Die Odyssee eines Rhinozeros

Conrad Gessner und die Geschichte des Nashorns

Das Landesmuseum Zürich ehrt den vor 500 Jahren in Zürich geborenen Universalgelehrten Conrad Gessner mit einer Ausstellung. Gessner wirkte unter anderem als Zoologe, Botaniker, Arzt und Sprachwissenschaftler und brachte zahlreiche Bücher heraus. Zum Beispiel einen Katalog aller bis dahin in Europa bekannten Tiere. Darin findet sich auch ein Nashorn. Eines mit einer besonderen Geschichte, die hier nacherzählt sei.

von Martin Geiser

leo
Papst Leo X in einem Gemälde von Raffael ca. 1518

Einige Tage vor Conrad Gessners Geburt am 16. März 1516 in Zürich, geschieht in Rom Sonderares: Ein ausgestopftes Nashorn trifft ein – es ist ein Geschenk von König Manuel I von Portugal an Papst Leo X. Die Geschichte des Tieres erscheint aus heutiger Sicht recht eigen. Sie nimmt ihren Anfang mit dem portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama der 1498 den Seeweg nach Indien entdeckt. Eine Route, die bald darauf von Portugals Flotte rege benutzt wird.

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gelingt es der Seemacht in Indien einige Dutzend Handelsstützpunkte zu errichten. Bald läuft das Geschäft mit den Gewürzen auf Hochtouren. Im Zuge der Handelsbeziehungen und dem Austausch diplomatischer Geschenke gelangt 1514 ein Panzernashorn in den Besitz des portugiesischen Seefahrers und Politikers Afonso de Albuquerque.

Lange fahrt nach Portugal
Dieser bringt das Nashorn per Schiff nach Lissabon zu seinem König, Manuel I. Inzwischen schreibt man das Jahr 1515. Und das fremdartige, an Fabelwesen erinnernde Tier ist im Abendland schlicht eine Sensation. Es wird denn auch zum Publikumsmagneten und zum Objekt skurriler Shows: So soll es gegen einen Elefanten kämpfen. Doch da dieser aufgrund der johlenden Menschenmenge die Flucht ergreift, bleibt dem armen Rhinozeros zumindest dies erspart.

Indes die Kunde des seltsamen Tieres verbreitet sich in Europa und gelangt zum deutschen Grafiker und Mathematiker Albrecht Dürer. Er fertigt noch im selben Jahr unter dem Titel Rhinocerus einen Holzschnitt des Tieres an – mit Hilfe von Beschreibungen und Skizzen – selber hat er es nicht gesehen. Die Drucke des Holzschnitts bleiben über Jahrzehnte, ja gar Jahrhunderte populär. Die Grafik überlebt damit das Nashorn bei weitem. Denn dem armen Tier war nur noch ein kurzes Leben beschieden.

Ein Geschenk für den Papst
Es tritt erneut eine Schiffsreise an: Gegen Ende des Jahres 1515 wird es nach Rom geschickt – geschmückt mit Fransen und vergoldeten Ketten. Der portugiesische König will es Papst Leo X. schenken – nicht zuletzt um in dessen Gunst weiter zu steigen. Manuel hatte Leo bereits im Jahr zuvor einen Elefanten überreichen lassen – der zum Lieblingstier des Papstes avancierte.

Bei einem Zwischenstopp bei Marseille betritt das Nashorn noch einmal Land. Wiederum, um herumgezeigt zu werden. Zurück auf See, gerät das Transportschiff bald in einen Sturm und sinkt. Das angekettete Rhinozeros hat keine Chance und ertrinkt. Die sterblichen Überreste werden an Land gespült und darauf zurück nach Lissabon gebracht. Monate später gelangt das Rhinozeros doch noch nach Rom – mit Stroh ausgestopft.

Dürers Rhinozeros (Druck von Holzschnitt)

Gessners Rhinozeros in Historia animalium
Wie sich Dürer das Rhinozeros vorstellte (oben) übernahm es Gessner in seine umfangreiche Tier-Enzyklopädie.

Umfassendes Tierbuch
Zu dieser Zeit wird, wie erwähnt, Conrad Gessner geboren. Jahrzehnte später erst wird er dem Nashorn begegnen. Für sein Werk Historia animalium will er die gesamte bisher bekannte Tierwelt erfassen. Und dazu benötigt er auch die Beschreibung eines Nashorns. Der Holzschnitt von Dürer aus dem Jahr 1515 dient ihm als primäre Quelle. Das Nashorn ist natürlich ein Tier von vielen: Die Historia animalium, die ab 1551 mit Band 1 veröffentlicht wird, umfasst tausende von Seiten.

Doch das Tierbuch ist bei Weitem nicht das einzige Werk Gessners. Er trägt unter anderem auch das Wissen über Medizin und Chemie zusammen, er befasst sich als erster mit der Verbreitung von Pflanzen auf verschiedenen Höhenstufen. Und in seinem umfassenden Botanik-Werk Historia plantarum sind über 1500 Pflanzenzeichnungen versammelt, die Gessner grösstenteils selbst und äusserst detailreich zeichnete.

Mit seinen exakten Darstellungen der Pflanzen setzt er neue Massstäbe. Doch noch bevor Gessner das Werk vollenden und drucken lassen kann, sucht die Pest Zürich heim. Auch Gessner infiziert sich und erliegt der Krankheit 1565. Die Historia plantarum gerät in Vergessenheit und wird erst beinahe 200 Jahre später, im Jahr 1750 veröffentlicht.

 

Krokodil Conrad Gessner
Ein weiteres Tier aus Gessners Werk: Das Krokodil

 

Links

Biografie von Konrad Gessner im Tages-Anzeiger

Die Ausstellung im Landesmuseum Zürich zeigt einen Überblick über Gessners eindrückliches Werk.

Mehr zum Jubiläum erfährt man unter Gessner500.

Einige von Gessners Werken sind online verfügbar. Zum Beispiel die Historia animalium.

Gessners Rhinozeros inkl. Text in Historia animalium

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert