Far Cry Primal

Unterwegs mit Keulen-Johnny

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Far Cry Primal geht zurück in die Steinzeit und verabschiedet sich vom pompösen Kawumm vergangener Serieneinträge. Aber bringt Primal die Serie nun einen Schritt voran oder hat Far Cry sich nicht nur zeitlich zurückentwickelt? NORMAN VOLKMANN schwang die Keule, ritt auf Säbelzahntigern und versuchte sich als Mammutflüsterer.

Far Cry Primal ist bemerkenswert: Statt weiterhin auf die Features zu setzen, die die Serie bislang auszeichneten, nimmt man dem Spieler gerade jene. Keine Fahrzeuge, keine große Waffenvielfalt, keine Explosionen – dafür gibt es ein üppiges Tierreich, Wälder sowie Lichtungen und gegnerische Stämme. Dass man dennoch in seinen Flow findet, Pflanzen erntet und Tiere jagt – das ist die größte Stärke von Far Cry Primal. Auf der einen Seite zieht Primal ganz andere Saiten auf, wenn man es mit seinen direkten Vorgängern vergleicht. Doch nach ein paar Stunden wir rasch klar – das hier ist immer noch Far Cry. Schlage ich Gegner mit Knüppel oder Speer gegen den Kopf, blinkt immer noch „Headshot“ auf. Die Fähigkeiten-Übersicht beherbergt viele altbekannte oder zumindest ähnliche Eigenschaften, die man bereits aus Teil 3 und Far Cry 4 kennt. Durch das Jagen und Häuten der Tiere beispielsweise verschafft man sich weiterhin Ausrüstungsupdates. Daneben sammelt man nun auch Pflanzen, Steine und Hölzer, damit das Heimatdorf der Wenja, des eigenen Steinzeit-Stamms, ausgebaut werden kann. Ähnlich wie bei Fallout 4 heißt es auch bei Primal: Alles muss eingesammelt werden. Speere zerbrechen, Keulen splittern und Pfeile findet man nicht immer wieder. Der Star des Spiels ist damit das Sammeln und Jagen. Und es ist ein einsamer Star, der immer wieder auf die Bühne gestellt wird.

Far-Cry-Primal-2Ein Spiel als ewige To-Do-Liste: Nach der stimmungsvollen Einführung outet Far Cry Primal sich schnell als Beschäftigungstherapie. Wie man es inzwischen von Ubisoft-Titeln gewöhnt ist, blinken überall Icons mit unerledigten Aufgaben auf der Karte: Es gibt wieder und wieder die Fauna zu dezimieren, die Flora zu entwurzeln oder die Stammesangehörigen zu retten. Ständig erscheinen in der Spielwelt randomisierte Ereignisse und Missionen.

Dabei wäre die Erkundung der Welt auch sonst keineswegs langweilig. Im Gegenteil, denn Primal ist wunderschön geworden – gerade in den Morgenstunden oder wenn der Vollmond durch die Bäume scheint und gelbe Augen beißwütiger Wölfe oder anderer Raubtiere durch das Unterholz schimmern, entfaltet die wunderschöne, aber gefährliche Welt ihren Reiz. Dementsprechend habe ich mich nicht von Icons auf der Karte gängeln lassen, sondern bin ziellos durch die Welt gestreift und habe am Wegesrand Camps von Feinden eingenommen und gejagt.

Die eigentlichen Missionen in Primal halten mich nicht lange bei der Stange. Zu viele Fetch-Quests und zu wenige originelle Mechaniken oder Story-Ansätze, die mich in der Handlung vorankommen lassen würden. Mir ist das alles egal, ich will oftmals gar keine Missionen annehmen, sondern einfach nur auf meinem Säbelzahntiger durch die schöne Spielwelt reiten. Dazu verfügt der Hauptcharakter über die Hunter’s Vision (Hallo The Witcher 3), die zwar an einigen Stellen sehr nützlich ist, gerade aber bei den Jagdmissionen der Bestien eher wie ein künstlicher Strecker wirkt.

Reise nach Oros

Im vor ein paar Jahren erschienenen Assassin’s Creed Unity war der Schauplatz Paris. Sprachlich machte sich dies kaum bemerkbar —  vielmehr sprachen die Figuren im Spiel mit britischem Akzent. Der Spott der Spieler ließ nicht lange auf sich warten. In Primal hat Ubisoft scheinbar überkompensiert und eine eigene Sprache für die Stämme Wenja, Izili und Udum entwerfen lassen. Das hilft zwar bei der Immersion, allerdings zwingt es den Spieler dazu, vom Bildschirm weg und auf die Untertitel zu achten – was bei den sehr schönen Zwischensequenzen kaum verständlich ist.

Daneben ist es vor allem das üppige Tierreich, dass Oros zu einem gefährlichen und unberechenbaren Fleckchen macht. Die Gefahr, plötzlich von einem Rudel Wölfe oder einem Berglöwen überrascht zu werden, ist immer präsent. Trifft man auf eine Herde Mammuts und geht leichtfertig in eine solche Begegnung, darf man Oros recht schnell Lebewohl sagen. Bloß gut, dass man einige der wilden Bestien auch zähmen kann. Die Herausforderung hierbei ist allerdings eher, seltene Arten zu finden, denn das Zähmen an sich funktioniert quasi auf Knopfdruck. Dennoch – auf einem Bären oder Säbelzahntiger durch Oros zu reiten und wild die Keule zu schwingen, ist furchtbar genugtuend.

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Auch wenn es auf den ersten Blick so scheint: Far Cry Primal ist bei Weitem nicht eine Neuerfindung der Serie. Einerseits sollte man Ubisoft dafür applaudieren, es gewagt zu haben, dem Titel einen komplett neuen Anstrich in Sachen Setting zu geben. Anderseits bleiben nicht nur zu viele Gameplay-Mechaniken gleich, auch verkörpert man als Spieler immer noch die gleiche Art Charakter wie in den vorherigen Teilen der Serie. Zu viele sich ähnelnde Fleißaufgaben und vergleichsweise uninteressante Hauptmissionen finden sich am Wegesrand der wunderschönen Spielwelt. Dafür ist aber genau diese wirklich toll inszeniert: Höhlen, Berge, Täler, Seen und Waldlichtungen weckten in mir sofort den Entdecker. Die Tierwelt ist eine ständige Gefahr und zeigt eindrucksvoll, wer in dieser Welt (noch) die Hosen anhat. Far Cry Primal ist für die Serie Stagnation auf höchstem Niveau: Es erfüllt alle Erwartungen und überrascht an manchen Enden, macht aber insgesamt zu wenig anders, um sich langfristig als Meilenstein der Serie zu manifestieren.

Veröffentlichungsdatum: Bereits erschienen
Originaltitel: Far Cry Primal
Plattformen: Xbox One, PS4, PC
Genre: Egoshooter
Entwickler: Ubisoft
Veröffentlicht von: Ubisoft Montreal

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