zwar noch irgendwo und laut den Boltons, die von Winterfell aus regieren, grösser als die eigene Armee, aber Stannis sucht wie gesagt erfolglos Verbündete – rächen will das Massaker aus Staffel 3 scheinbar niemand (obwohl Rache das Thema der Staffel ist – auch dazu gleich mehr). Die Wildlinge hätten sich für Stannis‘ Krieg vielleicht sogar gewinnen lassen, hätte Stannis ihren Anführer nicht aus Sturheit verbrannt. Ob die kannibalische Thenns mitgemacht hätten, ist aber eine andere Frage. Aber, Moment, die haben wir ja auch nur kurz in der vierten Staffel gesehen (weil sie nicht die geringste Relevanz für die Handlung haben und nur zu Schockzwecken eingeführt wurden).
Die Liste könnte noch beliebig verlängert werden. Eine Erwähnung muss noch sein. In der zweiten Staffel begegnet Danaerys (die bisher nur ihren Sinn für Mode verloren hat) Quaithe, einer Prophetin, die alles über sie zu wissen weiss und sie deshalb in den Büchern immer wieder in Visionen heimsucht. Warum eine so spannende Nebenfigur casten und dann einfach liegen lassen. Aber hey, wer Quoten macht, darf auch mal was fallen lassen.
2 Die schlechteste Regentin und Mutter der sieben Königreiche
Cersei – von einigen book snobs nur noch Carol genannt, weil sie mit Martins Cersei kaum noch viel gemeinsam hat – regiert in Staffel 5 Kings Landing. Warum, weiss niemand. Tommen, ihr einziger noch lebender Sohn, war in Staffel 2 zwar noch ein vielleicht 6jähriges Kind, ist aber pünktlich auf Staffel 4 ein paar Jahre gealtert (anders als in der Buchvorlage, wo er bei seiner Heirat erst 8 Jahre alt ist). Er heiratet Margaery Tyrell (die Frau seines am ‚Purple Wedding‘ vergifteten Bruders Joffrey) in der Serie als 14jähriger, damit man die Hochzeitsnacht zeigen kann. Der Junge besorgts der einige Jahre älteren Margaery vier Mal in dieser Nacht (warum das daneben ist, dazu kommen wir noch). Regieren kann er aber scheinbar noch nicht; er geht nicht mal an seine Ratssitzungen, um sich über das politische Geschehen zu informieren. Das macht sein 8-jähriges Pendant in den Büchern auch nicht – der spielt lieber mit Katzen. Wobei das der Tommen in der Serie bis drei Wochen vor seiner Entjungferung auch noch tat. Verwirrend, aber nun gut. Merke: Tommen wird von einem 16jährigen gespielt, damit eine Sexszene drin ist, benimmt sich aber weiterhin wie ein 8jähriger. Willing suspension of disbelief, people!
Cersei regiert also. Warum sie das kann, tja, sie tut’s einfach. Berater hat sie keine mehr, ausser Grandmaster Pycelle, den sie hasst, und Qyburn, ihrem persönlichen Dr. Frankenstein, der aus dem dahinsiechenden Ritter Gregor Clegane einen Zombie baut. Mace Tyrell, dessen Familie für Cersei die Schlacht gegen Stannis gewonnen hat und der der reichste Mann der sieben Königreiche ist, betätigt sich glücklich als Türsteher und Botengänger (weil: lustig!). Den Lord Commander der Königsgarde, ihren Bruder Jaime, schickt Cersei ebenfalls weg, auf ein Buddyabenteuer im verrückten Süden (später mehr). Endlich alleine, trifft sie eine dumme Entscheidung nach der anderen: Sie bewaffnet religiöse Fanatiker, ohne eine Gegenleistung zu verlangen, schmiedet Pläne gegen die Tyrells, die sie für Feinde hält, gefährdet munter das Leben ihrer noch lebenden Kinder und scheint dabei ihren toten Sohn und Vater fast vergessen zu haben. Alles, was sie tut, tut sie aus Rachegelüsten, Eifersucht und schierer Fiesheit – wobei auch das geraten ist, denn Cerseis Motive sind so undurchsichtig wie die Mauer höchstpersönlich. Nun gut, Cersei ist auch in Martins Vorlage eine böse Natur, aber keine dumme – sie sichert sich ihre Macht mit geschickten Deals (und macht nur einen fatalen Fehler…).

In der Serie müsste ihr Fehler eigentlich darin bestehen, dass Cersei die Königsgarde aus Versehen abschafft. Dass diese überhaupt noch besteht, ist verwunderlich: Barristan Selmy wurde in der ersten Staffel pensioniert, der ‚Hound‘ ist Ende dritte Staffel desertiert, Ser Balon Swan wurde von Pod aufgespiesst, Ser Meryn begleitet Mace Tyrell nach Bravos. Neu rekrutiert wurde nie (anders als in der Romanvorlage, in der z.B. Loras Tyrell aufgenommen wird). Da die Königswache traditionellerweise aus sieben Mitgliedern besteht, dürften also noch maximal zwei Königsgardisten herumstehen. Und die bewachsen laut Cersei ja meistens das Schlafgemach von Tommen. Sie selber muss aber schon nur deshalb nicht bewacht werden, weil die Dame sowie dauerbetrunken und dadurch selber die grösste Gefahr für sich ist.
Es regiert also eine völlig irrational handelnde Alkoholikerin mit der Gerissenheit eines Walliser Schwarznasenschafes. Ein Problem damit hat aber scheinbar niemand: In der Serie ist ihre Cerseis Macht unbestritten, obwohl Margaery, die Tommen längst auf ihre Seite gezogen hat, sie problemlos entmachten könnte (niemand, absolut niemand unterstützt Cersei in der Serie). Ihr Sohn ist der einzige, über den sie sich Macht sichern könnte, aber ihm will sie die Freundin wegnehmen, obwohl diese ihn ja vom Regieren mit sexuellen Eskapaden vom Regieren abhält. Alles sehr undurchsichtig und widersprüchlich. Im vierten Band der Romanserie ist Cerseis Geschichte trotz ihrer Handlungsarmut eine der spannendsten und unterhaltsamsten – mit einem Twist am Schluss, der einem die Sprache verschlägt. Wird in der Serie nicht passieren. Subtil ist kein Wort, dass Benioff und Weiss kennen. Immerhin dürften sie sich nach wie vor mit Cersei identifizieren. Auch sie haben alle Macht und machen nichts damit, was Sinn macht.
3 Rache – der einzige Grund, in Westeros am Morgen aufzustehen
Rache ist das Thema der fünften Staffel. Aryas Liste ist vielleicht deshalb kürzer geworden, weil sie Unterstützung bekommen hat und nicht mehr alle allein erledigen muss. Ellaria Sand, die Witwe von Oberyn Martell, der in der vierten Staffel umkam, will Rache. Oberyns Töchter auch. Sansa will sich an den Boltons rächen (wobei sie das schon wieder vergessen hat). Brienne will Renly rächen. Stannis will sich an den Boltons für den Mord an Robb rächen. Und Jons neuer Knabendiener, dieser Olly? Auch der wird sich rächen – zu oft zeigt ihn die Kamera, wenn über die Wildlinge gesprochen wird. An wem er sich rächen wird? Die book purists ahnen es …
David Benioff und Dan Weiss, kurz D&D, erklärten Aryas Zögern in der dritten Folge der fünften Staffel, ihr Schwert ‚Needle‘ ins Meer zu werfen, indem sie sagten, dieses Schwert verkörpere für Arya die Rache. Wie bitte, dachten nicht nur die book snobs (die wissen, dass das Schwert sie an Jon Snows Lächeln erinnert), sondern auch die Zuschauer, die Arya in dieser Szene herzergreifend weinen sahen. Maisie Williams, die Arya spielt, scheint die Szenen besser verstanden zu haben als die beiden Produzenten. Arya ist mehr als ein rachsüchtiges Balg – sie ist eine von jenen, die mehr verloren hat als alle anderen, und dies im Alter von 10 Jahren. Aber eben, das Thema der Staffel ist Rache! Die ist süss!

Rache ist auch bei Martin ein Thema und dort ist sie neben süss auch narrativ überzeugend und überraschend. Zwei Figuren verkörpern in den Romanen diese Rache mehr als alle anderen – Wyman Manderly, ein ehemaliger Vasall der Starks, der einen teuflischen Plan ausheckt, um sich an den Freys und Boltons zu rächen, und eine gewisse Lady Stoneheart, über die hier nichts gesagt werden soll in der Hoffnung, dass Sie, liebe Leserin oder lieber Leser, eines Tages die Bücher lesen. D&D fanden diese Figur unnütz und strichen sie, genauso wie wohl auch Manderly. Durch die Nebenhandlungen wäre das Thema auf wesentlich spannendere und intelligentere Weise auf den Tisch gekommen. Die Streichung dieser beiden Figuren tut vielen Buchfans besonders weh. Vor allem, da wir statt ihnen die erbärmlichen Sandsnakes haben. Bevor wir zu diesen kommen, zuerst aber:
4 Littlefinger – Westeros‘ dümmster Politiker
Um die abgeschottete Bergregion ‚The Vale‘ ins Reich zurückzuführen, reist Lord Littlefinger in Staffel 3 dorthin, um um die Hand der dortigen Regentin, Lysa Arryn, anzuhalten. Von dort aus plant er Joffreys Tod zusammen mit den Tyrells und holt Sansa zu sich, die seither von Cersei gesucht wird. Kaum ist diese da, bringt er Lysa Arryn um. Die Lords of the Vale verdächtigen ihn, doch Sansa kann sie von Littlefingers Unschuld überzeugen. Soweit so gut. Nun aber verlässt Littlefinger mit Sansa seinen neuen Sitz und fährt nach Norden im Glauben, er könne in Zukunft über die Armee der Vale-Lords verfügen. Warum er das denkt? Niemand weiss es. Robin Arynn ist Lysas Erbe, nicht Littlefinger. Diesem traut im ganzen Reich eigentlich niemand. Welchen Grund die Vale-Lords haben sollten, Littlefinger zu gehorchen, wissen wohl nur D&D.
Aber das war ja noch nicht mal der dumme Teil von Littlefingers Plan. Er bringt Sansa nach Winterfell, damit sie Ramsay Bolton heiraten kann, einen gefürchteten Psychopathen, der Leute verstümmelt und Frauen mit Hunden jagt. Davon hat Littlefinger, der sonst alles weiss, nie gehört. Warum aber die Heirat? Hier kommt der Plan ins Spiel. Stannis Baratheon wird Winterfell angreifen, wahrscheinlich gewinnen (das hingegen weiss Littlefinger seltsamerweise sogar besser als Stannis selber) und Sansa zur ‚Wardeness of the North‘ ernennen, worauf sich der ganze Norden hinter ihr verbünden wird. Okay. Zwei Probleme. Erstens: Warum bringt er das arme Mädchen nicht gleich zu Stannis, wo sie in Sicherheit wäre – das Resultat wäre genau das gleiche. Zweitens: Durch die Heirat mit Sansa versprechen sich die Boltons mehr Unterstützung durch die Häuser des Nordens, die den Starks treu sind. Littlefingers Plan bringt also Sansa nicht nur in Gefahr, vergewaltigt und gefoltert zu werden, anstatt in Sicherheit zu sein, sondern macht es wahrscheinlich, dass die Armee der Boltons, auf deren Niederlage er zählt, grösser wird. Ehm … muss da noch mehr gesagt werden?
In der Buchvorlage bleibt Sansa mit Littlefinger im ‚Vale‘ und Ramsay Bolton heiratet ein Mädchen, dass den Lords des Nordens als Arya verkauft wird (von der ja seit Eddard Starks Hinrichtung niemand weiss, wo sie ist). Die Winterfellhandlung in Martins letztem Buch ist grandios – ein vielfaches besser und logischer als das unsinnige Chaos, das die Serie hier veranstaltet. Die schlimmste Szene aus Martins Bolton-Kapiteln lassen D&D Sansa erleben: Sie wird von Ramsay in der Hochzeitsnacht vergewaltigt. Einen Grund dafür gibt es nicht, ausser dem Schockeffekt. Plotrelevanz: 0.0%. Warum Littlefinger dies riskiert (denn warum sollte Sansa ihn je wieder unterstützen?) bleibt vorerst ein Geheimnis – und das wohl grösste Plothole der Staffel.
5 Der IS in Kings Landing
Mit grandioser Unsubtilität fielen in der vierten Folge der fünften Staffel die Sparrows über Kings Landing her, die von Cersei grundlos bewaffnete Sekte religiöser Fanatiker, welche die Prohibition einführen, Homosexuelle verfolgen und Bordelle stürmen. Mal abgesehen davon, dass das Wein- und Biertrinken in einer Gesellschaft, in der klares Trinkwasser in Städten kaum aufzutreiben sein dürfte, sicher kein Laster sondern medizinische Notwendigkeit ist, fragt man sich, was diese Männer in Kutten gegen Schwule haben. Und warum sie den Oberschwulen der Serie, Loras Tyrell (mehr zu ihm später), der in der ersten Staffel noch einer der besten Ritter in den sieben Königreichen war, einfach so festnehmen können, als er gerade in voller Rüstung trainiert. Und warum sie von Ghandi angeführt werden. Wahrscheinlich, um ein Statement zu machen: Religiöse Fanatiker? Das sind eben so ISIS-Leute – böse grinsende Kultisten, die sich Symbole die Stirne ritzen und nackte Frauen malträtieren. Seit das erledigt ist, machen sie in Gangs die Strassen von Kingslanding unsicher und pöbeln Adlige an. Sollten in der nächsten Folge die Steinigungen losgehen, wird dies niemand wundern. Fehlt eigentlich nur noch, dass alle Bärte tragen.

Die Sparrows in Martins Romanen sind eine religiöse Gruppierung von Menschen, die im Krieg gelitten haben und von der Krone verlangen, sich um die leidende Bevölkerung zu kümmern. Moralisches Verhalten ist auch ihnen wichtig und unmoralisches möchten sie bestraft sehen, aber sie wenden kaum je Gewalt an, sondern fordern Gerechtigkeit in Prozessen. Bewaffnet werden sie, um die Bevölkerung auf dem Land zu schützen. Eines der Themen des vierten Buches der Reihe bei Martin ist Religion und ihre Rolle in der Zeit nach einem Krieg. Aber Themen, so D&D, sind eben etwas für, Zitat, „book reports“. Die Serie will Action. Und dämonisch grinsende Fanatiker bringt mehr Action als eine sich langsam radikalisierende Bewegung für soziale Gerechtigkeit.
Link: Kommentar zur Religionsproblematik
6 Aus Dorne wird Porne, oder: Kämpfen und Ficken
Dorne ist das Königreich im Süden von Westeros (obwohl es auch in Essos liegen könnte, dazu später mehr). Dort weilt Prinzessin Myrcella, Cerseis Tochter, von Tyrion dorthin geschickt, um das Vertrauen und die Unterstützung der Dornish zu gewinnen. Von dort kam Oberyn Martell, der Prinz dieses Reiches, in der vierten Staffel nach Kings Landing, zusammen mit seiner Geliebten Ellaria Sand. Die beiden wohnten in einem Bordell – und vergnügten sich tagaus tagein mit männlichen und weiblichen Nutten. Bronn lässt uns in Staffel 5 wissen: „The Dornish are crazy. All they want to do is fight and fuck, fuck and fight.“. Bam! – Charakterisierung abgeschlossen. Denn: Er hat recht – die Dornish sind Barbaren. Oberyns Geliebte, Ellaria, will Rache (!) dafür, dass Oberyn einen Zweikampf aus Dummheit verlor, für den er sich freiwillig gemeldet hatte. Und wie will sie sich rächen? Sie will Myrcella, ein 16jähriges Mädchen, in kleine Teile zerschneiden. Oberyn versicherte in Staffel 4 zwar noch, in Dorne würde kleinen Mädchen kein Leid zugefügt. Aber hey, Ellaria ist das Klischee der rachsüchtigen Frau, die irrational handelt, weil sie eben eine Frau ist, und die sind ja häufig so. Also emotional und irrational.
Auch Oberyns Töchter, die Sandsnakes, verstümmeln kleine Mädchen nur dann, wenn sie wütend auf deren Mütter sind. Von ihrem Volk würden sie, so Ellaria, geliebt. Wir treffen diese drei Schlangen zum ersten Mal in der vierten Folge an. Sie zelten. Knapp bekleidet, aber gut bewaffnet, sind sie die feuchten Träume jedes 10jährigen, der gerne Ninjas mag. Ellaria trifft sie an, als sie gerade einen Kapitän foltern, der ihnen Informationen verkauft hat: Jamie Lannister sei in Dorne. Umso klarer ist der Plan: Myrcella schnell aufschlitzen, bevor Jamie sie findet. Sie hätten natürlich auch Jamie, den verhasstesten Ritter in ganz Westeros, finden und töten können – das halbe Reich hätte es ihnen gedankt. Aber nein, Rache wird an kleinen Mädchen verübt. So macht man das in Dorne. Wenn man nicht gerade am ficken ist. Und das Volk liebt einen dafür.

Kämpfen können die drei übrigens wesentlich schlechter als ihr Vater – obwohl der sie sein ganzes Leben trainiert hat. Obara, die martialischste der drei, vermag gegen den einarmigen Jaimie Lannister praktisch nichts auszurichten, sieht aber immer noch besser aus als ihre beiden Schwestern, Xena1 und Xena2. Die Kampfszene in Dorne in Episode 6 ist zweifellos die schwächste der Serie bisher – und das Internet ist voll von spöttischen gifs, welche Ausschnitte des Kampfes in all seiner B-Movie-Haftigkeit zeigen. Wenn die drei so schlecht vögeln, wie sie kämpfen, würde dies zumindest erklären, warum ganz Dorne bisher ausnahmslos eine Scheisslaune hatte.
Dorne in der Buchvorlage? Die fortschrittlichste Gesellschaft in den Sieben Königreichen. Eine Monarchie, die auf das Volk hört, ein Volk, das ungestraft aufbegehren kann. Frauen haben gleiche Rechte wie Männer, können den Thron erben. Myrcella wird von allen geliebt. Ellaria argumentiert gegen die Rache an Oberyn, die vor allem das Volk will. Aber das wäre langweilig. Lieber gibt sich „Game of Thrones“ den klassischen Vorstellungen des alten Orients hin, wenn es Dorne zeigt: Erotik und Schlangen, Turbane und Araberpferde. Die ausgearbeiteten Charaktere der Romanhandlung: Prinzessin Arianne, die Myrcella zur Königin von Westeros krönen will, Prinz Quentyn, der eine Allianz mit Danaerys schliessen soll. Die Pappcharaktere der Serie: drei blutrünstige, rachgierige Folterengel mit tiefen Ausschnitten und billigen Sprüchen. Dorne wird zu Porne.
Link: Die Dorne-Analyse des Blog „The Cultural Vacuum“
Link: Die Sandsnakes-Analyse des Blog „The Cultural Vacuum“
7 Figuren für die Handlung statt Handlung für Figuren
„Character assassination“ ist das Wort, das man neben „Fanfiction“ am meisten hört auf den Foren der book snobs. Neu ist der Vorwurf nicht – aber er ist je länger je berechtigter. Das bedauernswerteste Beispiel dafür ist wohl Jaime. Nachdem er zwei Staffeln lang in fast jeder Szene klar machte, was für ein arrogantes Arschloch er war, begann mit Staffel 3 seine ‚redemption arc‘ – die Entwicklung vom Bösewicht zum liebenswerten Zyniker. Diese war verdient und sein Plot glänzte mit grossartigen Szenen, wie jener mit Brienne in den Bädern von Harrenhall. Dumm nur, dass er diese Sympathie sofort wieder vergab, als er nach dem Tod Joffreys Cersei neben dessen Totenbahre quasi vergewaltigte – wobei der Regisseur der Szene, Alex Graves (der mit Abstand schwächste Regisseur der Serie), bis heute findet, Cersei habe das auch gewollt (sie mag’s halt etwas hart). Seitdem ist Jaime kaum mehr eine Figur, sondern ein simples ‚plot device‘ – lange stand er vor allem rum, nun ist er mit Bronn in Dorne in eine Art buddy-adventure-spin-off verwickelt. Die Buchvorlage lässt Jamie zum geschickten Diplomaten werden, der sich von Cersei abkehrt, da Tyrion ihm nach seiner Befreiung verrät, dass sich Cersei während seiner Gefangenschaft mit Cousin Lancel vergnügt hatte. Aber tja, innerer Konflikt halt, dafür schalten keine 8 Millionen Amis ein.
Auch nicht mehr die alte ist Margaery Tyrell. In der dritten Staffel eroberte sie die Herzen von ganz Kings Landing, besuchte Waisenhäuser, versorgte die Stadt mit Essen, war bescheiden und devot. Nicht, dass wir diese Fassade nicht durchschaut hätten – Margaery wollte vor allem Königin sein (hat sie aber inzwischen vergessen, wie schon erwähnt). Aber: Hat Kings Landing sie auch durchschaut? Als ihr Bruder Loras wegen seinen Homoeskapaden festgenommen wird, schickt Margaery Tommen, um diesen zu befreien. Warum geht sie nicht selber? Sie hat ja ganz Kings Landing hinter sich – wo sie hingeht, teilt sich die Menge, und die Sparrows sind Menschen aus dieser Menge. Sie ist die einzige, die den Armen half, wie dies der High Sparrow tut – die beiden müssten eigentlich dicke Freunde sein. Tommen hat aber nicht nur keinen Erfolg, sondern der High Sparrow lässt Margy nach dem Prozess von Loras wegen Meineid verhaften. Genau, er verhaftet die Königin, die in der dritten Staffel von den Menschen, die jetzt die Sparrows sind, vergöttert wurde. Weil … böh?

Im Kerker sitzt auch der arme Loras. Er ist ja eigentlich der Liebling bei jedem Turnier, wie wir aus der ersten Staffel wissen, ein Schönling, schon in jungen Jahren einer der besten Ritter des Königreichs. Zumindest in der ersten Staffel und in den Romanen. In der Serie ist er seit der dritten Staffel eigentlich nur noch sehr, sehr schwul. Seinem Lover Renly trauerte er nicht lange nach, sondern vergnügte sich bald fröhlich mit Olyvar, der scheinbar einzigen männlichen Hure der Stadt. Kämpfen kann er nicht mehr; für die Sparrows ist seine Festnahme etwa so schwierig wie für Ramsays Hunde die Jagd nach angeschossenen Frauen in Röcken. Der „Knight of Flowers“ (wer so heisst, muss ja schwul sein, dachten da D&D wohl) ist eine Karikatur der schlimmsten Sorte. In Martins Buchvorlage trauert er um Renly, den er aufrichtig liebte. Aber Schwule zu zeigen, sie sich lieben, mögen D&D irgendwie nicht. Schwule, die munter vögeln, das geht, aber tragische Liebe ist doch eher etwas Heterosexuelles. Etwas für Brienne – die Kriegerbraut, die zwischen harten Kämpfen immer mal wieder reminiszieren darf, was Renly doch für ein guter Mann war. Obwohl der es ja, glaubt man seiner Grossmutter, mit jedem Stalljungen trieb. Eben doch auch ein typisch promiskuitiver Homo.
Auch in einer Abwärtsspirale befindet sich Daenerys Targaryen (von vielen Serienguckern nur Khaleesi genannt, obwohl das ihr Titel und nicht ihr Name ist). In der ersten Staffel entsprach Dany ihrem Romanpendant sehr gut. In der fünften Staffel regiert sie Mereen mit einer Willkür, die Joffrey wie einen gemässtigten Monarchen aussehen lässt. In der fünften Folge lässt sie einen zufällig ausgewählten politischen Gegner von ihren Drachen verbrennen und fressen, obwohl dieser, wie sie selber zugibt, vielleicht unschuldig ist. In der gleichen Staffel entscheidet sie sich, einen anderen politischen Gegner zu einer Heirat mit ihr zu zwingen (anstatt ihn, wie zuerst geplant, ebenfalls an die Drachen zu verfüttern). Sie übertrifft damit sogar ihren Vater, den Mad King, an Grausamkeit und Unberechenbarkeit. Auch in den Romanen trifft Dany zunehmend problematische Entscheidungen, aber nie grundlos – sie wird von der Idealistin zur Politikerin, die … okay, verstanden, langweilig. Oder zumindest nicht so cool wie Drachen. Die muss man ja immer mal wieder zeigen – und Gründe dafür findet man ja auch, ohne seine Figuren kennen zu müssen. Dany noch zu mögen, fällt momentan schwer. Ausser man steht auf BAMFs (badass motherfuckers).
Wer noch? Na ja, da wäre der in Folge 3 hingerichtete Janos Slynt – der manchmal ein grosser Feigling ist (er versteckt sich vor der Schlacht in Castle Black und schweigt beschämt, als Sam sich öffentlich darüber lustig macht) und manchmal lautstark Jon Snow beschimpft, je nach dem, was grad ins Skript passt. Nochmals Brienne, die in der zweiten Staffel ehrenhafteste Rittersfrau in Westeros, die nun aus Prinzip Soldaten tötet, obwohl diese keine Bedrohung für sie darstellen. Cersei, die Grandmaster Pycelle auf den Tod nicht ausstehen kann, aber bei Tommens Hochzeit die ganze Zeit neben ihm steht. Jon Snow, der mal Ygritte nachtrauert, mal Ginger-Witze mit seinen Mannen reisst. Und Varys, der beste Spieler im Spiel der Throne, der Spionagemeister schlechthin, der seinen eigenen Informanten, Jorah Mormont, nicht wiedererkennt und sich Tyrion von diesem unter der Nase wegstehlen lässt. Zur „character assassination“ von Sansa könnte man seitenweise schreiben. Aber das wurde anderswo schon besser gemacht.
8 Kings Landing – Winterfell in einer Stunde
Vielleicht sind all diese Figuren auch nur verwirrt, da es in Westeros grössere tektonische Verschiebungen gegeben hat. Als Cersei eine Nachricht an Littlefinger schickt, kommt diese in der nächsten Szene gleich an. Der Briefrabe macht aber den Umweg über das ‚Vale‘, von wo (warum auch immer) ein Reiter die Nachricht nach Winterfell bringt. Das dauert, selbst im Mini-Westeros der ersten TV-Serie, locker ein bis zwei Wochen. Dass so viel Zeit zwischen den beiden Szenen nicht vergeht, wissen wir von anderen Handlungssträngen. Aber mit Geographie und Zeit nimmt es die Serie ohnehin nicht genau. Seit im Vorspann nach dem Kameraschwenk nach Bravos und Mereen eine Stadt namens ‚Dorne‘ gezeigt wird (die Stadt heisst Sunspear und ist die Hauptstadt des Reiches Dorne, aber egal), glauben die meisten Zuschauer, Dorne liege auf Essos, dem anderen Kontinent, wo eben diese Kahleesi wohnt. Macht ja auch Sinn – warum sonst würden Jaime und Bronn mit dem Boot dahinfahren, wenn man den halben Kontinent in ein paar Tagen durchreiten kann. Ins ‚Vale‘ kommt man neu übrigens gut auch zu Fuss. Problemlos auch zu zweit; überfallen wird man, anders als Tyrion und Catelyn in der ersten Staffel, nicht mehr. Krieg sorgt eben dafür, dass die Strassen sicher werden. Oh, und auch Essos ist geschrumpft: Die Strecke, die Jorah Mormont mit dem gefesselten Tyrion im Fischerboot zurücklegen wollte, wäre nämlich so lange wie jene von Winterfell nach Kings Landing und wieder zurück – rund 2500 Kilometer.
Dass die zwei neuen Städte, Bravos und Volantis, auf einem anderen Kontinent liegen, merkt man ihnen aber kaum an. Volantis sieht aus wie jede Stadt in Westeros, und gesprochen wird dort akzentfrei die Sprache, die man in Kings Landing spricht, sogar von den Prostituierten. Nur in Dorne, das viel näher bei Kings Landing liegt, spricht man mit Akzent, da das Orientthema ja auch in die Sprache übertragen werden muss. Auch Arya muss nicht Bravosi lernen wie in Martins Büchern, denn Bravos scheint eine Art Parallel-Kings-Landing zu sein – alles sieht gleich aus. Ganz generell kümmert sich „Game of Thrones“ kaum noch um wirkliches „world building“. Eine konsequente dem mittelalterlichen Setting angepasste Sprache zu verwenden, bemüht sich die Serie schon länger nicht mehr – aus ‚maiden‘ wurde ‚virgin‘, in Westeros gibt es nun „Politiker“ und „diplomatische Missionen“, und Stannis bekennt sich mit Aussagen wie ‚Go to Hell‘ neuerdings zum Christentum. In Staffel 6 dürfte „Ser“ wohl durch „Mister“ ersetzt werden.
Neben der praktischen lingua franca gibt es auch kulturell kaum Unterschiede in der Welt der Serie: Vergnügen findet ausschliesslich in Bordellen statt: Wein, Sex, und überall dieselben drei Lieder (obwohl die Romanvorlage viele herrliche Liedtexte liefern würde). Wer kulturelle Diversität will, lese die Martins Romane. Die Serie interessiert sich vor allem für die Diversität von Nippeln.
9 Sex ist subversiv – warum sonst würden wir ihn zeigen?
„Play with her arse“ befahl Littlefinger einer Azubi-Prostituierten schon in Staffel 1 – es musste dringend etwas für die Kamera passieren, als er seinen Monolog über die Motivation seiner Figur hielt. Nackte Frauenkörper als Set-Dekor fallen bei „Game of Thrones“ nicht einmal mehr auf. Im Bordell in Volantis, das Tyrion in der fünften Staffel besucht, stolzierte ein amerikanisches Pornosternlein in Daenerys‘ Season-3-Kostüm rum. Fanden D&D wohl besonders lustig. Man ist ja HBO und darf als Pay-TV-Channel ja zeigen, was man will. Und wenn man das darf, dann sollte man ja auch. In Staffel 4 gab es sogar Vergewaltigungen im Hintergrund – aber hey, das Leben in Westeros ist halt kein Ponyhof. Und Sex ist ja etwas Natürliches, und am Fernsehen Tabus zu brechen, ist total subversiv. Vor allem, wenn man nackte Frauen nur von den Brüsten abwärts zeigt, mit Fokus auf die spärlich behaarten Vulven der nackten Statistinnen. Wenn man zeigt, wie Littlefinger seinen Damen das in den Mundwinkel klebende Sperma abwischt, bevor sie den nächsten Klienten bedienen, dann ist das, genau: Realismus!

Weniger realistisch scheint, dass Prostituierte in der Welt von D&D nicht bezahlt werden wollen, wenn ihnen der Sex Spass macht oder wenn man nett zu ihnen ist. Pod besorgt es drei erfahrenen Kurtisanen bei seinem ersten Mal (!) so gründlich, dass diese jede Bezahlung ablehnen. Okay, mag man sich denken, die haben vielleicht genug Geld, da sie ja nur die Elite in Kings Landing bedienen. Aber auch in Volantis gehen die Nutten ihrem Beruf nicht des Geldes wegen nach. Tyrion kriegt Gratissex für ein einziges Kompliment – er bekommt die traurige Nutte, die nicht so viele Kunden wie Porno-Danaerys hat und deshalb grad etwas down ist. Da wäscht sie doch gerne einen seit Wochen ungeduschten Zwerg und spendiert ihm ein bisschen Spass. Dass die Damen in diesem Etablissement Sexsklavinnen sind (jene, die Danaerys seit zwei Staffeln befreien will) und wahrscheinlich durchgeprügelt würden, wenn sie gratis arbeiten, ist Rosinenpickerei. Das passiert dieser netten Nutte aber dann doch nicht. Denn Tyrion kriegt keinen hoch, so sehr trauert er noch Shae nach, die er vor kurzem erwürgt hat (und die in der dritten Staffel mehr Szenen und Text hatte als Catelyn Stark). Schade – eine verpasste Chance für mehr subversive Nippel und Genitalien.
Mehrere weibliche Castmitglieder bedauern jedoch in Interviews, dass diese Subversivität etwas einseitig ist. Penisse sieht man in „Game of Thrones“ tatsächlich selten – und wenn, dann sind sie wie bei Theon in Staffel unmittelbar nach dem Orgasmus bereits wieder erschlafft, oder es sind Silikonattrappen wie beim beneidenswert bestückten Hodor. Michel Huismann, der Danys Bodyguard und Bettgefährten Daario spielt, hätte kein Problem, seinen Schwengel zu zeigen. Aber dafür sind die Produzenten dann doch zu feige. Die 8 Millionen, die am Sonntag Abend einschalten, wollen Titten und Muschis sehen – keine Schniedel. Die sind irgendwie nicht subversiv genug.
Das Internet ist voller kluger Analysen der sexuellen Doppelmoral von „Game of Thrones“. Dass es die wenigsten Kritiker zu stören schien, dass die 33jährige Natalie Dormer (Margaery) eine Sexszene mit dem 17jährigen Dean-Charles Chapman (Tommen) drehte, spricht beispielsweise Bände. Bereits in der vierten Staffel wäre es bereits zu einer heiklen Szene gekommen, gegen die sich Dormer aber damals wehrte. Klar, diese Sexszene ist harmloser als der Rest (was auch nicht unproblematisch ist – harten Sex gibt’s also nur dann, wenn Pornodarsteller zur Verfügung stehen). Dass Tommen, ein unerfahrener Teenager, der bis vor kurzem noch mit Katzen spielte, hier von einer erwachsenen Frau mit Sex systematisch manipuliert wird, schien kaum jemand zu merken. Man stelle sich den Aufruhr vor, hätte Tyrion in Staffel 3 eine Sexszene mit der damals 16jährigen Sophie Turner gehabt.
Link: Ein Essay über die problematische Sexualpolitik von „Game of Thrones“
Link: Ein Kommentar zur Margaery-Tommen-Sexszene
10 Massengräber gräbt man schnell
Neben allen Adaptionsidiotien und selbstgefälligen Änderungen gäbe es hunderte kleiner Logikprobleme, die man hier auflisten könnte. Ein paar Beispiele:
• Mace Tyrell informiert Cersei darüber, dass die Iron Bank 10% ihres Darlehens an die Krone zurückbezahlt haben möchte. Cersei hört das scheinbar zum ersten Mal, fragt nach. Mace sagt, er werde der Krone das Geld vorschiessen. Cersei sagt, er solle doch gleich aufbrechen und mit der Iron Bank verhandeln. Sie hat die Reisevorbereitungen schon getroffen, die ihn begleitende Königswache weiss Bescheid, Mace kann gleich abreisen. Wait, what?
• Shireen, Stannis‘ Tochter leidet, seit sie ein Kind war, unter Greyscale (einer Krankheit, die in der dritten und vierten Episode bei jeder Gelegenheit erwähnt wird, da sich in Folge 5 jemand damit ansteckt – subtil!). Sie ist sich nicht sicher, ob ihr Vater sich für sie schämt. Er erzählt ihr, wie er alles daran setzte, sie heilen zu lassen, anstatt sie wegzuschicken. „You did not belong across the sea – you were the Princess Shireen“. Ehm … nein, war sie nicht. Damals, und noch lange danach, war Robert, Stannis‘ Bruder König, und Myrcella die einzige Prinzessin weit und breit.
• A propos Greyscale – bevor er sich ansteckte, warnte Jorah Tyrion energisch davor, sich von den „stonemen“ berühren zu lassen. Als er die Krankheit hat, fasst er Tyrion aber ebenso oft und selbstverständlich an, wie zuvor. Und nein, das ist nicht Absicht.
• Jamie und Bronn töten vier Dornische Reiter. Jamie sagt Bronn, er solle diese begraben. Hm? Genau, er solle ein totes Pferd und vier Reiter verbuddeln. Eine Schaufel steht nicht zur Verfügung. Nur ein Schwert. Das Grab entsteht an einem Ort, wo scheinbar oft patrouilliert wird. Aber hey, die Tatsache, dass Jamie nicht helfen muss, weil er nur noch eine Hand hat, ist witzig! Und der Witz geht vor.
• Der Rest der Dorne-Exkursion ist ein Spaziergang. Miserabel verkleidet können die beiden bei heiterhellem Tage ungehindert in den Palast von Prinz Doran reinspazieren. Sie wären wohl auch problemlos mit Myrcella da rausspaziert, wären die Sandsnakes nicht zuuuufälligerweise in genau diesem Augenblick auch dort angekommen. Diese erkennen Jaime, den sie noch nie gesehen hatten, trotz Verkleidung sofort und greifen an. Bis Prinz Dorans Wache den darauffolgenden Kampf stoppen kann, vergeht eine ganze Weile. Der Palast muss das schlechtestbewachte Gebäude in Westeros sein.
• Barristan Selmy, der persönliche Leibwächter von Daenerys, nimmt sich ein Stündchen frei und spaziert in Freizeitkleidung durch die Stadt, in der es von Guerillakämpfern, den „Sons of the Harpy“, wimmelt, die Dany stürzen wollen. Das ist etwa so, als ginge der amerikanische Verteidigungsminister in Shorts und Hemd in Bagdad spazieren. Gut, sind seine Gegner ebenfalls nur in Leinengewänder eingewickelte Adlige, die keine Kampfausbildung haben und mit Küchenmessern kämpfen. Er hingegen ist Barristan Selmy, dessen Kampfeskunst vier Staffeln lang gepriesen wurde. Er besiegt zwei oder drei dieser Küchenmesserschwinger, wird ein bisschen geritzt und stirbt. Aber hey, immerhin nicht allein. Ein knappes Dutzend „Unsullied“, von Sklavenhändlern gezüchtete Elitekrieger, wurden auch abgestochen. Eigentlich bräuchte Dany nur drei bis vier von diesen „Sons of the Harpy“ anzuheuern, und der Eiserne Thron würde innert einer Woche ihr gehören.
• Gilly beklagt sich in Folge 2 darüber, dass sie so wenig wisse. Verständlich wäre das – sie ist in einer Hütte jenseits der Mauer aufgewachsen, weiss nicht was ein Buch ist. Ihr Vater war nie südlich der Mauer, sie hatte mit niemandem Kontakt. Aber hey, sie weiss, was ein Strauss ist. Warum? Na damit der schlechte D&D Wortwitz funktioniert (Osric Stark klingt wie Ostrich Stark – naaaa? witzig, oder?).
• Der Favorit zum Schluss: Wie schon gesagt wurde, Tommen war in der zweiten Staffel ca. 6 Jahre. Damals bekam Gilly ihr Kind. Während Tommen 6-8 Jahre älter geworden ist, ist Gillys Kind noch immer ein Baby. Muss am Klima liegen.
Fanfiction statt Mut zur Adaption
Mit der ersten Staffel gelang Benioff und Weiss eine souveräne Adaption von Martins erstem Roman, „A Game of Thrones“. Über die „Play with her arse“-Szene konnte man knapp hinwegsehen und Ros, die Prostituierte mit Herz, D&Ds einzige erfundene Figur in der ersten Staffel, konnte man einfach ignorieren. Inzwischen ist „Adaption“ ein schon fast zynischer Euphemismus für die Serie – Fanfiction ist da wohl doch fast der korrekte Begriff. George R.R. Martin schaffte es mit den bisherigen Romanen der „A Song of Ice and Fire“ Reihe, dem Fantasygenre literarischen Respekt zu verschaffen und es aus der Nerd-Ecke rauszuholen. „Game of Thrones“ wird kein vergleichbares Erbe hinterlassen. Anspruchsvolles Fernsehen ist die fünfte Staffel nicht mehr – es ist schlecht geplottetes, voyeuristisches Actiondrama mit tollen Darstellern, Kostümen und Kulissen. Und es ist der Beweis, dass Fernsehen, das sich zu gut findet, um von der Literatur zu lernen, nie wirklich gutes Fernsehen sein kann.
Dann bin ich froh sehe ich das nicht als einziger so. Die 5. Staffel zeichne ich regelmässig auf. In der Folge vom 22.06.15 wollte mein Finger nicht mehr von der „Skip“ Taste weg. Ich hatte die 50 Minuten in weniger als 10 Minuten durch. Den Timer für die wiederkehrenden Aufnahmen habe ich gelöscht.
Die Serie ist total abgestürzt und hat mich als Zuschauer verloren.